Weltweit einzigartig: Prüfstand für Rotorblätter in Bremerhaven

In Bremerhaven ist am Freitag ein neuer Prüfstand für Rotorblätter eröffnet worden. Die neue Testanlage ist auf die immer längeren Blätter ausgerichtet.

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(Bild: Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme, Hauke Müller)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Thomas Hoffmann
  • mit Material der dpa
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Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, weshalb mehr und mehr Windräder auf Land und auf See aufgestellt werden. In Bremerhaven hat das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES), eine Forschungseinrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft, einen neuen Prüfstand für die Rotorblätter der Anlagen eröffnet. Je schneller die leistungsfähigeren Blätter getestet werden, desto schneller können sie zum Einsatz kommen. Was in Bremerhaven passiert, kann deshalb Auswirkungen auf die Energiewende haben.

Windenergieanlagen bestehen aus mehreren Teilen. Dazu gehören Rotorblätter, gegen welche der Wind drückt. Eine Anlage ist in der Regel 20 bis 30 Jahre im Einsatz. Um sicherzustellen, dass die Anlagen und ihre Teile wie Rotorblätter zuverlässig funktionieren, gibt es umfangreiche Zertifizierungsprozesse, wie Steffen Czichon berichtet, der sich beim IWES mit Rotorblättern befasst. In einem großen Testzentrum werden die Blätter der Anlagen vor der Zertifizierung untersucht.

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Prüfer versuchen, in kurzer Zeit die Belastungen zu simulieren, denen ein Rotorblatt während der Lebensdauer ausgesetzt ist. Sie kontrollieren unter anderem, ob ein Blatt wie geplant gebaut wurde. Mehrfach wird mit extremen Lasten an dem Blatt gezogen. Auch gibt es eine Ermüdungsprüfung, bei welcher das Blatt wiederholt in Schwingung versetzt wird. Bis zu zwei Jahre könne das Absolvieren der Tests dauern, sagt Czichon. Am Ende einer Prüfung ist ein getestetes Blatt rechnerisch defekt. Falls der Rotorblatt-Typ den Test bestanden hat, wird dieser nachproduziert.

Das ist unterschiedlich. Rotorblätter werden zunehmend länger, weil dann mehr Strom produziert wird. Darauf stellen sich auch die Prüfer ein. Eine neue Anlage des IWES bietet Testmöglichkeiten für vergleichsweise lange Blätter von mehr als 115 Metern. Der neue Prüfstand ist nach Aussage des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme weltweit einzigartig. Branchenvertreter loben die neue Anlage. Es gibt bislang wenige Prüfstände für längere Blätter.

Prüfstand der neuen Anlage in Bremerhaven.

(Bild: Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme, Hauke Müller)

Blattlängen von 115 Metern und mehr kommen hauptsächlich bei Offshore-Windenergieanlagen zum Einsatz. Hersteller können in der Anlage neben biaxialen Ganzblatttests auch nur einzelne Teilsegmente eines Rotorblattes prüfen. Der modulare und umrüstbare Aufbau des Prüfstandes soll den Wissenschaftlern des Fraunhofer IWES hierbei ermöglichen, flexibel auf Anforderungen zu reagieren und intelligente Testmethoden weiterzuentwickeln.

Zudem lässt sich das Materialverhalten der Rotorblätter testen. Mithilfe spezieller Tests lässt sich ein Rotorblatt in passende Segmente unterteilen, die optimiert und nacheinander getestet werden können.

„Die Entwicklung unserer neuen Windenergieanlage ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die ambitionierten Ausbauziele für die Windenergie zu erreichen. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit dem Fraunhofer IWES den für uns notwendigen Rotorblatttest unseres Prototypen V236-15.0 MW mit einem Rotordurchmesser von 236 Metern durchzuführen, damit wir gesichert in die für 2024 geplante Serienproduktion starten können“, erläutert Christian Fenselau, Chief Specialist Test and Validation, Vestas Wind Systems A/S.

Steffen Czichon betont: „Wir blicken hier in Bremerhaven auf Erfahrungen aus über 40 Prüfkampagnen in den letzten zehn Jahren zurück. Mit unserer Kompetenz tragen wir dazu bei, dass Rotorblätter über ihre gesamte Lebensdauer von über 20 Jahren zuverlässig betrieben werden können. Der neue Prüfstand ergänzt die bestehende Testinfrastruktur und eröffnet neue Möglichkeiten, mit denen wir dem Größenwachstum der Windenergieanlagen gerecht werden können. Das IWES hat einen biaxialen Testaufbau entwickelt, der eine synchronisierte Anregung in Schwenk- und Schlagrichtung ermöglicht. Dadurch werden reproduzierbare Ergebnisse erzielt und die Testzeit kann deutlich verkürzt werden. Wir sind stolz auf unseren neuen Prüfstand und gleichzeitig motiviert, die Testmethoden ständig zu verbessern.“

Mit dem neuen Prüfstand betreibt das IWES jetzt insgesamt drei Testanlagen für Rotorblätter, die alle verkehrsgünstig an der deutschen Küste mit offenem Meerzugang für den Transport liegen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert den Bau mit rund 18 Mio. Euro, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Land Bremen und der Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) steuern rund fünf Mio. Euro bei.

(tho)