Neue Debatte über Softwarepatente in den USA

In den Vereinigten Staaten steht mit der Initiative End Software Patents (ESP) eine Lobbyvereinigung in den Startlöchern, die sich für den Ausschluss von Computerprogrammen vom gewerblichen Rechtsschutz stark machen will.

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In den Vereinigten Staaten steht mit der Initiative End Software Patents (ESP) eine Lobbyvereinigung in den Startlöchern, die sich für den Ausschluss von Computerprogrammen vom gewerblichen Rechtsschutz stark machen will. Laut einem Bericht des Branchendiensts Linux.com soll die Kampagne im November ihre Arbeit aufnehmen. Es sei bereits eine Viertel Million US-Dollar an Startkapital zusammengekommen. Als Unterstützer der Koalition werden unter anderem die Free Software Foundation (FSF), aber auch Hersteller proprietärer Computerprogramme und mindestens ein Wagniskapitalgeber genannt.

Stimmen für eine grundlegende Patentreform mit einem Ausschluss von Software oder Geschäftsmethoden der Patentierbarkeit sind in den USA bislang so gut wie nicht zu vernehmen. Auch im Streit um den gerade im US-Senat behandelten Gesetzesentwurf zur Novelle des US-Patentwesens geht es nicht um solche materiellen Rechtsfragen. Allein von der FSF und dort vor allem von ihrem Gründer Richard Stallman kamen bislang öffentliche Forderungen zur Abschaffung von Softwarepatenten. Der Befürworter des freien Quellcodes brachte sich in diesem Sinn auch wiederholt in den Streit um den Rechtsschutz für "computerimplementierte Erfindungen" in der EU ein. Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) begnügen sich dagegen meist mit der Anprangerung besonders breiter Monopolansprüche und drängen auf deren erneute Prüfung durch das US-Patentamt.

Als Leiter der ESP-Initiative ist der Wissenschaftler Ben Klemens im Gespräch. Der Gastforscher an einer der bekannteren Denkfabriken der USA, der Brookings Institution, hat in seinem Buch Math You Can't Use: Patents, Copyright, and Software herausgearbeitet, dass das Patentrecht sich ursprünglich auf physikalische Erfindungen und Maschinen beziehen und niemals auf "virtuelle" Entwicklungen wie Software erstreckt werden sollte. Von Anfang der 90er Jahre an habe ein Kartell von Patentanwälten aber die materielle Ausdehnung der Patentbestimmungen in den USA vorangetrieben. 1994 habe das zuständige Berufungsgericht, der Court of Appeals for the Federal Circuit, dann die Ansicht eines niederen Gerichts bestätigt, wonach ein Algorithmus, der einen "physikalischen Schritt" enthalte, genauso mit gewerblichen Schutzrechten belegt werden könne wie eine Maschine oder eine Chemikalie.

Erst seit 2005 und spektakulären Streitigkeiten über Softwarepatente hat sich der US Supreme Court laut Klemens kritisch mit derlei Entscheidungen auseinandergesetzt und auf notwendige neue Grenzziehungen bei der Patentierbarkeit hingewiesen. Zudem erinnerte der Oberste US-Gerichtshof Ende April in einem Grundsatzurteil an die alte Regel, dass eine Erfindung als trivial und somit nicht schutzwürdig zu gelten hat, wenn ein Experte auf dem betroffenen Fachgebiet sie als offensichtlich bezeichnet.

Inzwischen ist auch beim Patentberufungsgericht ein Umdenken erkennbar. So hat es etwa jüngst die Entscheidung des US-Patentamts bekräftigt, keinen gewerblichen Rechtsschutz für ein Verfahren zur automatischen Streitschlichtung zu gewähren und damit die Möglichkeiten zur Patentierung von Geschäftsmethoden enger gezogen. Klemens zufolge sei die Zeit daher günstig für eine groß angelegte Kampagne gegen Softwarepatente in den USA. Schlüsseltaktik der ESP werde es dabei sein, weitere Gerichtsentscheidungen zur Eingrenzung der Patentierungsgepflogenheiten herbeizuführen. Man werde aber auch an den US-Kongress herantreten und Argumente für eine weitgehende Patentreform vortragen. "Nicht alles sollte patentierbar sein", ist sich der ESP-Anführer sicher. Die Ursachen für entsprechende Einschränkungen seien im rechtlichen, wirtschaftlichen und ethischen Bereich zu finden.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)