Musikindustrie will Kampf gegen nicht-lizenzierte Downloads deutlich verschärfen

Das Internet ist für die deutschen Phonoverbände der große Hoffnungsträger, hieß es bei der Vorlage der Umsatzzahlen aus 2006. Daher soll die Hatz auf Rechtsverletzer im Netz noch einmal um ein Vielfaches verstärkt werden.

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Die deutsche Musikindustrie musste 2006 einen weiteren Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr erleiden, obwohl erstmals auch der Verkauf von Songs im Mobilfunkbereich in die Verkaufszahlen einberechnet wurde. Das vergangene Jahr "schließt sich an Jahre an mit erheblichen Umsatzeinbußen", konstatierte Peter Zombik, Geschäftsführer der deutschen Phonoverbände bei deren Jahrespressekonferenz am heutigen Donnerstag in Berlin. Es sehe aber zumindest nach einer Konsolidierung aus. So betrugen die Einbußen zuletzt "nur" noch 42 Millionen Euro beziehungsweise 2,4 Prozent, während der Gesamtmarkt zwischen 1998 und 2006 um fast genau eine Milliarde von rund 2,7 auf 1,7 Milliarden Euro schrumpfte.

Die CD blieb 2006 mit einem Umsatz von knapp 1,4 Milliarden Euro und einem Anteil von 85 Prozent weiter klar das wichtigste Verkaufsmedium für die Musikindustrie. Immer wichtiger wird gleichzeitig der Downloadmarkt, wo die Umsätze um 40 Prozent auf etwa 42 Millionen Euro stiegen. Mit einem Umsatzanteil von 17,9 Prozent hat sich das Internet so zum zweitwichtigsten Vertriebskanal hinter den Elektronikfachmärkten entwickelt. Der Download von Einzeltiteln stieg um 28 Prozent auf 25,2 Millionen Titel, der Online-Verkauf von Alben um 36 Prozent auf 1,9 Millionen. Übers Handy konnten die Labels 41 Millionen Euro mit 17,2 Millionen Song-Downloads erwirtschaften.

Das Internet dient so als großer Hoffnungsträger der Branche. Es sei "die zentrale Größe für die kommenden Jahre", betonte Zombik. Das Verkaufspotenzial des Online-Mediums sieht er aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft, da man immer noch mit illegalen kostenlosen Angeboten in großem Umfang zu kämpfen habe. Im vergangenen Jahr seien 484 Millionen Tracks über Tauschbörsen illegal kopiert worden, rechnete Zombik anhand der Zahlen der jüngst veröffentlichen Brennerstudie vor. Auf einen legalen Download kämen damit 14 illegale.

Als weiteres "zentrales Problem" neben der "Piraterie" bezeichnete Zombik momentan noch legale private Vervielfältigungen – die auch nach der Novellierung des Urheberrechts erlaubte Privatkopie ist der Musikindustrie seit langem ein Dorn im Auge. Bei gebrannten CD-Rohlingen sei Musik mit 46 Prozent der mit Abstand am wichtigste Inhalt, auch auf der DVD sei man "mit zehn Prozent dabei". Dort machten nutzergenerierte Fotos und Videos aber mit 43 Prozent den Löwenanteil der gebrannten Inhalte aus. Insgesamt sind laut Zombik im vergangenen Jahr "486 Millionen CD-Äquivalente" kopiert worden, wobei die Inhalte auf Sticks und anderen Speicherkarten noch gar nicht mitgezählt seien. Auf eine gekaufte CD kämen rund drei privat vervielfältigte. Musik sei so nach wie vor ein "attraktives Produkt". Zum Leidwesen der Industrie würden Verbraucher aber fast ausschließlich auf frei kopierte Ware zurückgreifen. Den Wert von Online-Piraterie und Musikkopien im Jahr 2006 schätzen die Phonoverbände auf 6,8 Milliarden Euro. Dies sei eine "fiktive Hochrechnung", räumte Zombik ein. Die Musikindustrie hätte aber "das beste Jahr ihrer Geschichte gehabt", wenn nur zehn Prozent der kopierten Titel verkauft worden wären.

Für die Phonoverbände geht es daher nun darum, den Bereich der illegalen Downloads und Privatkopien "besser in den Griff zu bekommen", wie ihr Vorstandsvorsitzender Michael Haentjes erklärte. "Wir werden unsere Strategie, die Urheberrechtsverletzer im Internet zu finden und abzumahnen deutlich erweitern", kündigte er an. Möglichst sollte jeder, der im Internet illegal Musik hochlade, erwischt und bestraft werden. Die Rate der Abmahnungen und Klagen will die Musikindustrie dabei deutlich über die zu Jahresbeginn angekündigten Zahlen erhöhen. "Wir werden viel mehr als 1000 illegale Downloader im Monat verklagen", kündigte Haentjes an. Man erhoffe sich davon eine "deutliche Besserung des Absatzes im legalen Markt". Schon zwischen 2003 und 2006 sei die Zahl der illegalen Songbeschaffungsmaßnahmen mit dem Greifen der konsequenten Verfolgungsstrategie von rund 600 auf 374 Millionen gesunken.

Die voraussichtlich im siebenstelligen Bereich liegenden Einnahmen über Abmahnungen und Schadensersatzforderungen, mit der die Musikindustrie hauptsächlich die Hamburger Firma Promedia beauftragt hat, sollen in soziale Projekte beziehungsweise den Musikunterricht fließen. Im Rahmen der "SchoolTour" wollen die Phonoverbände in diesem Jahr zwischen 20 bis 25 Projektwochen an interessierten Schulen durchführen, viermal mehr als 2006. "Dazu werden wir 100.000 Musikstunden an 2500 Schulen finanzieren" in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Musikrat und anderen Institutionen durchführen, kündigte Haentjes an. Zum Dritten werde man Schülern mit zusätzlichen Lehrmitteln eine Möglichkeit geben, sich mit der Thematik besser zu befassen. Dabei solle auch Wert darauf gelegt werden, das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Bedeutung geistigen Eigentums zu fördern.

Darüber hinaus pochen die Phonoverbände weiter auf Veränderungen des Rechtsrahmens. Im so genannten 2. Korb der Urheberrechtsnovelle wollen sie eine Einschränkung der Privatkopie und eine Erhöhung der Vergütung erreichen. Hier forderte Haentjes insbesondere ein Verbot intelligenter Aufnahmesoftware, damit "unser Produkt nicht kostenlos in die Hände der Verbraucher" geliefert werde. Bei der umstrittenen Umsetzung der EU-Durchsetzungsrichtlinie hofft die Branche ebenfalls auf Verschärfungen. Laut Haentjes sollen die Labels nicht mehr länger über die Strafverfolgung ihre "Kunden kriminalisieren müssen". Besser sei es, zivilrechtlich direkt die Ansprüche zu regeln. Die vom Bundesjustizministerium geplante Deckelung der Anwaltskosten dürfe es dabei aber nicht geben. "Es handelt sich um Diebstahl", wetterte Haentjes. Dafür sollten nicht die Bestohlenen bei der Verfolgung bezahlen müssen.

Die Österreicher würden den Deutschen zudem vormachen, wie die Abfrage von persönlichen Informationen hinter ermittelten IP-Adressen im Rahmen der geplanten neuen Auskunftsansprüche gegen Provider auch ohne Richtervorbehalt geht, ergänzte Zombik. Hierzulande habe man den Kompromissvorschlag gemacht, dass die ertappten Nutzer selbst entscheiden sollten, "ob ihre persönlichen Daten herausgegeben werden". Sollte jemand Nein sagen, dürfte er aber beim Nachweis der Rechtsverletzung mit erheblichen Zusatzkosten zu rechnen haben. Vorbild einer solchen Regelung sei ein ähnliches Verfahren bei der Grenzbeschlagnahme.

Sorge machen sich die Phonoverbände laut Zombik zudem um die mangelnde Interoperabilität von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM). Er bezeichnete es als "höchst unglücklich, dass ihr Einsatz nicht mit allen Abspielkonfigurationen kompatibel ist". Er hoffe, dass hier Bewegung in den Markt komme. Haentjes machte zugleich die Tendenz aus, "dass in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen für einzelne Künstler" auf DRM verzichtet werde. Das Recht zum Einsatz der technischen Kopierblockaden wolle man sich aber erhalten. Seiner Ansicht nach dürfte es eine "Marketing-Maßnahme" bleiben, dass gewisse Tracks ohne DRM in den Markt gegeben werden.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in c't – Hintergrund (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)