Mittelstandsinitiative fordert Kurswechsel in der Patentpolitik

Die Unternehmerinitiative patentfrei.de hat in einem offenen Brief an die Kanzlerin die Berliner Pläne zur Unterstützung eines europäischen Streitregelungssystem kritisiert, da dieses Softwarepatente sanktioniere.

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Die Unternehmerinitiative patentfrei.de hat in einem offenen Brief (PDF-Datei) an Bundeskanzlerin Angela Merkel die Berliner Pläne zur Unterstützung eines übergeordneten europäischen Streitregelungssystems zu gewerblichen Schutzrechten kritisiert, da dieses Softwarepatente sanktionieren würde. "Ein Kurswechsel der Bundesregierung in Bezug auf die Reform des Patentsystems ist unbedingt und sofort erforderlich", schreibt die Vereinigung, der über 650 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) angehören. Andererseits verlöre Europa ein großes Potenzial, warnt die Initiative. Nur mit einer Regelung, die Patente auf Computerprogramme wasserdicht ausschließt, könnten "Tausende von neuen Unternehmen den nächsten Jahren entstehen, die innovative Softwarelösungen in die Welt verkaufen und hier Arbeitsplätze schaffen und zum Wohlstand beitragen".

Ein Dorn im Auge ist dem Mittelstandsverbund vor allem die andauernde Unterstützung des Bundesjustizministeriums für das heftig umstrittene European Patent Litigation Agreement (EPLA). Dabei handelt es sich um ein Streitregelungsübereinkommen für Europa, das auf Vorschlag des Europäischen Patentamtes (EPA) ein zentrales Patentgericht schaffen soll. Gegner befürchten, dass auf diesem Umweg die weite, Schutzrechte auf "computerimplementierte Erfindungen" einschließende Vergabepraxis des EPA gerichtlich auf festen Boden gestellt werden könnte.

Insbesondere in dieser abzusehenden Legitimierung von Softwarepatenten sieht patentfrei.de "existenzbedrohende Auswirkungen für KMU", wobei sie auch steigende Kosten für die Beilegung juristischer Auseinandersetzungen rund um gewerbliche Schutzrechte durch das EPLA befürchtet. Zudem stünden gemäß den EPA-Vorgaben "demokratische Prinzipien wie der Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Richter" genauso auf dem Spiel stehen wie Kompetenzen der Gemeinschaft, da das EPLA nicht in den EU-Rechtsrahmen eingebettet sei.

Gleichzeitig weist die Initiative die Argumentation des Justizministeriums für das geplante Übereinkommen als "unhaltbar" zurück. Für die Behörde scheine sich die Innovationskraft einer Firma allein aus der Zahl ihrer Patentanmeldungen abzuleiten. Dies sei "ein Schlag ins Gesicht" der hauptsächlich mittelständisch geprägten Softwarebranche, "die den Innovations- und Jobmotor der Europäischen Wirtschaft" bildet. Nur sehr wenige dieser Unternehmen würden selbst Patente halten. Zudem verschweige das Justizministerium die drohende "immense Rechtsunsicherheit für Softwareentwickler und ihre Kunden, die im Falle der rechtlichen Durchsetzbarkeit von Softwarepatenten für selbst entwickelte Software erfolgreich auf Unterlassung, Schadensersatz oder Lizenzzahlung verklagt werden könnten." Insgesamt habe sich das Ministerium hinter den Karren US-amerikanischer Größen wie Microsoft spannen lassen und trete als "Lobbying-Agentur für Konzerninteressen" auf.

Die Initiative ruft daher zu einem Verzicht auf das EPLA auf und will höchstens ein übergeordnetes EU-Patentgericht akzeptieren, das fest in das EU-Rechtsgefüge integriert wird. Auf jeden Fall dürften keine Beschäftigten des EPA oder der hinter der Münchner Behörde stehenden Europäischen Patentorganisation in europäischen Rechtssprechungsorganen das Sagen haben. Generell müsse das Europäische Patentamt stärker kontrolliert und seine Prüfungsrichtlinien korrigiert werden, um Softwarepatente unmissverständlich zu untersagen. Die Kanzlerin, die am morgigen Mittwoch im EU-Parlament wichtige Ziele der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vorstellen will, erinnert das Unternehmerbündnis zudem an ihre persönliche Unterstützung eines interfraktionellen Bundestagsantrags gegen Softwarepatente vom Februar 2005. Der darin ausgedrückte Parlamentswille sei unvereinbar mit dem EPLA.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)