Muss die Telekom vorerst auf IPTV verzichten? [2. Update]

Die Deutsche Telekom wird nach Angaben der ArtVoice-Gruppe vorerst kein IPTV anbieten, da sie andernfalls angeblich ein Patent des Grünwalder Unternehmens verletzen würde.

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Von
  • Nico Jurran

Die Deutsche Telekom wird nach Angaben der ArtVoice-Gruppe vorerst kein IPTV anbieten, da sie andernfalls angeblich ein Patent des Grünwalder Unternehmens verletzen würde. Ein auf dem IP-Weg via DSL verbreitetes laufendes Fernsehprogramm war als Teil eines kommenden Triple-Play-Angebots der Telekom geplant und lief Ende vergangenen Jahres bereits in einer Testphase. Das Patent zur Abwicklung laufender Programme über IP-basierte Medien ist jedoch nach Angaben der ArtVoice-Gruppe in deren Besitz.

Laut ArtVoice habe die Telekom nun gegenüber dem Grünwalder Unternehmen bestätigt, dass sie das Patent nicht brechen werde. Die ArtVoice-Gruppe selbst betreibt nach eigenen Angaben bereits mehr als 200 eigene und Kundensender -- darunter Germany-TV.com, Anästhesie-TV und BMW-TV (eine komplette Übersicht gibt es auf der Website "Television-Domains). Der Dienst läuft nicht über das Netz eines bestimmten Betreibers, sondern praktisch als Internet-Fernsehen.

Sollten sich die Angaben der ArtVoice-Gruppe als korrekt erweisen, dürfte dies weitreichende Folgen haben. Die Telekom hatte als Zugpferd für ihr IPTV-Angebot bereits die IP-Rechte an der Live-Übertragung der Bundesliga-Spiele der nächsten drei Saisons erworben – zu einem Preis von 40 Millionen Euro pro Jahr. Ebenfalls gesichert hatte sich der magentafarbene Riese zudem die IPTV-Rechte an den Programmen der ProSiebenSat.1 Media AG.

Vor allem aber ist IPTV Teil des Triple-Play-Konzepts, mit dem das 3 Milliarden Euro teure VDSL-Netz auf Glasfaserbasis vermarktet werden soll. Telekom-Chef Ricke hatte bei der Vorstellung der Pläne die Forderung nach "klaren, eindeutigen gesetzlichen Festlegungen" bekräftigt, die das Unternehmen vor Regulierungseingriffen bewahren. Er will mit dem neuen Netz unbeschadet von Öffnungsklauseln für Konkurrenten und Preisauflagen an den Markt gehen können. Laut Bundesnetzagentur soll für die Freistellung nicht die graduelle Weiterentwicklung der Übertragungstechnik von ADSL zu VDSL maßgeblich sein, sondern ob "mit VDSL höherwertige und im Markt noch nicht vorhandene innovative Produkte geschaffen werden, die eine höhere Bandbreite erfordern". Eines dieser innovativen Produkte sollte IPTV als Fernsehen über VDSL darstellen.

Laut ArtVoice untersagt ihr Verfahrenspatent Wettbewerbern die Erstellung und Bereitstellung von laufenden Programmen, die einer Zeitablaufsteuerung unterliegen und aus Datenbanken heraus über den IP-Weg verteilt werden. Laut Ingo Wolf, dem Inhaber der ArtVoice-Gruppe, ist die Zahl der Patentverletzer im Augenblick noch klein. "Es macht auch für die potenziellen Patentbrecher wenig Sinn, gegen das Patent zu arbeiten, da wir im Zweifelsfall den Dienst des jeweiligen Anbieters untersagen", erklärte Wolf in einer Mitteilung. Dagegen habe das Unternehmen die Absicht, auf diesem Markt gemeinsam mit interessierten Partnern viele neue Sender aufzubauen. Wolf ist auch Ehrenpräsident der "Ethikkommission des deutschen Mediendienstfernsehens", die im selben Gebäude wie die ArtVoice-Gruppe ihren Sitz hat. Die Kommission besitzt nach eigenen Angaben das Recht zur "Vergabe einer Sendelizenz zum Betrieb eines Senders des deutschen ip-Fernsehens".

Update:
Mittlerweile liegt der Redaktion die betreffende Patentschrift "über Verfahren und Vorrichtung zum Erzeugen und Senden eines Fernsehprogrammes über IP-basierte Medien, im speziellen das Internet" vor. Das Patent wurde am 4.11.2004 unter den Nummer DE10320889B3 beim Deutschen Patent- und Markenamt veröffentlicht. Aus dem Text geht hervor, dass sich die Patentansprüche auf ein "Verfahren zum Senden von Sendebeiträgen nach einem festen Programm, in einer vorbestimmten Reihenfolge und zu einer speziellen Uhrzeit über das Internet und/oder ip-basierte Medien zur Ansicht durch Benutzer" bezieht, was generell durchaus IPTV beschreibt.

Allerdings sei dieses Angebot laut Patentschrift weiterhin "dadurch gekennzeichnet", dass "der Sendebeitrag erst gestartet und an den richtigen Programmpunkt gesetzt wird, wenn der erste Benutzer auf den Sendebeitrag zugrieft, wobei die Sendebeiträge des festen Programmes in einer Datenbank abgelegt ist". An dieser Stelle kann man Zweifel haben, dass dies das von der Telekom geplante IPTV im Sinne eines Fernsehens über DSL umfasst. Schließlich geht es bei IPTV eben nicht um einen Mediendienst, bei dem der Zuschauer in den Ablauf in irgendeiner Weise eingreift. Solche Dienst kennt man beispielsweise von Narrowstep, den Betreibern von Sail.tv. Die Deutsche Telekom will indes das Programm der Fernsehsender nur durchleiten, sodass man hier wohl von einem Rundfunkdienst ausgehen kann.

Ein Sprecher von T-Online teilte heise online auf Nachfrage mit, dass ihm eine irgendwie geartete Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen nicht bekannt sei. Man werde die Behauptung von ArtVoice und das Patent jedoch prüfen.

2. Update
Mittlerweise hat sich auch die Deutsche Telekom zu den Behauptungen von ArtVoice geäußert. Nach Angaben ihres Sprechers Frank Domagala gegenüber heise online handele es sich hierbei schlicht um eine Werbeaktion eines ansonsten unbekannten Unternehmens. Die Telekom sieht ihre Pläne in keinster Weise gefährdet und werde an ihrem Zeitplan uneingeschränkt festhalten. Dromagala teilte weiterhin mit, dass ArtVoice in der Vergangenheit versucht habe, der Telekom Produkte zu verkaufen, was aber abgelehnt worden sei. Nach diesem "Auftritt" sei man nun bestätigt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Auch für die Zukunft bestünde keinerlei Interesse an einer Zusammenarbeit, so der Sprecher. (nij)