Neue Anläufe zur Debatte um die DNS-Aufsicht vor dem Internet Governance Forum

Im Vorfeld des Weltgipfels der Informationsgesellschaft hatte es heftigen Streit und diplomatische Verwicklungen um die US-Oberaufsicht des Internet gegeben - eine Konsequenz war die Einrichtung des IGF, das sich ab Ende Oktober zum ersten Mal trifft.

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Von
  • Monika Ermert

Der freie Informationsfluss im Netz, Sicherheit, Bestrebungen zur Internationalisierung und das große Thema freier Zugang – das sind die vier Themen, die beim bevorstehenden ersten Internet Governance Forum (IGF) der UN diskutiert werden sollen, das vom 30. Oktober bis zum 2. November in Athen stattfindet. Dafür gab das IGF-Sekretariat in Genf ein Hintergrundpapier (DOC-Datei) heraus, in dem es die Beiträge von Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft rund um die vier Themenkomplexe zusammenfasst. Die weitreichendsten Vorschläge – etwa eine "Grundrechteerklärung für das Internet", eine "UN-Rahmenregelung" für zentrale Fragen der Netzverwaltung oder ein Vorschlag zur Öffnung und Vereinheitlichung der Arbeit technischer Standard-Organisationen – kommen aus den Reihen zivilgesellschaftlicher Gruppen, also der Gruppen, die sich jenseits von politischen Parteien, Wirtschaftsverbänden und staatlichen Organisationen gebildet haben. Vertreter der Zivilgesellschaft befürchten teilweise, dass das IGF davor zurückschrecken wird, Empfehlungen für das globale Miteinander im Netz auszusprechen.

Das IGF wurde vom Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) in Tunis im vergangenen Jahr beschlossen. Im Vorfeld des Weltgipfels hatte es heftigen Streit und einige diplomatische Verwicklungen um die US-Oberaufsicht des Internet und ihre Internationalisierung gegeben – eine Konsequenz war die Einrichtung des IGF, das aber keine Entscheidungsbefugnis hat. Das IGF ist vielmehr damit betraut, sich um Entscheidungsprozesses rund ums Netz zu kümmern, die von öffentlichem Belang sind. Existierende Organisationen sollen stärker vernetzt und unter Beobachtung genommen werden; das IGF soll auch Empfehlungen für den Fall machen, dass neue Entwicklungen öffentliche Interessen berühren oder bestehende Verwaltungs- und Kontrollprozeduren als unzureichend erachtet werden. Dieser Aufgabe müsse das IGF nun auch nachkommen forderten Mitglieder der Zivilgesellschaft in ihren Vorbereitungsdiskussionen.

Das Hauptstreitthema "internationale Aufsicht über die DNS-Rootserver" findet sich im Papier des IGF-Sekretariats allerdings nur im Verzeichnis der Fachbegriffe. Einen Workshop dazu haben die Wissenschaftler des Internet Governance Project jedoch anberaumt. Schon am Sonntag beschäftigt sich das Forschernetz Giganet mit einem anderen Un-Thema des IGF, der so genannten "verbesserten Zusammenarbeit" von Regierungen und Netzverwaltern.

Russland und Brasilien gehören neben den zivilgesellschaftlichen Gruppen zu denjenigen Protagonisten, die das Thema "DNS-Aufsicht" und "Netzverwaltung" gerne auf der Agenda sehen möchten. In der russischen Vorabstellungnahme (PDF-Datei) zum Programm heißt es eindeutig: "Im Programmentwurf fehlt ein Kernpunkt des Bereichs Internet Governance (..), und zwar die Prinzipien und Mechanismen für eine künftige internationale Netzverwaltung." Brasilien verweist auf die mangelnde Beteiligung von Regierungen beim Regierungsbeirat der Internet-Verwaltung ICANN. Nur rund 40 Regierungen nähmen daran teil. Beim IGF sind es laut der aktuellen Teilnehmerliste rund doppelt so viel. Von einer Beteiligung aller UN-Mitgliedsländer ist man damit allerdings auch noch recht weit entfernt.

Die deutsche Bundesregierung ist durch vier Vertreter aus dem Wirtschafts-, dem Außen- und dem Entwicklungshilfeministerium vertreten, drei Vertreter entsendet die Bundesnetzagentur. Deutsche zivilgesellschaftliche Gruppen entsenden ungefähr noch einmal so viele Vertreter. Die deutsche Wirtschaft verspricht sich offenbar nicht so viel von dem Treffen. Wieder einmal leistet sich nur die Siemens AG die Entsendung eines Managers zu den Netzpolitik-Debatten. Wesentlich stärker vertreten ist dagegen die US-Wirtschaft: Beispielsweise Microsoft, Cisco, Sun, MCI und Verizon schicken einzelne Vertreter, VeriSign schickt gleich eine kleine Mannschaft. In beachtlicher Stärke reisen auch EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ratsvertreter nach Athen, und der Europarat wirbt erneut für die Cybercrime Convention.

Die Stellungnahme des Europarates zur IGF-Agenda zeigt übrigens die Spannbreite möglicher politischer Signale, die das Forum aussenden kann. Der Europarat benennt beispielsweise die Effekte der Zensur durch nicht-staatliche Akteure (etwa Internet-Provider) auf die Meinungsfreiheit im Netz als ein zentrales Thema. Er rät zudem, über konzertierte Sanktionen gegen solche Staaten nachzudenken, die nicht ausreichend gegen Cyber-Terroristen oder Internetkriminalität vorgehen. (Monika Ermert) / (jk)