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Neuer Webbrowser Ladybird: Was Entwickler Andreas Kling mit seinem Team plant

Jonas Volkert

Entwickler Andreas Kling erklärt, was das Team mit dem neuen Browser plant – und warum es zwar nicht allein, aber auf jeden Fall ohne Kapitalgeber klappen soll.

Andreas Kling plant mit dem freien Browser Ladybird inzwischen Großes und möchte ihn zum Cross-Plattform-Projekt ausbauen. Im Interview mit iX erklärt er, was er und sein Team mit dem neuen Browser noch vorhaben, warum sie auf keinen Fall externen Einfluss zulassen wollen und, warum er zwar die Galionsfigur von SerenityOS und Ladybird ist, er das Projekt aber keinesfalls als One-Man-Show verstanden sehen möchte.

Serenity-Entwickler Andreas Kling

Andreas Kling ist der Hauptentwickler des unix-ähnlichen Betriebssytems SerenityOS. In der Vergangenheit war er bei Apple und Nokia tätig, arbeitet seit Mai 2021 aber in Vollzeit an SerenityOS. Kürzlich hat er live ein Linux-GUI für die Browser Engine LibWeb von Serenity gecodet.

In unserer ersten News zu Ladybird haben wir euren Browser als Konkurrent zu Googles De-facto-Monopol bezeichnet. Das war natürlich eine Übertreibung, aber gibt es etwas, das ihr technisch fundamental anders machen wollt als die derzeit verfügbaren Webbrowser?

In der Tat sind wir heute noch nicht wettbewerbsfähig und es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Was die technische Seite betrifft, würde ich mir wünschen, dass wir uns mit Ladybird mehr auf Einfachheit statt auf Leistung konzentrieren. Die heutigen großen Browser sind unglaublich kompliziert, viel komplizierter als sie sein müssten. Die großen Firmen haben Milliarden von Dollar in ihren Wettbewerb um prestigeträchtige JavaScript-Benchmarks gesteckt, die nichts damit zu tun haben, was 99 Prozent der Webseiten eigentlich tun. Das hat zu komplexen, schwer zu verstehenden und schwer abzusichernden Browser-Architekturen geführt.

Ich weiß das, weil ich selbst an diesen Leistungskriegen teilgenommen habe: Als ich bei Apple gearbeitet habe, habe ich viele Dinge in WebKit gemacht, die kompliziert und unsauber waren, nur um irgendeinen Benchmark zu verbessern.

Im Ladybird Engine-Code (LibWeb und LibJS) versuchen wir so nah wie möglich an die Web-Spezifikationen heranzukommen, indem wir die identische Terminologie verwenden und die Spec-Algorithmen Schritt für Schritt nachbilden, wann immer es geht. Auch wenn uns Leistung wichtig ist (und wir in dem Bereich noch viel zu tun haben!), werden wir nicht Millionen Zeilen von Code schreiben, nur um eine 20 Prozent Verbesserung bei irgendeinem Benchmark zu erreichen.

Auf nicht-technischer Seite denke ich, dass es schön wäre, wenn es eine Open-Source Browser-Engine gäbe, die moderne Webseiten darstellen kann, aber nicht von den Big-Tech-Firmen finanziert und/oder gesteuert wird. Ich freue mich über kleinere Spenden von einigen Leuten, aber ich bin nicht daran interessiert, irgendjemand Einfluss über Ladybird zu verkaufen.

Ladybird ist nicht die einzige Alternative zu Chrome & Co. Hast du die anderen wie Epiphany, Dooble und den qutebrowser ausprobiert? Was hältst du von ihnen?

Klar, über die Jahre habe ich viele Browser ausprobiert. Für jemanden, der sich hauptsächlich für Rendering-Engines interessiert, sind all diese "alternativen Browser" im Grunde das Gleiche: Es ist einfach WebKit, Blink oder Gecko mit einem anderen GUI. Ich habe nichts gegen diese Browser, aber sie sind nicht sehr aufregend.

Ihr bezeichnet Ladybird jetzt offiziell als Cross-Platform-Projekt. Welche Zielgruppe siehst du in Zukunft für Ladybird?

Auf absehbare Zeit sind die Leute die Zielgruppe, die an Ladybird mitarbeiten wollen. Jede Woche kommen neue Entwickler zum Projekt dazu. Wir sind nicht darauf aus, Nutzer anzulocken oder Risikokapitalgeber zu beeindrucken. Wir konzentrieren uns wirklich nur auf die Entwicklung der Engine und darauf, dass sie mit echten Websites funktioniert.

In unserem ersten Interview [1] hast du die Frage nach dem "Warum?" einfach mit "Warum nicht?" beantwortet. Ist das auch jetzt noch die Antwort, da ihr Ladybird als größeres Projekt betrachtet?

Ja, ob du es glaubst oder nicht, wir machen das immer noch zum Spaß! Der Unterschied ist, dass wir uns jetzt etwas ernsthafter um die Kompatibilität zu anderen Systemen kümmern, damit unsere Entwickler Ladybird auch auf ihren eigenen Rechnern verwenden können, wenn sie möchten.

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Sind euch seit dem Start Anfang Juli neue oder unvorhergesehene technische Schwierigkeiten begegnet, über die ihr gestolpert seid?

Eine der größten technischen Herausforderungen für den neuen Browser sind Websites, die dich schlecht behandeln, weil sie deinen "User-Agent"-String nicht erkennen. Viele Seiten liefern dir komplett andere Inhalte, wenn du nicht einer der drei großen Browser bist – meistens irgendeine uralte "Kompatibilitätsversion" der Seite. Und manche Server weigern sich einfach, überhaupt mit dir zu sprechen. Das gilt sogar für die der Big-Tech-Firmen, die es eigentlich besser wissen müssten.

Die großen Browser-Anbieter liefern sehr regelmäßig Sicherheitsupdates aus, für euer kleines Team könnte es aber schwierig werden, schnell auf neue Probleme zu reagieren. Was sagst du denen, die Sicherheitsbedenken haben?

Zunächst einmal sollte derzeit natürlich niemand Ladybird für sicherheitsrelevante Dinge verwenden!

Wenn wir in die ferne Zukunft blicken, glaube ich, dass das wichtigste Sicherheitsfeature von Ladybird seine Einfachheit sein kann. Eine kleinere Codebasis wird immer weniger Bugs aufweisen, und wenn Bugs gefunden werden, kann sie im Allgemeinen einfacher beheben.

Das Problem, wenn man Milliarden von Dollar in Software steckt, ist, dass man dann auch Software im Wert von mehreren Milliarden von Dollar zu pflegen und sicher zu halten hat. Das ist ein Luxusproblem, aber ein extrem schwieriges.

Viele Kommentatoren, die Ladybird wohlwollend gegenüberstehen, ziehen ihre Hoffnung aus deiner beruflichen Vergangenheit, als du bei Nokia und Apple an der HTML Rendering-Engine WebKit und davor in den 2000er an KHTML gearbeitet hast. Hilft dir das heute noch?

Ja, ich schraube schon lange an Browser-Engines herum und habe deshalb schon eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie man sie bauen muss.

Das Projekt hängt aber nicht nur von mir ab, ich bringe auch einer neuen Generation von Entwickler die Browserentwicklung bei. Ein großartiges Beispiel dafür ist der heutige Hauptentwickler von LibJS, Linus Groh, wie ihr ein Deutscher. Er hatte noch vor drei Jahren noch nie an einem Browser gearbeitet und wird jetzt zum "Invited Expert" zur ECMA eingeladen, wo JavaScript standardisiert wird!

Andreas, vielen Dank für das Gespräch! (jvo [3])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7273137

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Ladybird-Entwickler-im-Interview-Was-bei-der-Browser-Alternative-richtig-laeuft-7164906.html
[2] https://www.heise.de/ix/
[3] mailto:jvo@ix.de