Myonen: Fermilab präzisiert Messwert, neue Theorien könnten Diskrepanz auflösen

Nach der präzisierten Vermessung der Myonen spricht man am Fermilab vom "Showdown zwischen Theorie und Experiment". Der könnte aber trotzdem ausfallen.

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Der kreisförmige Teilchenbeschleuniger

(Bild: Reidar Hahn/Muon g-2 Experiment)

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Zwei Jahre nachdem am Teilchenforschungszentrum Fermilab in den USA bei der Vermessung sogenannter Myonen Hinweise auf eine Abweichung vom Standardmodell der Teilchenphysik gefunden wurden, wurde die Messung nun noch einmal deutlich präzisiert. Dabei wurde der ermittelte Wert zwar bestätigt, aber in der Zwischenzeit wurden neue Theorien erarbeitet, die den Widerspruch auflösen könnten. Noch ist aber unklar, ob das gelingen kann und am Fermilab spricht man erst einmal von einem "Showdown zwischen Theorie und Experiment, der 20 Jahre lang vorbereitet wurde".

Die verschiedenen Messwerte mit den Ungenauigkeiten

(Bild: Muon g-2 collaboration)

Myonen sind Elementarteilchen, die den Elektronen ähneln. Sie sind aber etwa 200 Mal so massereich. Normalerweise werden sie unter anderem erzeugt, wenn kosmische Strahlung auf die Erdatmosphäre trifft, aber Teilchenbeschleuniger wie am Fermilab können sie in großen Mengen produzieren. Außerdem reagieren sie auf starke Magnetfelder, in einer Weise, die von dem sogenannten g-Faktor vorgegeben wird. Der kann nicht nur äußerst präzise gemessen, sondern eigentlich auch vorhergesagt werden. Trotzdem weichen die auf beiden Wegen ermittelten Werte seit Jahren stark voneinander ab. Am Fermilab wurde nun der Messwert mit großer Präzision bestätigt.

Der Widerspruch zwischen Theorie und Experiment war 2001 bei Messungen am Brookhaven National Laboratory erstmals aufgetreten, das Fermilab machte sich Jahre später an die Überprüfung. Wegen der Abweichung haben sich 2017 aber auch mehr als 130 Physikerinnen und Physiker aus aller Welt zusammengetan, um die Theorie zu verfeinern, erklärt die Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Deren Konsenspapier wurde 2020 veröffentlicht und enthielt die bis dahin genaueste Vorhersage für das magnetische Moment des Myons. Wenig später wurde der am Fermilab gemessene Wert bekannt gegeben und der Widerspruch verstärkte sich.

Noch im selben Jahr haben aber Forschungsteams in aller Welt damit begonnen, den sogenannten g-Faktor auf anderen Wegen zu berechnen, erläutert das Wissenschaftsmagazin Nature. Die beruhen demnach nicht auf Computersimulationen und nicht auf Daten aus Teilchenbeschleunigern. Beim Vergleich der so ermittelten Werte mit den experimentellen Messungen, verschwinde der Widerspruch weitestgehend. Schon in bis zwei Jahren könnte er komplett ausgeräumt sein, meint demnach Ruth Van De Water vom Fermilab. Damit wäre keine neue Physik nötig, es bliebe aber die Frage, warum das Konsenspapier offenbar so falsch gelegen hat.

Ein unabhängiges Experiment im russischen Nowosibirsk könnte aber noch eine neue Wendung in die Angelegenheit bringen und zeige, dass das letzte Wort womöglich noch nicht gesprochen wurde, schreibt Nature. Dort gesammelte Daten aus Kollisionen von Elektronen und Positronen scheinen demnach denen aus anderen Teilchenbeschleunigern zu widersprechen. Würden die in die etablierten Theorien eingefügt, verschwinde die Diskrepanz ebenfalls. Vorstellbar sei, dass bei früheren Experimenten die Besonderheiten der Instrumente nicht komplett einbezogen wurde.

(mho)