Myanmar: Militärs fordern Lösegeld wegen VPN-App

Die Militärdiktatur Myanmars versucht, Zensur und Geldeinnahme zu kombinieren. Der VPN-Gebrauch ist illegal. Nun werden Handys durchsucht.​

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Flagge Myanmars an der Schulter einer Uniform in Tarnfarben.

(Bild: Bumble Dee/Shutterstock.com)

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Wer in Myanmar mit VPN-Software erwischt wird, muss damit rechnen, von der Militärdiktatur festgehalten zu werden, bis die Angehörigen hohe Lösegelder zahlen. Über entsprechende Vorfälle berichten burmesische Exilmedien. VPN (Virtuelle Private Netze) dienen unter anderem dazu, Zensur im Internet zu umgehen. In Myanmar sind die Beispielsweise zum Aufruf Facebooks oder von Nachrichtenwebseiten unumgänglich.

Soldaten durchsuchen laut einem Bericht der Zeitung Irrawaddy wahllos die Mobiltelefone von Bürgern auf der Straße, oder führen Razzien in Restaurants oder Fabriken durch. Wird auf Geräten VPN-Software gefunden, werden deren Inhaber eingesperrt, bis ein Vielfaches eines Jahresgehalts gezahlt ist. Ob dieses Geld in die offiziellen Militärkassen fließt, oder sich die Soldaten auf diese Weise ihren Sold direkt aufbessern, ist unklar.

Anfang 2021 hat sich Myanmars Militär an die Macht geputscht. Das hat einen Bürgerkrieg ausgelöst, der für die Militärdiktatur ungünstig verläuft. Sie hält weniger als 40 Prozent des Territoriums. Die dort Lebenden sollen möglichst nicht mitbekommen, wie der Krieg verläuft und welche Kriegsverbrechen und andere Gräuel die Militärdiktatur verübt. Also läuft parallel ein Informationskrieg, der nicht nur Journalisten trifft, sondern alle Menschen. Für kritische Postings werden auch Todesstrafen verhängt und exekutiert, andere Kritiker und mehrere Journalisten sind auch ohne Schauprozess ermordet worden.

Laufend schaltet die Regierung Internet und Telefon komplett ab; laut den jüngsten verfügbaren Zahlen ist mehr als ein Viertel aller Kommunen offline. Im Rest des Landes wird das Internet harsch zensiert. Wer Nachrichten lesen oder einfach bei Facebook vorbeischauen möchte, muss dafür ein VPN verwenden, was verboten ist. Das Militär hat alle Netzbetreiber seiner Kontrolle unterstellt. Ohne VPN sind nur ausgewählte Online-Inhalte erreichbar. Diese Whitelist der Militärdiktatur umfasst laut einem Bericht der amerikanischen Nichtregierungsorganisation Freedom House nur etwa 1.500 Webseiten. Sie untersucht jährlich die Lage des Internets in 70 Staaten; ihr jüngster Bericht stellt fest, dass Myanmar fast schon die Volksrepublik China von Platz 1 der Feinde eines freien Internets verdrängt hat. Auf Platz 2 abgelöst hat Myanmar den Iran. Nordkorea ist nicht Teil der Untersuchung, in dem Land gibt es keinen allgemein verfügbaren Internetzugang.

Zu den Maßnahmen gehört laut Freedom House auch, dass die Militärdiktatur ihren Soldaten befohlen hat, Desinformation im Netz weiterzuverbreiten und Online-Kritiker zu belästigen und zu bedrängen. Der Bericht ist unter anderem mithilfe der Organisation Free Expression Myanmar entstanden. Die britische Menschenrechtsorganisation Article 19 hat darauf aufmerksam gemacht, dass ein Erlass der Diktatur vorsieht, dass kritischen Bürgern ohne weiteres Verfahren die Telefonanschlüsse gekappt und ihre Bankkonten eingefroren werden. Das soll offensichtlich das Leben im Untergrund oder außerhalb der von der Militärdiktatur kontrollierten Gebiete erschweren.

Die Rache des Militärs am eigenen Volk nimmt auch absurd anmutende Züge an. Das Militär in Myanmar ist nicht bloß eine bewaffnete Organisation, es kontrolliert auch weite Teile der Wirtschaft. Entsprechend boykottieren viele Bürger Produkte, von denen sie wissen, dass sie von Unternehmen des Militärs kommen, insbesondere Alkohol und Zigaretten. Werden solche Produkte nicht mehr nachgefragt, verschwinden sie natürlich aus den Sortimenten von Geschäften und Restaurants. Laut Berichten hat das Militär im Herbst Bewaffnete ausgeschickt, um Unternehmer dazu zu zwingen, beispielsweise Myanmar Bier wieder vom Militär zu kaufen und prominent im Laden oder Restaurant zu platzieren.

(ds)