Namensverwechslung killt Künstler-Site

Der Spielzeugversender eToys.com hat in den USA eine einstweilige Verfügung gegen den Betrieb der europäischen Künstler-Site "etoy.com" erwirkt.

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Die Betreiber des amerikanischen Online-Spielwarenhauses eToys.com haben beim kalifornischen State Court eine einstweilige Verfügung gegen "etoy.com" erwirkt. Infolgedessen musste die von einer Gruppe europäischer Künstler betriebene Site am 29. November 1999 vom Netz gehen.

Nachdem der Spielwarenversender und die Online-Künstler rund ein Jahr lang relativ friedliche Nachbarschaft im Netz gepflegt hatten, begann der Ärger im Herbst 1999: Am 25. August bekam eToys von einem älteren Kunden einen wütenden Brief, in dem dieser sich darüber beklagte, sein Enkel sei bei der Suche nach Spielzeugwunschideen zu seinem Geburtstag bei der Website auf äußerst ungehörige und keinesfalls kindgerechte Sprüche gestoßen. Man wolle dort nie wieder etwas kaufen. Die beanstandeten Seiten lagen ausgedruckt bei – allerdings handelte es sich um Material von "etoy.com". Der Junge hatte bei der Eingabe der Webadresse offensichtlich das "s" vergessen und war so auf die falsche Site gesurft.

Was den Großvater so erzürnte, war ein lockerer Spruch zur Auswahl der Webtechnik, der erschien, wenn man sich bei der Seitendarstellung für den "old-fashioned way (html only)", also den Verzicht auf Macromedia-Flash-Animationen, entschied. Dort hieß es dann, die Site-Betreiber unterstützten die altmodische Art nicht: "Get the fucking flash plugin!"

Keine zwei Wochen nach Erhalt des Briefes, nämlich am 10. September 1999, klagte eToys gegen etoy.com wegen Markenverletzung, Geschäftsbehinderung und unlauteren Wettbewerbs. Obwohl die Mitglieder der Künstlergruppe in verschiedenen europäischen Ländern wohnen, erklärte sich das kalifornische Gericht für zuständig – und zwar auf Grund der Tatsache, dass die Eintragung von "com"-Domains bislang noch über die US-Firma Network Solutions erfolgt.

Während die eingetragene Handelsmarke "eToys" bereits seit Mai 1997 besteht, wurde "etoy.com" erst im Juni des gleichen Jahres angemeldet. Vor Gericht führten die Künstler in der Markensache nun ins Feld, ihre Mitglieder seien bereits 1994 unter dem Namen "etoy.com" mit Performances in Erscheinung getreten. Die Domain "etoy.com" besteht seit Oktober 1995, während der Spielzeugversand seine Domain erst im November 1997 anmeldete. Im amerikanischen Markenrecht sind auch solche Umstände von Belang – in diesem Fall konnte sich der Spielwarenversender jedoch durchsetzen. Dabei werden nicht zuletzt auch die Beweise für "gesetzwidriges Treiben" der Künstler eine Rolle gespielt haben, die eToys ins Feld führte: Vor rund dreieinhalb Jahren hatte etoy.com mit einem "Entführungsprojekt" von sich reden gemacht, bei dem Surfer per Suchmaschinenmanipulation von ihren ursprünglichen Wunschzielen wie "David Bowie", "Porsche" oder "Penthouse" weggelockt und auf Webseiten der Künstler geleitet wurden. Damals ermittelten CIA-Beamte in Österreich gemeinsam mit der dortigen Polizei gegen etoy.com – allerdings erfolglos.

Als Ergebnis des in den US-Medien bereits stark umstrittenen kalifornischen Gerichtsentscheids ist "www.etoy.com" jetzt nicht mehr online (siehe auch den Hintergrundbericht bei Telepolis). Die Seiten der Künstlergruppe sind zur Zeit nur über eine numerische IP-Adresse zu erreichen. Sympathisanten haben eine "Krisenseite" über den Rechtsstreit ins Netz gestellt. Ein Aufruf der ursprünglichen Web-Adresse führt nur noch zu einer Fehlermeldung – deren Wortlaut ist allerdings garantiert jugendfrei. (psz)