Naturschutz und Energiewende: Windräder im Wald erhitzen die Gemüter

Durch Umwelteinflüsse zerstörte Waldteile in Nutzwäldern können für Windkraftanlagen genutzt werden. Umweltschützer schlagen Alarm.

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(Bild: abo-wind.de)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Claus Haffert
  • dpa
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Drei Dürrejahre in Folge und der Borkenkäferbefall haben dem Wald in Nordrhein-Westfalen schwer zugesetzt. Mehr als 80.000 Hektar, fast 10 Prozent der Waldfläche im Land, sind nach Zahlen der Bundesregierung so stark geschädigt, dass sie wieder aufgeforstet werden müssen. Wer etwa durchs Sauerland fährt, sieht immer wieder große Flächen mit abgestorbenen Bäumen. Viele Waldbauern, die vom Holzverkauf leben, stecken deshalb in einer finanziell schwierigen Situation. Denn bis neu angepflanzte Bäume soweit sind, dass sie Gewinne abwerfen, vergehen Jahrzehnte.

Auf den Brachflächen statt Holz künftig Windstrom zu ernten, könnte für viele Forstwirte eine Alternative sein, die schneller Gewinn abwirft. "Die Waldbauern haben das grundsätzlich alle nötig", sagt Karl-Josef Stratmann, der im Vorstand des Waldbauernverbands NRW sitzt und im Sauerland mit seiner Frau Windräder betreibt. Doch der Bau der oft an die 200 Meter hohen Anlagen auf den bewaldeten Bergkuppen ist in NRW heftig umstritten.

Auf der einen Seite stehen neben den Waldbesitzern diejenigen, denen die Energiewende nicht schnell genug geht. "Gleich drei Fliegen mit einer Klappe" ließen sich auf freien Waldflächen schlagen, sagt der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien, Reiner Priggen. "Die Forstwirte haben planbare Einnahmen, sie können das Geld in klimaangepasste Aufforstung investieren und zusätzlich verhindern die Anlagen sofort CO2-Emissionen", wirbt der frühere Chef der NRW-Landtagsfraktion der Grünen für mehr Windräder im Wald. Auch Waldbesitzer Stratmann fordert ein Umdenken der Politik.

Die Gegenposition vertritt Heide Naderer. "Der Wald ist kein Gewerbegebiet", sagt die Landesvorsitzende der Naturschutzorganisation Nabu. Windräder seien nicht nachhaltig und hätten deshalb im "Ökosystem Wald" nichts zu suchen. Außerdem erhielten die Waldbauern "viel Geld, um die Schäden durch Trockenheit und falsche Waldbewirtschaftung auszugleichen". In der Tat erhöht NRW die Fördermittel für die Forstwirte zur Bewältigung der Waldschäden im kommenden Jahr kräftig auf 75 Millionen Euro.

Eine Sperre für Windräder in NRW-Wäldern gebe es nicht, versichert Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). "Es ist schon heute möglich, Windräder auf Waldflächen, die zum Beispiel durch Dürre und Insektenfraß kahl geworden sind, zu genehmigen." Die Gemeinden prüften dazu jeden einzelnen Fall. "Ob es zu weiteren Erleichterungen für den Windkraftbau auf Kahlflächen kommen kann, muss noch weiter analysiert werden", kündigt die Ministerin an.

Aus dem NRW-Wirtschafts- und Energieministerium heißt es, Windenergieanlagen im Wald als Regelfall wären ein falscher Weg. Mit einer Änderung des Landesentwicklungsplans habe die Landesregierung den Schutz von Wäldern vor anderen Nutzungen wieder vereinheitlicht. Windkraftprojekte müssten sich an den gleichen strengen Regelungen messen lassen wie etwa Gewerbegebiete. Sie seien nur dann zulässig, wenn in einer Gemeinde oder Stadt außerhalb des Waldes keine Möglichkeit zur Errichtung von Windenergieanlagen existiere.

Erlaubt sind nach dem NRW-Windenergieerlass Anlagen in "strukturarmen Nadelwaldbeständen". Für Waldbauer Stratmann ist das eine zu strenge Vorgabe. Wenn "ein kleines Stückchen Buchenwald am Rande einer potenzielle Windradfläche" berührt werde, dürfe eine Investition von 4 bis 5 Millionen Euro daran nicht scheitern.

Bislang wurden in den NRW-Wäldern vergleichsweise wenige Windräder aufgestellt. Die Rotorblätter von 90 Windenergieanlagen drehen sich vor allem in den Wäldern von Sauer- und Siegerland sowie der Eifel. Weitere sechs Anlagen befinden sich im Bau, heißt es beim Landesbetrieb Wald und Holz. Bei inzwischen mehr als 3700 Windenergieanlagen insgesamt in NRW ist das eine sehr geringe Zahl. Nicht einmal 5 Prozent aller über 2000 Windräder in deutschen Wäldern stehen in NRW.

Denn andere Bundesländer sind weniger restriktiv. So werden in Rheinland-Pfalz derzeit über 450 Anlagen gezählt. In Hessen sind es ähnlich viele. Anders als in NRW dürfen dort bestimmte Laubbäume gefällt werden. In beiden Ländern haben die Wälder allerdings auch einen deutlich höheren Anteil an der Gesamtfläche als in NRW. "Wenn Nordrhein-Westfalen in ähnlichem Maße reagieren würde, wären 600 bis 1000 Anlagen möglich", sagt Waldbauer Stratmann mit Blick auf die Zahlen in Rheinland-Pfalz.

Marc Messerschmidt winkt bei solchen Vergleichen ab. "Schön wäre es, wenn wir keine Windenergieanlagen im Wald hätten", sagt der Forstexperte, der beim Landesbetrieb Wald und Holz für solche Bauvorhaben zuständig ist. Es sei schließlich die gesetzlich vorgegebene Aufgabe des Landesbetriebs, "den Wald und seine Funktionen zu erhalten und wenn möglich zu vermehren". Ganz frei von Windrädern könne man die Wälder angesichts der für den Klimaschutz notwendigen Energiewende aber nicht halten.

Viel Fläche wird nach den Zahlen von Wald und Holz von den einzelnen Windrädern nicht in Beschlag genommen. Pro Mast seien es durchschnittlich 0,3 Hektar. Befürchtungen, für den Transport von Masten und Rotoren müssten "autobahnähnliche Schneisen" in die Wälder geschlagen werden, seien unbegründet, sagt Messerschmidt. Außerdem müssten von Windrädern besetzte Waldflächen durch Neuanpflanzungen ersetzt werden.

Auch in NRW dürfte es nach Messerschmidts Einschätzung in den kommenden Jahren mehr Windräder in den Wäldern geben. Mittlerweile seien fast 210 Projekte in der Planung oder bereits in Genehmigungsverfahren. Der Forstexperte befürchtet, dass der Druck auf die Wälder durch strengere Abstandsregelungen zu Wohnhäusern zunehmen könnte. Dann würden nämlich die Windräder verdrängt, "von den meist landwirtschaftlichen Flächen in direkter Siedlungsnähe zu den in der Regel weiter von der Bebauung entfernt liegenden Waldflächen."

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