Museum zeigt Computergeschichte als Frauengeschichte

"Am Anfang war Ada" – und dann war 170 Jahre nichts: Mit einer anspruchsvollen Ausstellung rekonstruiert das Heinz Nixdorf Museumsforum die Rolle der Frauen in der Computergeschichte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 45 Kommentare lesen
Johanna Wanka, Am Anfang war ADA

Ministerin Johanna Wanka in Paderborn

(Bild: heise online, Detlef Borchers)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hat am Dienstagabend in Paderborn die Ausstellung Am Anfang war Ada eröffnet. Sie beschäftigte sich dabei nicht damit, wie Frauen ausgegrenzt wurden, sonderen betonte viel mehr die Rolle von IT und Naturwissenschaften in Deutschland. "Wenn wir das Niveau halten wollen, brauchen wir kluge Männer und Frauen." Vor der Ausstellung besuchte Wanka den Spitzencluster It's OWL, der sich als reiner Männerbund präsentierte.

Der bevorstehende 200. Geburtstag von Ada Lovelace im Dezember spornt nicht nur Lego an. Er motivierte die Kuratorinnen des Heinz Nixdorf Museumsforums (HNF) zu einer Ausstellung über die Rolle der Frauen in der Computergeschichte, gekoppelt mit "Zeittunneln", die die Rolle der Frau in der Gesellschaft veranschaulichen.

Den Anfang macht das sittenstrenge viktorianische England, in dem Augusta Ada Byron Opfer des Exorzismus ihrer Mutter wurde, die dem Mädchen jedwede Erinnerung an den Vater, den Romantiker Lord Byron mit Mathematik- und Astronomieunterricht auszutreiben versuchte. Die Beschäftigung mit Poesie und Philosophie war ihr verboten, gemalt werden durfte nur in Geometrie mit Zirkel, Winkeldreieck und Lineal.

Am Anfang war Ada. Frauen in der Computergeschichte (7 Bilder)

Ada Lovelace
(Bild: Science Museum/Science & Society Picture Library)

Ada entwickelte sich unter dem Einfluss der schottischen Laplace-Expertin Mary Sommerville zu einer Mathematikerin, die knifflige Theoreme besonders gut veranschaulichen konnte. Dieses Talent kam 1843 zum Ausdruck, als Ada die französische Schrift des Italienischen Ingenieurs Luigi Federico Menerbra, "Notions sur la machine de M. Charles Babbage" übersetzte und mit eigenen Anmerkungen versah.

Ada verkehrte zu diesem Zeitpunkt bereits seit vier Jahren im Salon des Tüftlers und war besser als Babbage in der Lage, die Besonderheiten der nie realisierten "Analytical Engine" zu beschreiben. Ihre Anmerkung G (ursprünglich Anmerkung H) zur maschinellen Berechnung von Bernoulli-Zahlen gilt heute trotz Tippfehler als "erstes echtes Computerprogramm", ihre Analogie zu einem von der Maschine komponierbaren Musikstück "von beliebiger Komplexität und Länge" als Meilenstein der universellen Programmierbarkeit.

Ada Lady Lovelace signierte den für sie sehr wichtigen Text mit A.L.L., woraus der Setzer A.A.L. machte. Die Bedeutung ihrer "Übersetzung" wurde erst 1953 erkannt, als Wissenschaftler sich in Folge der Anmerkungen von Alan Turing über Charles Babbage eingehender mit Babbage befassten.

Die Entwicklung des Computerns war voll im Gange und Frauen waren dabei, wie die Ausstellung zeigt. Die Codeknackerinnen von Bletchley Park, die Peenemünder Rechnerinnen, die Alwin Walther an die V2-Front schickte, sind in der Ausstellung ebenso zu finden wie der ENIAC, der von Jean Jennings und Frances Bilas programmiert wurde.

Mit Grace Hopper zeigt die Paderborner Ausstellung gleich in doppelter Weise, wie es um die Frauen bestellt war. Ihre Arbeiten zum Compilerbau werden im Geiste von Ada Lovelace mit einem kleinen Notensetzprogramm visualisiert, das die Melodie erst abspielt, wenn die Noten passend zum Takt gesetzt sind. Gleichzeitig fehlt nicht der Hinweis, dass Hopper in der Firma von Eckert und Mauchly und den Nachfolgefirmen niemals den Rang eines leitenden Managers bekleiden durfte: Frauen hatten das Wahlrecht, waren aber nicht gleichberechtigt.

Auch beim Sprung in die 60er Jahre, hin zu den Software-Arbeiten von Christiane Floyd und Adele Goldberg wird dieses Ungleichgewicht deutlich. Floyd war die erste Informatik-Professorin Deutschlands, doch ihre in Paderborn ausgestellte Ernennungs-Urkunde spricht von Professor Floyd. Ob es nach den Erfolgen der Frauenbewegung heute besser um die Gleichberechtigung in der Computertechnik bestellt ist, ist eine offene Frage. Immerhin deutet die Ausstellung mit den Arbeiten von Limor Fried aka "ladyada" an, dass es besonders in der Hacker- und Makerszene Bemühungen gibt, Geschlechts- und Genderfragen anzugehen, auch wenn neuere Veröffentlichungen wie Lean Out einen großen Verbesserungsbedarf sehen.

Die Paderborner Ausstellung endet mit einer Installation der Roboterin Nadine von der Genfer Informatikerin Nadia Magnenat-Thalmann, die als Bürgerbegleiterin älterer Menschen in der häuslichen Pflege zum Einsatz kommen soll. Magnenat-Thalman war ebenso wie Christiane Floyd bei der Eröffnung dabei. Besonders beindruckte die Präsenz der 78-jährigen Mary Allen Wilkes, die mit ihrer Familie angreist war und den LINC-Computer erklärte. Sie hatte in ihrer Jugend Deutsch gelernt, doch nicht gesprochen und verblüffte die Anwesenden mit ihrer fast fehlerfreien Sprache. Dass alle Pionierinnen zur Eröffnung zwar in der ersten Reihe saßen, aber nicht auf die Bühne gebeten wurden, ist eine andere Seite der Frauen-Computergeschichte.

Die Sonderausstellung im HNF ist vom heutigen 2. September 2015 bis zum 10.Juli 2016 geöffnet. Der Eintritt kostet 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Empfehlenswert ist der Besuch des gesamten Museums mit einer Kombikarte (8,50 Euro, ermäßigt 5 Euro). Begleitend zur Ausstellung gibt es eine interessante Vortragsreihe, auf der sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Leben und Werk von Ada Lovelace beschäftigen. Zudem gibt es Steampunk-Bastel-Workshops von Ada-Flugmodellen und Rechnereinsätzen auf Arduino-Basis. Am 10. Dezember, dem 200. Geburtstag von Ada Lovelace, gibt es für Schulklassen eine Geburtstagsparty. (anw)