Mobile Fusion

Die Anfang 2011 zu erwartenden Bobcat-Prozessoren sind nicht nur AMDs erste Fusion-Chips mit CPU und GPU auf demselben Die, sondern gleichzeitig auch die ersten mit speziell für günstige Mobilgeräte entwickelter Architektur. Wir haben erste Messungen an einem Prototypen-System durchgeführt.

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Von
  • Florian Müssig
Inhaltsverzeichnis

Der Prozessor- und Grafikchiphersteller AMD hat anlässlich einer Analysten-Veranstaltung Anfang November die finalen Spezifikationen seines kommenden Mobilprozessors mit Codenamen Bobcat veröffentlicht. Seit der Übernahme der Firma ATI anno 2006 plante AMD die Fusion von Prozessor- und Grafikchip-Funktionseinheiten auf einem Die, doch erst mit Bobcat wird sie Realität. AMD selbst nennt diese CPU-GPU-Kombination Accelerated Processing Unit (APU).

Der Grafikteil ähnelt mit 80 DirectX-11-fähigen Shadern den aktuellen Low-End-Grafikchips der Serie Mobility Radeon HD 5400. Als Videobeschleunigungseinheit ist allerdings die neuere UVD3 an Bord, die in den Desktop-Grafikkarten der Radeon-HD-6000-Serie debütierte. Je nach Grafiktakt heißt die integrierte GPU Radeon HD 6250 (280 MHz) oder Radeon HD 6310 (500 MHz); selbst die langsamere Variante sollte mehr 3D-Performance haben als die meisten bisherigen in Chipsätzen oder Prozessoren integrierten Grafikeinheiten.

Der Grafiktakt hängt strikt mit der maximalen Abwärme (TDP: Thermal Design Power) zusammen, die das jeweilige APU-Modell erzeugt: In den 9-Watt-Varianten der C-Serie (ehemals Codename Ontario) steckt die HD 6250, in den 18-Watt-Modellen der E-Serie (Zacate) die HD 6310. Die Namensgebung besteht ausschließlich aus den abstrakten Modellnummern; die vormals für energieeffiziente Mobilprozessoren verwendeten Familienbezeichnungen Athlon Neo und Turion Neo entfallen.

Die kleine Trägerplatine von Ontario/ Zacate misst gerade mal 19 auf 19 Millimeter.

Während die GPU immer die vollen 80 Shaderprozessoren hat, gibt es den CPU-Teil in Ein- und Zweikern-Varianten. Jeder der neuen, auf geringen Stromverbrauch hin entwickelten Bobcat-Kerne hat je 32 KByte L1-Cache für Daten und Befehle sowie einen 512 KByte großen L2-Cache. Der x64-Prozessor beherrscht SSE1/2/3- sowie SSSE3-Befehle, AMDs eigene Befehlssatzerweiterung 3Dnow! ist dagegen nicht mehr an Bord. CPU und GPU teilen sich einen einkanaligen Speicher-Controller, der bis zu zwei DIMM-Module mit DDR3-1066-Chips ansteuert. Zur Grafikausgabe stehen direkt am Prozessor (und nicht etwa wie bei Intel am Chipsatz) ein VGA-Port sowie zwei digitale Grafikausgänge zur Verfügung. Letztere lassen sich vom Notebook-Hersteller als DVI, HDMI, DisplayPort oder LVDS (für interne Panels) konfigurieren.

USB 2.0, (e)SATA & Co. werden über den auf Southbridge-Funktionsumfang geschrumpften Chipsatz – AMD nennt ihn Fusion Controller Hub (FCH) – mit Codenamen Hudson M1 angebunden. Er ist ein Derivat der bisherigen SB800 und hat den offiziellen Namen A50M. Die Kommunikation zwischen APU und FCH läuft über eine abgewandelte PCIe-1.1-x4-Verbindung namens Unified Media Interface (UMI); der bislang bei AMD-Prozessoren verwendete HyperTransport-Link entfällt. Die gesamte Plattform, also die Kombination aus Ontario/Zacate und Hudson M1, nennt AMD Brazos.

Sowohl APU als auch FCH stellen je vier PCIe-Lanes zur Verfügung, mit denen sich unter anderem ein zusätzlicher Grafikchip aus AMDs kommender Grafikchip-Serie Mobility Radeon HD 6000 (Codename Vancouver), Ethernet- und WLAN-Controller anbinden lassen. Alle acht Lanes beherrschen zwar PCIe 2.0 mit 5 GBit/s, doch aus Stromspargründen dürften etliche Notebook-Hersteller sie nur mit 2,5 GBit/s und damit PCIe-1.1-Geschwindigkeit laufen lassen.

Wir hatten die Gelegenheit, rund fünf Stunden lang Benchmarks und Leistungsmessungen an einer Brazos-Referenzplattform durchzuführen. Solche Prototypen-Systeme verwendet AMD üblicherweise für eigene Tests; außerdem stehen sie den Herstellern zur Verfügung, die darauf aufbauend ihre Notebooks entwickeln.

AMDs Fusion-Prozessoren Ontario und Zacate

Die Plattform war mit der schnellsten Zacate-Variante E-350 bestückt, der für das anvisierte Preissegment von Netbooks und Subnotebooks unter 500 Euro eine ordentliche Rechenleistung zeigte: Ein Bobcat-Kern mit 1,6 GHz liefert mehr Performance als der verbreitete Atom N450 (1,66 GHz) mit seinen beiden Hyper-Threading-Kernen; mit beiden Kernen ist der E-350 rund ein Drittel schneller als der echte Doppelkern-Atom N550 (mit vier Threads dank Hyper-Threading) [1]. Gegen Intels „große“ ULV-Prozessoren, sei es der ältere Pentium SU4100 mit Core-2-Innenleben oder der aktuelle Core i3-330UM, hat Zacate dagegen keine Chance – wobei fairerweise angemerkt werden muss, dass diese Prozessoren erst in teureren Notebooks zum Einsatz kommen.

Bei der Grafikleistung stellt die Radeon HD 6310 des E-350 sämtliche integrierten Grafikeinheiten von Intel in den Schatten, inklusive der Intel HD in den ausgewachsenen Core-i5-Doppelkernen. Für detailreiche 3D-Spiele ist sie dennoch zu langsam, nur für comichafte Darstellungen wie bei World Of Warcraft, Die Sims oder Spore reicht die Performance aus.

Die zum Testen verwendete Referenzplattform hatte noch kaum Gemeinsamkeiten mit einem finalen Notebook.

Wichtiger ist die leistungsfähige UVD3-Videoeinheit: Sie spielte im Test ein 720p-Video von YouTube ruckelfrei ab; die CPU war dabei nur zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet – auf einem Atom-Gerät unmöglich. Grundsätzlich ist auch die Wiedergabe von Blu-rays möglich, was aber weniger für Netbooks als vielmehr stromsparende Desktop-Boards im Mini-ITX-Format für HTPCs interessant ist: AMD plant den Vertrieb solcher fertig bestückter Platinen über dieselben Firmen, die bislang schon Radeon-Grafikkarten anbieten.

Ein Auslagern von speziellen Berechnungen wie Video-Transcodierung an die Grafikeinheit (Stichwort GPGPU) per OpenCL ist angedacht, war in den Treibern der Referenzplattform zum Testzeitpunkt aber noch nicht implementiert.

Auch das Energiemanagement war laut AMD noch nicht final. Im Idle-Betrieb zog die Testplattform inklusive eines 11,6-Zoll-Notebook-Panels rund 12,7 Watt aus der Steckdose; mit abgeschaltetem Display waren es immer noch 9 Watt – ein üblicher 48-Wh-Akku würde also nur vier bis fünf Stunden durchhalten. Für die Serienhardware in einem neueren Stepping mit optimiertem Akkubetrieb verspricht AMD um 7 Watt Idle-Leistungsaufnahme für die E-Modelle; die leistungsärmeren C-Modelle sollen sogar mit weniger als 5 Watt auskommen (jeweils inklusive Chipsatz und Display). So sollen zehn Stunden Laufzeit möglich sein.

Die C-Modelle dürften den Atom schlagen: Intels Stromsparer bietet weder einen vollwertigen HD-Videobeschleuniger noch digitale Monitor-Ausgänge, und seine Rechenleistung hat sich seit der Markteinführung vor rund zweieinhalb Jahren nur marginal verbessert. Dass sich das mit der nächsten Generation Oak Trail ändert, ist unwahrscheinlich: Bislang hat Intel den Atom mit jeder Generation auf einen noch energieeffizienteren Betrieb statt Performance getrimmt, um in den Smartphone- und Tablet-Markt vorzudringen – mit bis jetzt arg mäßigem Erfolg.

Blockdiagramm Brazos: Sowohl die APU als auch der FCH-Chipsatz stellen PCIe-Lanes zu Verfügung.

Somit besetzt AMD ab Januar, wenn die ersten mit Ontario oder Zacate bestückten Net- und Notebooks auf den Markt kommen sollen, einen praxistauglichen Sweet-Spot: den der Multimedia-Geräte für alle, denen ein Atom-Netbook zwar von der CPU-Performance her reichen würde, die aber wegen dessen unzeitgemäßer Videoleistung zu einem eigentlich überdimensionierten und teureren Modell greifen müssten. Gegenüber der ähnlich gearteten Kombination Intel Atom plus Nvidia Ion [2] punktet die Brazos-Plattform dadurch, dass bei AMD alles aus einer Hand kommt und sie zudem ein einfaches Platinenlayout für lediglich zwei Chips erlaubt – im Niedrigpreissegment ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Laut AMD werden auch Bobcat-Tablets erscheinen.

AMDs größtes Sorgenkind der Fusion-Welt dürfte derzeit die schwache Versorgung mit Anwendungen sein, die Teile der anstehenden Rechenaufgaben an Nicht-CPU-Funktionseinheiten auslagern können, denn nur so kann eine APU ihre volle Leistung entfalten. Die einzig nennenswerten Ausnahmen sind die kommenden Browser Chrome 7, Firefox 4 und Internet Explorer 9, die das Rendern der Webseiten per DirectX 9 oder Direct2D an den Grafikchip übergeben. AMD hat deshalb nicht nur ein Open-CL-Förderprogramm für Entwickler namens Fusion Fund gestartet, sondern wird auch eine Entwicklerkonferenz in Seattle veranstalten. Der Veranstaltungszeitpunkt im Juni 2011 dürfte nicht von ungefähr stammen, steht doch für die zweite Hälfte des kommenden Jahres Bobcats großer Bruder Llano an, der vier CPU-Kerne und eine Mittelklasse-GPU auf einem Die vereint.

Rechenleistung stromsparender Notebook-CPUs: CineBench R10 (32 Bit)

Bis dahin hat AMD im Segment der normalen Notebooks weiterhin nur die bekannten Zwei-, Drei- und Vierkern-Prozessoren der Phenom-II-Familie zu bieten [3], während Intel bereits Anfang 2011 mit der zweiten Core-i-Generation (Sandy Bridge) die Messlatte für reine CPU-Performance erneut höher legen wird. Die für Desktop-PCs anstehenden Bulldozer-Prozessoren, die Sandy Bridge dort Paroli bieten sollen, werden es frühestens 2012 in Notebooks schaffen.

[1] Jörg Wirtgen, Netbook mit zwei Herzen, Asus Eee PC 1015PEM mit der Zweikern-Version des Intel Atom, c’t 22/10, S. 76

[2] Florian Müssig, Doppelkern-Netbook, Asus Eee PC 1201N mit Atom 330 und Ion-Chipsatz, c’t 5/10, S. 68

[3] Florian Müssig, Befreiungsschlag, AMDs Notebook-Plattformen Danube und Nile, c’t 12/10, S. 68 (mue)