Neuer Bitkom-Chef will Datensicherheit und Breitbandausbau stärken

Dieter Kempf hat Prioritäten für seine gerade begonnene Präsidentschaft bei dem Branchenverband benannt. Beim Datenschutz sieht er die Gefahr von übereilten Regelungen, bei der Vorratsdatenspeicherung drängt er auf einen neuen EU-Ansatz.

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Dieter Kempf hat Prioritäten für seine gerade begonnene Präsidentschaft beim Bitkom benannt. Datenschutz und -sicherheit sieht der neue Chef des IT-Branchenverbands als Themen, die die Branche dauerhaft begleiten. Die damit verknüpften Probleme könnten nicht endgültig gelöst werden, führte Kempf am Freitag in Berlin aus. Für den größten Teil der Bedrohungsszenarien im Bereich IT-Sicherheit gebe es ausreichend technischen und organisatorischen Schutz, der aber ständig aktuell gehalten werden müsse. Im Mittelstand herrschten hier oft noch Wissensdefizite, aber auch bei größeren Konzernen wie Sony, die jüngst Opfer von Hackerangriffen wurden.

Dieter Kempf

(Bild: bitkom.org)

Schwer abzuwehren hält Kempf Angriffe aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter oder "Social-Engineering"-Attacken. Hier helfe nur ein technischer Kontrollapparat, der das Grundvertrauen in die Belegschaft durch Misstrauen ersetze. Beim EDV-Dienstleister Datev, den der 58-Jährige seit 1996 leitet, würden die Mitarbeiter auf die IT-Sicherheit eingeschworen. Ein Laptop etwa laufe nur mit einem zusätzlichen "Dongle", Daten auf der Festplatte seien verschlüsselt. E-Mail-Anhänge kämen bei Konzernmitarbeitern nur umgewandelt als PDF an, Originalversionen müsse man erst anfordern. Sie würden dann 72 Stunden in einem virtuellen Quarantäne-Bunker verwahrt, um sie mit aktuellen Updates von Anti-Viren-Programmen prüfen zu können.

Beim Datenschutz hält Kempf einen Dreiklang aus gesetzlichem Rahmen, Selbstverpflichtungen der Branche und der Mündigkeit der Verbraucher für nötig. Es bringe hier wenig, deutschen sozialen Netzwerken Selbstkontrollbestimmungen aufzuerlegen, "wenn die Leute dann zu Facebook rennen". Andererseits zeigte sich der Bitkom-Chef zuversichtlich, dass man aus dem Datenschutz made in Germany zum Teil eine "exportfähige Technologie" machen könne. Als Beispiel führte Kempf den elektronischen Personalausweis an. Generell sehe er aber die große Gefahr, dass sich der Datenschutz in der digitalen Welt für "politische Affektregelungen" eigne. Bei Geodatendiensten wie Google Street View oder Microsofts Bing Streetside etwa sei die Möglichkeit, vorab widersprechen zu können, nicht die beste Lösung. Es sei bedauerlich, dass hier im Gegensatz zum Vorschlag des Bitkom zwei Präzedenzfälle geschaffen worden seien, die den Wettbewerb behindern könnten.

Beim Thema Vorratsdatenspeicherung wäre Kempf eine neue, europaweit einheitliche Regelung recht; er ist dafür, die nächsten Schritte der EU-Kommission abzuwarten, wenn die bestehende Richtlinie überprüft wurde. Kempf kann aber auch die Sichtweise des Bundeskriminalamts nachvollziehen, dass die Verbrechensbekämpfung erschwert werde, wenn IP-Adressen nicht nachprüfbar seien. Der Ansatz "Quick Freeze", bei dem erst bei einem konkreten Verdacht Verbindungs- oder Standortdaten aufbewahrt werden, bezeichnete Kempf als "vielleicht richtigen Kompromiss". Dabei müsse aber der Aufwand für die Provider angemessen bleiben.

Bei der Breitbandversorgung mit Glasfaser hat Deutschland laut Kempf einen "erheblichen Nachholbedarf". Die neue Funktechnik LTE werde zwar helfen, Versorgungslücken zu schließen. Es sei aber noch nicht sichergestellt, dass damit gleich überall breitbandige drahtlose Verbindungen verfügbar würden. Für die im Bundestag derzeit diskutierte Ausweitung der Auflagen für einen "Universaldienst", um Breitband für alle zu schaffen, hält der studierte Betriebswissenschaftler nichts: Es passe nicht zusammen, immer den freien Markt zu wollen und andererseits eine Versorgungspflicht festzulegen. Eher müssten Unternehmen, die den Boden aufgraben, verpflichtet werden, Leerrohre zu legen. Damit wären Studien zufolge 80 Prozent der Kosten für den Breitbandausbau gedeckt.

Kempf will sich auch um "intelligente Netze" etwa bei der Energieversorgung mit "Smart Grids" oder der Verkehrstelematik, den Fachkräftemangel und darum kümmern, dass Menschen Lebensphasen wie das Kinderkriegen bei Frauen mit der beruflichen Karriere übereinbringen können. In einer Branche, die ständig von Telekooperation rede, sei zu hinterfragen, dass eine Führungskraft 40 Stunden pro Woche im Büro zu sitzen habe. Ein gesetzlich verordnetes Quotenmodell lehnt Kempf ab. (anw)