NSA-Ausschuss: Kanzleramtsmitarbeiter verteidigt BND-Aufsicht als "effektiv"

Der BND werde "teilweise sehr hart kontrolliert", meinte Albert Karl, Referatsleiter im Bundeskanzleramt, im Parlament. An Beispielen wie der Flüchtlingsbefragung oder der Selektorenprüfung konnte er dies aber nicht erhärten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 33 Kommentare lesen
BND

(Bild: dpa, Soeren Stache)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Albert Karl, der seit August 2013 das einschlägige Referat 603 im Bundeskanzleramt leitet, hat die Sach- und Dienstaufsicht der Regierungszentrale über den Bundesnachrichtendienst (BND) als angemessen bezeichnet. "Ich denke, dass die Kontrolle letztlich effektiv ist", erklärte er am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Teilweise werde der Auslandsgeheimdienst sogar sehr hart kontrolliert.

Dem Zeugen fiel es aber schwer, diese Behauptung zu untermauern. Mit der Rechtsgrundlage für die umstrittene Befragung von Flüchtlingen durch eine BND-Stelle mithilfe auch von Personal des militärischen US-Geheimdiensts DIA (Defense Intelligence Agency) etwa habe er sich "nicht gesondert befasst", räumte der Politologe ein. Ob es rechtswidrig gewesen sei, dass DIA-Mitarbeiter die Flüchtlingsgespräche teils selbst übernommen hätten, könne er nicht sagen. Er habe davon ausgehen müssen, dass diese Konstruktion rechtmäßig war.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Am 25. November 2013 erteilte Karl der BND-Leitung trotzdem per E-Mail die Weisung, dass der DIA Asylbewerber nur noch "im Beisein" von Mitarbeitern deutscher Kollegen erfolgen dürfe. Dazu habe er sich aufgrund der Rahmenbedingungen entschlossen. Ob der konkrete Auslöser ein kritischer Zeitungsartikel über die Praktiken der Flüchtlingsbefragung gewesen sein könnte, vermochte der 52-Jährige nicht zu sagen. Er habe auch nicht nachgefasst, wie oft die US-Agenten derart tätig geworden seien.

Er hätte auch beim BND noch konkret nachfragen können, wieso die bei den Asylbewerbern als "Hauptstelle für das Befragungswesen" (HBW) auftretenden Geheimdienstgesandten überhaupt DIA-Agenten allein agieren ließ, konstatierte der Beamte. Oft komme man aber zu der Einschätzung im Kanzleramt, dass die zur Verfügung gestellten Informationen ausreichten und der BND auch Eigenverantwortlichkeiten habe. Im HBW-Fall sei es wohl um Personalmangel gegangen. 2014 löste der BND die HBW unter Protesten ausländischer Partner auf und versuchte, die Flüchtlingsbefragung direkt in die Herkunftsländer zu verlagern. Dies sei aufgrund einer internen BND-Kontrolle passiert, erläuterte der Referatsleiter.

Das Informationsprofil der DIA kenne er nicht, gab Karl zu Protokoll. Dass sich die US-Geheimdienstler, die für harsche Verhörmethoden bekannt sind, für Informationen für den "geheimen Krieg" interessiert haben könnten, sei ihm auch nicht direkt zu Ohren gekommen. Er habe keinen Verdacht geschöpft, dass Drohneneinsätze unterstützt werden könnten. Abgefragte Mobilfunknummern wären dazu auch ungeeignet gewesen. Meldungen über Ortsangaben seien "bereinigt", also geographisch grob gefasst und so "unkenntlich" gemacht worden.

Auch im Fall der gegen deutsche Interessen verstoßenden Selektoren, die die NSA dem BND für die Telekommunikationsaufklärung unterjubelte, hat das Kanzleramt Karl zufolge nur nachgefragt, wenn entsprechende Berichte vorgelegen hätten. Er persönlich habe davon auch erst relativ spät im Rahmen der Aufarbeitung der damit verknüpften Sachfragen erfahren. Anlass, von sich aus beim BND wegen der umstrittenen Suchmerkmale vorstellig zu werden, habe es nicht gegeben.

Für die rechtliche Prüfung von Selektoren sei ein Nachbarreferat zuständig, führte der Zeuge aus. Er selbst bezeichnete anhand eines konstruierten Fallbeispiels die österreichische Botschaft in der Schweiz zunächst prinzipiell als "legitimes Ziel". Dies müsse aber im Einzelfall begutachtet werden. Später ergänzte Karl, dass es nicht mit dem Auftragsprofil der Bundesregierung für den BND vereinbar sei, europäische Partner zu überwachen.

Vielen Ausschussmitgliedern erschloss sich nicht, wie einer derart praktizierte Aufsicht wirksam sein könnte. "Ich sehe nicht, wie Sie in Ihrer Aufgabe etwas tun, um herauszubekommen, was der BND macht", monierte etwa der Linke André Hahn. Auch bei SPD und Grünen herrschte Kopfschütteln vor.

Zuvor hatte mit Renate Leistner-Rocca die frühere Leiterin einer "Forschungsstelle" des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dargelegt, welche Vorarbeiten ihre Institution dem BND leistete. Demnach befragten Mitarbeiter des Amtes Asylbewerber zunächst selbst und wählten anhand eines groben, zweiseitigen Kriterienkatalogs des Geheimdienstes stichpunktartig Flüchtlinge aus, die für diesen interessant sein könnten. Entsprechende Protokolle und einzelne zugehörige Dokumente habe man an das Bamf-Sicherheitsreferat in Nürnberg und von dort aus an den BND weitergeleitet. Ein Zugriff der Agenten auf das eigene Datensystem habe nicht bestanden. Der BND habe dann vier Wochen Zeit gehabt, um sich zurückzumelden und gegebenenfalls die HBW zu aktivieren.

Als Rechtsgrundlage für den Datentransfer nannte die Juristin einschlägige Paragraphen im BND-Gesetz. Zudem habe es dafür einen Erlass des Bundesinnenministeriums gegeben. Ihr Kenntnisstand sei gewesen, dass dieses Fundament trage. Sie hätte auch mit dem heutigen Wissen über zahlreiche zivile Opfer im Drohnenkrieg keine Möglichkeit gesehen, die Informationsübergabe zu verweigern. Dass die HBW die DIA beteiligt habe, sei ihr nicht bekannt gewesen. Der BND müsse in jedem Fall selbst prüfen, ob er erhobene Daten an andere Stellen transferieren dürfe. (mho)