Netz-Teilchen

Das G1 mit dem Open-Source-System Android auf Linux-Basis verspricht eine bessere Web-Integration als andere Smartphones und soll in puncto Bedienung neue Maßstäbe setzen. Bereits vor dem Marktstart nächstes Jahr in Deutschland konnten wir anhand eines US-Gerätes nachprüfen, ob das Google-Handy hält, was es verspricht.

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Von
  • Daniel Lüders
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T-Mobile vertreibt das Google-Handy bislang ausschließlich in den USA. Das Smartphone kostet 180 US-Dollar inklusive eines Zweijahresvertrags mit einer Mindestgebühr von knapp 25 Dollar pro Monat. Eine Mobilfunk-Internet-Flatrate für die USA ist in diesem Vertrag bereits enthalten. Das G1 akzeptiert lediglich SIM-Karten von T-Mobile – allerdings auch deutsche.

T-Mobile steuert – anders als bei den meisten anderen Smartphones in seiner Modell-Palette – keine Applikationen zum G1 bei. Außer einem Schriftzug an der Front und einer Logo-Einblendung beim Hochfahren des Gerätes hält sich der Provider vornehm zurück.

Die Menüführung erfolgt mit dem Finger über einen kapazitiven Touchscreen, der lediglich berührt, aber nicht mehr gedrückt werden muss. Der Bildschirm registriert die Eingaben sehr genau. Weil winzige Inhalte aber nicht wie beispielsweise beim iPhone mit einem Auseinanderziehen zweier Finger auf dem Bildschirm herangezoomt, sondern erst durch mehrmaliges Tippen vergrößert werden können, wünscht man sich oft den PDA-Stift für präziseres Antippen zurück – doch der funktioniert auf einem Kapazitiv-Schirm genauso wenig wie der Fingernagel.

Zur Unterstützung enthält das G1 inmitten der Home-, Back- und Telefonie-Buttons einen Mini-Trackball, der beispielsweise zum Hin- und Herschieben großer Webseiten nützlich ist. Schiebt man das Display zur Seite, gibt es den Blick auf eine Qwerty-Tastatur frei. Der Bildschirminhalt dreht sich dann automatisch ins Querformat. Einen Lagesensor, der das Kippen des Gerätes automatisch registriert, enthält das Android-Smartphone nicht.

Obwohl das System den Kapazitiv-Bildschirm gut im Griff hat, und viele Dinge auf Fingerstrich erledigt, wünscht man sich eine einheitlichere Bedienung. Oft muss man vom Bildschirm zur Tastatur wechseln oder die Knöpfe an der Unterseite drücken.

Schon beim ersten Einrichten kommt der Nutzer nicht daran vorbei, sein Handy mit einem Google-Konto zu personalisieren. Man kann dazu auch einen neuen Account anlegen, dem man keinerlei persönliche Daten verraten muss. Ist dies geschehen, konfigurieren sich E-Mail und Messenger automatisch. Die Google-Clients Calendar und Contacts befüllen sich mit den Daten des Nutzers aus dem Internet und aktualisieren sich auf Wunsch selbstständig von Zeit zu Zeit. Outlook-Kontakte fügt man als kommagetrennte Werte am PC in die Google-Kontaktliste ein. Ein Termin-Importmodul fehlt.

Von Hause aus ist das Android-Handy nicht für den lokalen Abgleich mit PCs vorgesehen. Standard-Abgleich-Protokolle wie SyncML oder ActiveSync, beispielsweise zur Synchronisation mit einem Exchange-Server, kennt das G1 nicht. Bluetooth scheidet als Übertragungsweg aus, denn es bietet lediglich die Bluetooth-Profile Handsfree und Headset an – Obex und Obex-FTP für die Dateiübertragung fehlen.

Stattdessen nutzt das Handy entweder WLAN oder das Mobilfunknetz, um seine Kalender, Kontaktlisten, Mails und andere Daten direkt mit Google-Diensten automatisch abzugleichen. Programme für Aufgabenlisten und Notizen fehlen ganz. Immerhin klappt der Online-Abgleich von Terminen und Kontakten zuverlässig und schnell.

Die Kontakte fließen in die Telefonie-Anwendung ein und können schnell durchsucht und angewählt werden. Bei Gesprächen verstehen sich beide Partner laut und deutlich. Allerdings bleibt der Bildschirm dabei an, denn das G1 besitzt keinen Annäherungs-Sensor, der das Display abschalten könnte.

Auch für Videos steht ein Online-Dienst von Google bereit: Mit Hilfe der YouTube-Applikation stöbert man im kompletten Archiv und kann sich Film-Streamchen zum Anschauen herauspicken. Ein Player für lokal gespeicherte Videos fehlt. Der Musik-Player spielt außer MP3 auch Windows Media Audio und AAC ab. Er klingt vergleichsweise ausgewogen, wenn auch etwas bassschwach. Mit Hilfe eines speziell zugeschnittenen Clients für den Amazon-MP3-Shop kann man Songs kaufen – wenn man US-Kunde ist; deutsche dürfen nur reinhören.

Beim Webbrowser handelt es sich praktisch um einen Zwilling des iPhone-Safari, denn im Kern steckt das gleiche Webkit. Beim Scrollen über die Webseiten ruckelt es aber stärker. Oft bleibt die Anzeige sogar stehen oder es wird versehentlich ein gedrückter Link registriert, was nervt. WAP- und Flash-Inhalte können vom Browser nicht angezeigt werden. Er kennt keine Umlaut-Domains und zeigt keine arabischen oder hebräischen Zeichen an. Aber er versteht Ajax und stellt die meisten Webseiten in einem gefälligen Layout dar. Beim Instant-Messenger lässt Google gnädig auch andere Chat-Protokolle zu. So können außer Google-Talk- auch Windows-Live-, Yahoo-Messenger- oder AIM(ICQ)-Konten angelegt werden. Im E-Mail-Client richtet man auch Google-fremde IMAP- oder POP3-Accounts ein.

Google Maps ortet die eigene Position per GPS oder GSM-Funkzelle. Es berechnet zwar Routen, aber eine Navigation per Stimme enthält die Applikation nicht. Immerhin lassen sich auch Restaurants oder Hotels mit der Web-Kartensoftware aufspüren. Allerdings scheint die Liste der Gewerbetreibenden noch sehr lückenhaft zu sein und beschränkt sich vornehmlich auf größere Unternehmen und Franchise-Ketten, die Google für diesen Dienst offenbar bezahlen.

Obwohl das G1 Linux im Herzen hat, merkt der gemeine Nutzer davon nichts. Sowohl beim Start als auch während des Betriebes bleibt dem Nutzer der Linux-Kern verborgen. Bastler können den Kernel nicht nach ihren Bedürfnissen anpassen.

Am Windows-PC oder Mac klappt die USB-Anbindung ohne Probleme. Allerdings bleibt es beim Zugriff auf die interne Speicherkarte, der interne Telefonspeicher ist unerreichbar. Die Übertragungsraten liegen bei etwa 4 MByte/s, womit eine 1-GByte-Speicherkarte in etwas über vier Minuten gefüllt wäre, was in den meisten Fällen – beispielsweise zum Aufspielen von MP3-Dateien – ausreicht. Maximal akzeptiert der gut zugängliche Schacht Karten mit 8 GByte Kapazität.

Im Gespann mit einem Linux-PC ergeben sich beim Android-Handy eher Nach- als Vorteile. Im Test wollte unser Smartphone zuweilen gar nicht per USB mit einem Linux-Rechner kommunizieren, sondern nutzte lediglich den Strom zum Aufladen des Akkus. Meist gibt sich das G1 aber als USB-2.0-Gerät zu erkennen, woraufhin am Linux-PC das Modul ehci_hcd die Einbindung übernimmt.

Das Android-Handy G1 ist ganz Google: Ohne die Webdienste des Suchmaschinen-Spezialisten taugt das Handy weder als PIM-Gerät noch als Multimedia-Maschine oder Ortungseinheit. Als E-Mail- und Mobil-Surfmaschine verrichtet es aber gute Dienste. Wer sich ein wenig von Google loslösen möchte, findet im Android-Programmverzeichnis ein paar kostenlose Ersatz- und Zusatzprogramme. Dennoch: bei der ersten Konfiguration kommt man um ein Google-Konto nicht herum.

Außer seiner Google- und Netzabhängigkeit hat T-Mobile mit dem G1 offenbar aber keine besondere Nutzergruppe im Visier. Dem iPhone kann es in puncto Bedienung und Multimedia nicht das Wasser reichen. Das Zusammenspiel mit den Web-Diensten klappt indessen gut. Wer Google zum Wegstecken mit gutem Web-Browser sucht, wird mit dem G1 zufrieden sein. (dal)