Netzverwaltung ist ein "halbfertiges Haus"

Das Internet Governance Project (IGP) hat sich in einer Stellungnahme zur Zukunft der ICANN dafür ausgesprochen, die Netzverwaltung vollständig der privaten Selbstkontrolle zu übergeben.

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Von
  • Monika Ermert

Der Vertrag zwischen dem US-Handelsministerium und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) sollte beendet und die Netzverwaltung vollständig der privaten Selbstkontrolle übergeben werden. Diese Empfehlung richtete der Forscherkreis "Internet Governance Project" (IGP) an das Handelsministerium, beziehungsweise dessen Telecom-Regulierungsbehörde National Telecommunications and Information Administration (NTIA). Die IGP-Stellungnahme war nur eine von mehreren hundert Stellungnahmen, die bei der NTIA im Rahmen der Anhörung zur Zukunft der privaten Netzverwaltung eingegangen sind.

Sehr viele Privatleute haben sich im Rahmen der Online-Anhörung an die NTIA gewandt und entweder die Aufgabe der Sonderrolle der USA bei der Aufsicht über ICANN gefordert, in Einzelfällen wurde gar eine Übergabe der Aufsicht an die UN gefordert. Manche US-Bürger und Unternehmensvertreter verbanden die Anhörung gleich noch mit dem derzeit heiß diskutierten Thema Netzneutralität und forderten die Absicherung eines offenen Internet.

Die IGP-Forscher mahnten, dass ICANN vor einer kompletten "Unabhängigkeit" neben den bestehenden Prinzipien "Stabilität des DNS", "fairer Wettbewerb", "funktionierende Selbstverwaltung" und "Beteiligung aller" auch noch auf zwei weitere Prinzipien verpflichtet werden sollte: die Meinungsfreiheit und die Transparenz und Rechenschaftspflicht gegenüber der "Gemeinde". ICANNs technische Einflussmöglichkeit auf Namen im Internet werde weiterhin dafür sorgen, dass die Organisation unter Druck gesetzt werde, diese Möglichkeiten auch für die Regulierung von Inhalten auszunutzen, schreiben die IGP-Forscher. Mit Blick auf die Rechenschaftspflicht warnen die Forscher davor, dass ICANN sich unter dem Deckmantel von "Non-Disclosure"-Abkommen mit Unternehmen vor der Offenlegung von Entscheidungsprozessen drücken könnte.

Internationale Regierungen sollten im Übrigen auch künftig eine Rolle spielen, halten die Forscher fest. Sie sollen die Einhaltung nationalen und internationalen Rechts in den ICANN-Verfahren beobachten und bei Missständen einschreiten. Eine stärkere Rolle der Regierungen lehnt die IGP aber unter anderem mit dem Hinweis ab: "Der ICANN-Regierungsbeirat hat weder die Verfahren, noch ist der legitimiert oder schnell und erfahren genug, um globale Regeln für die Koordination von Internet Identifiern (also Namen und Nummern, Red.) zu formulieren." Auch die US-Sonderrolle müsse gleichzeitig fallen. Inakzeptabel ist aus Sicht von IGP, dass die NTIA im vergangenen Sommer erklärt hatte, die USA würden nicht dauerhaft auf die Rolle als Wächter des DNS verzichten. Nicht nur würden andere Nationen durch die unilaterale Rolle der USA provoziert, eigene Root-Zonen zu starten, das besondere Gewicht der US-Regierung erlaube auch eine Einmischung in die ICANN-Selbstverwaltungsverfahren und ermögliche US-amerikanischen Interessengruppen, ICANNs Verfahren durch einen Gang zum Kongress zu beeinflussen.

Auch ICANNs Nutzervertreter, das "At large Advisory Committee" (ALAC), wandte sich mit der Empfehlung an die NTIA, ICANN institutionell nicht an eine einzelne Regierung zu binden. Stattdessen sollte die Beteiligung der Nutzer verstärkt werden. Die IGP-Forscher halten dafür etwa die Rückkehr zu allgemeinen Nutzerwahlen für den ICANN-Vorstand für ein durchaus probates Mittel. (Monika Ermert) / (pmz)