NASA hält nach Historikerbericht an Namen des Weltraumteleskops James Webb fest

In rund 50.000 Aktenseiten hat der NASA-Chefhistoriker keinen Beleg dafür gefunden, dass James Webb an der Entlassung Homosexueller beteiligt war.

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Künstlerische Darstellung des Weltraumteleskops James Webb

(Bild: NASA, ESA, Northrop Grumman)

Lesezeit: 3 Min.

Die NASA hat den Abschlussbericht einer ausführlichen Untersuchung zur Rolle des Namensgebers des Weltraumteleskops James Webb (JWST) während einer regelrechten Hysterie gegen Homosexuelle in den Vereinigten Staaten vorgelegt. Es gebe keinen Beleg dafür, dass der zweite Chef der US-Weltraumagentur direkt an Entlassungen von Individuen wegen deren sexueller Orientierung beteiligt war, bilanziert Brian Odom. Die NASA will deswegen an dem umstrittenen Namen für das beeindruckende Instrument festhalten. Die Untersuchung war 2021 eingeleitet worden, nachdem die Kritik an dem Namen immer lauter geworden war. Ob die Angelegenheit mit der Vorlage des Berichts jetzt tatsächlich beigelegt ist, muss sich aber noch zeigen.

James Webb hat die NASA von 1961 bis 1968 geleitet. Damals herrschte in der US-amerikanischen Öffentlichkeit eine regelrechte Hysterie gegenüber Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten. Analog zur "Roten Angst" vor angeblichen Kommunisten ist die Epoche unter dem Begriff "Lavendel-Angst" ("Lavender scare") bekannt. Die Diskriminierung von LGBTQI+-Menschen in Staatsdiensten sei jahrzehntelang nicht nur toleriert worden, sondern in beschämender Weise bundesstaatlich vorgegeben worden sei, sagt NASA-Chef Bill Nelson jetzt. Es handle sich um einen schmerzhaften Teil der US-Geschichte. Mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts wolle die US-Weltraumagentur jetzt auch zur Aufarbeitung beitragen.

Odom hat demnach rund 50.000 Aktenseiten aus verschiedenen NASA- und US-Archiven sowie jede Menge Sekundärliteratur durchsucht. Die wichtigsten Dokumente sind im Abschlussbericht aufgeführt. Besonderes Augenmerk lag demnach auf zwei Begebenheiten, darunter die Entlassung eines NASA-Analysten, der wegen "homosexueller Annäherung" festgenommen worden war. Der Betroffene hatte die US-Regierung dafür erfolgreich verklagt und damit einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum Ende der Diskriminierung erreicht. Es gebe keinen Beweis dafür, dass Webb von der Entlassung gewusst habe, schreibt der Historiker jetzt. Basierend auf den vorliegenden Beweisen, "plant die Weltraumagentur keine Änderung des Namens des Weltraumteleskops James Webb", heißt es noch.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist ein Projekt der NASA mit der europäischen Weltraumagentur ESA und der kanadischen CSA, die Kosten in Höhe von fast 10 Milliarden US-Dollar bezahlten die USA aber fast komplett selbst. Bis 2002 firmierte es unter dem Namen "Next Generation Space Telescope" ("Weltraumteleskop der nächsten Generation"), dann erhielt seinen jetzigen Namen. Zuerst war nicht viel über die Rolle James Webbs in der "Lavendel-Angst" bekannt, ab Anfang 2021 hat es aber immer mehr Recherchen gegeben. Die hatte ungefähr 1950 im US-Außenministerium begonnen, wo Webb damals an zweiter Stelle stand. Viele hatten deshalb die Umbenennung gefordert. Erst vor wenigen Tagen hat die Amerikanische Astronomiegesellschaft (AAS) daran erinnert, dass die Abkürzung JWST in den eigenen Fachmagazinen auch bei der ersten Erwähnung nicht ausgeschrieben werden muss.

(mho)