Neuer Streit um gesetzliches Zaumzeug für Staatstrojaner
Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri hat "Trojaner-Gesetze" in Bund und Ländern gefordert. Das Münchner Innenministerium lehnt dies entschieden ab und will weiter abhören wie bisher. In Berlin sind die Reaktionen verhaltener.
Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri fordert "Trojaner-Gesetze" für Bund und Länder. Diese seien notwendig, um den Einsatz der Spionage-Software zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung durch die Polizei zu regeln, sagte er nach einer Überprüfung von Maßnahmen zum Abhören der Internet-Telefonie. Der Jurist sprach von einem "tiefdunklen Graubereich", in dem die bayerischen Strafverfolger agiert hätten.
Bei der eigenen Landesregierung ist Petri mit seiner Forderung auf taube Ohren gestoßen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann will die Hinweise des Landesbeauftragten nach eigenen Angaben zwar "sorgfältig prüfen und sie bei der datenschutzgerechten Fortentwicklung der Software zur Quellen-TKÜ einbeziehen". Der CSU-Politiker sieht aber "keinen zwingenden gesetzgeberischen Bedarf", Einzelheiten zur Verwendung von Staatstrojanern festzulegen. Er sei sich mit seiner Kollegin im bayerischen Justizressort, Beate Merk, einig, dass die umstrittene Maßnahme in der Strafprozessordnung (StPO) "ihre Rechtsgrundlage findet und sie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für die Verfolgung schwerer Verbrechen für zulässig erklärt hat".
Mit dem Bericht des Datenschützers sieht Herrmann die Ermittlungsbehörden "klar von den Vorwürfen" entlastet, die in den Medien nach der Aufdeckung des bayerischen Staatstrojaner "0zapftis" durch den Chaos Computer Clubs (CCC) erhoben worden seien. Der Minister hatte den Einsatz vergleichbarer Computerwanzen daraufhin zunächst gestoppt und das nun vorliegende Gutachten angefordert. Er interpretiert dieses so, dass die Überwachungssoftware in Bayern schnellstmöglich wieder in Stellung gebracht werden könne und dafür höchstens noch einige technische Nachbesserungen nötig seien.
Der Koalitionspartner FDP sieht die Sache anders: Für den Innenexperten der Liberalen in Bayern, Andreas Fischer, macht der Datenschutzreport deutlich, dass der Bayerntrojaner nicht mehr verwendet werden darf. Die Opposition im Landtag ist der gleichen Ansicht. Die Staatsregierung sei unfähig, die technischen, rechtlichen und datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Schnüffelsoftware sicherzustellen, hieß es bei der SPD. Die Grünen sprachen von einer "klaren roten Karte" für Herrmann. Die Rechnerwanzen müssten nun endgültig begraben werden. Die Piratenpartei rief den Minister zum Rücktritt auf und stellte Strafanzeige. Die Trojaner seien weit jenseits des rechtlich Zulässigen in Betrieb gegangen.
Auch in Berlin gehen die Meinungen über den Bundestrojaner und Verfahren zum Abhören von Voice over IP (VoiP) nach wie vor weit auseinander. Das Bundesinnenministerium sei der Auffassung, dass die Paragraphen 100a und b StPO im Einklang mit der Rechtsprechung eine "geeignete Rechtsgrundlage" für die Quellen-TKÜ darstellten, erklärte ein Sprecher von Ressortleiter Hans-Peter Friedrich (CSU) gegenüber heise online. Man könne sich aber auch eine Neufassung der Telekommunikationsüberwachung insgesamt vorstellen, mit der klarere Regeln fürs das Anzapfen von VoiP vor einer Ver- oder nach einer Entschlüsselung verbunden wären.
Schon heute gibt es laut dem Sprecher für das Bundeskriminalamt (BKA) eine entsprechende Verdeutlichung in Paragraph 20l des Gesetzes, das den Spielraum für die Polizeibehörde absteckt. Darin heißt es, dass im Rahmen einer TKÜ in IT-Systeme von Verdächtigen eingegriffen werden darf, wenn ausschließlich laufende Gespräche betroffen seien. Zudem muss die Maßnahme nötig sein, um das Abhören insbesondere auch verschlüsselter Kommunikation zu ermöglichen. Für die technische Ausgestaltung der Überwachungssoftware habe das beim BKA eingerichtete "Kompetenzzentrum zur Bekämpfung der Internetkriminalität" mittlerweile eine "Leistungsbeschreibung" erstellt. Diese befinde sich derzeit in der Abstimmung mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.
Bewährt hat sich laut Bundesinnenministerium ferner die Bestimmung zu heimlichen Online-Durchsuchungen im BKA-Gesetz, die weitergehende Zugriffe auf Festplatten und andere Hardware zulässt. Sie sei als "Ultima Ratio"-Maßnahme ausgestaltet und bislang "in einem Fall erfolgreich angewendet worden".
Beim Innenexperten der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, haben sich dagegen die Zweifel erhärtet, ob Staatstrojaner im Einklang mit den Grundrechten auf IT-Systeme losgelassen werden können. Nach dem Stand der Technik und der Breite der auf einem Rechner gespeicherten privaten Lebenswelten, sei es auf jeden Fall nicht möglich, die Software bürgerrechtsfreundlich zu nutzen. Der Oppositionspolitiker appellierte an das Innenressort, die Hände von dem Verfahren zu lassen. In Ländern wie Schleswig-Holstein, wo die Grünen mit an der Regierung sind, werde dies bereits so gehandhabt. Als besonders problematisch bezeichnete es von Notz, wenn Trojaner gar von der privaten Wirtschaft im Staatsauftrag entwickelt würden. Dies öffne dem Export der digitalen Wanzen auch in Unrechtsstaaten Tür und Tor.
(keh)