Neue Vorstöße gegen Trivialpatente in Großbritannien und USA

Das Britische Patentamt hat eine Sondierung über die Angemessenheit der "Erfindungshöhe" bei der Gewährung von Monopolansprüchen gestartet, während Forscher in den USA ein "Light"-Patent mit vierjähriger Gültigkeit fordern.

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In Großbritannien und den USA gibt es weitere Bemühungen, Klagen über Missbrauchsmöglichkeiten des Patentwesens nachzukommen und den gefürchteten "Patent-Trollen" einen Riegel vorzuschieben. So hat das Britische Patentamt eine Sondierung über die Angemessenheit der "Erfindungshöhe" bei der Gewährung von Monopolansprüchen gestartet. Forscher in den USA fordern zudem eine Art "Light"-Patent mit nur vierjähriger Geltungsdauer. Es soll allein für bereits in Produkten implementierte neue Erfindungen erteilt werden. Wichtigstes Ziel beider Vorhaben ist es, juristische Streitereien auf Basis weit gestrickter Patentansprüche durch Organisationen ohne echten Anwendungsbedarf und mit teils nur eingekauften Schutzrechten zu verhindern.

Die Briten wollen laut Hugh Edwardes, dem Vizedirektor der dortigen Patentbehörde, mit ihrer Umfrage die "Fundamente" der Patenterteilung auf den Prüfstand stellen. Seiner Ansicht nach hat die Debatte über Trivialpatente wie den "1 Click"-Anspruch von Amazon.com das gesamte Patentsystem in Verruf gebracht. Immer mehr Leute würden sich beschweren, dass viele von den Patentämtern erteilten Schutzrechte "das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen". Die britische Behörde will daher von Erfindern, Anwälten, Forschern, Verbänden und der allgemeinen Öffentlichkeit wissen, ob die eigene Praxis ungerechtfertigte Monopolansprüche verhindert und nach wie vor Innovationen in der Wirtschaft befördert. Zusätzlich sucht das Amt nach Erfahrungen mit seinen Pendants in anderen Industrieregionen und will auch dort die Debatte über die angestrebte "Qualitätssicherung" bei Patenten und die möglichen Schutzgegenstände forcieren, die in den USA etwa auch Geschäftsmethoden umfassen.

Kern der Studie ist die Frage nach der Erfindungshöhe, einer der wichtigsten internationalen Stellschrauben bei der Patenterteilung. Mit Hilfe dieses Kriteriums und untergeordneter Merkmale wie der Neuheit oder der Nicht-Offensichtlichkeit einer technischen Entwicklung erfolgt momentan die Prüfung von Ansprüchen auf gewerbliche Schutzrechte bei den Patentbehörden. Die Schwerpunkte werden dabei allerdings verschieden gelegt. Die Briten wollen herausfinden, ob tatsächlich zu viele zu einfach und zu weit gestrickte Monopolansprüche durchschlüpfen oder ob der Schutz von Erfindungen eventuell durch zu restriktive Vorgaben behindert wird. Es geht ihnen darum, die viel zitierte Balance bei der Gewährung von Schutzrechten für das geistige Eigentum neu zu justieren. Dies soll notfalls auch über eine nationale Gesetzgebung erfolgen, nachdem die Softwarepatent-Richtlinie in Brüssel gescheitert ist und die Gesetzgebung zum Gemeinschaftspatent auf Eis liegt.

Eine EU-weite Umfrage zu diesem Themenkomplex läuft parallel bereits seit Januar. In Großbritannien hat zudem das Finanzministerium im Dezember den Ex-Chefredakteur der Financial Times, Andrew Gowers, mit der Durchführung einer umfassenden und unabhängigen Evaluation des britischen Rahmens rund ums geistige Eigentum beauftragt. Zuvor hatte ein Richter auf der Insel die Erteilung von Softwarepatenten und die Patentierungspraxis in den USA scharf kritisiert.

Ein Vorstoß für die deutliche Beschränkung der Patentlaufzeiten von momentan 20 auf vier Jahre in den USA erfolgt derweil in einer zugespitzten Debatte über einen Gesetzesentwurf zur Reform des Patentsystems und die Folgen der ständigen Ausweitung gewerblicher Schutzrechte. Träger der Vorschlags sind der Informatikprofessor Lee Hollaar von der University of Utah und das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE). Die Branchenvereinigung hat die Forderungen des Wissenschaftlers nach einem limitierten "Patent 2.0" diesen Monat in ihrem Magazin Spectrum veröffentlicht.

"Es gibt große Probleme mit Patenten, insbesondere mit Softwarepatenten", schreibt Hollaar. Es dauere zu lang, einen Schutz zu erwirken, was insbesondere schnelllebige Hightech-Industrien beträfe. Gewährte Ansprüche würden dann häufig übers Ziel hinausschießen und den Wettbewerb behindern. Den Ausweg aus der Misere soll die Verkürzung der Schutzfrist und das Aussieben von Ansprüchen auf Erfindungen weisen, die nicht gewerblich genutzt werden. Als Hauptkriterium bei der Erfindungshöhe will der Forscher den Neuheitsfaktor beachtet wissen, während die Offensichtlichkeit nicht mehr geprüft werden soll. Dies vermeide langwierige Vergleiche mit unvollständigen Datenbanken zum Stand der Technik ("Prior Art"), da nur noch die Zeitpunkte vergleichbarer Ansprüche auf Erfindungen abgeglichen werden müssten. So könnten Patentanmeldungen und Rechtsstreitigkeiten kostengünstiger gehalten werden. Gleichzeitig wären für die Begutachtung von Anträgen für Vollpatente mehr Ressourcen vorhanden.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)