Neuer Vertrag über Registry der .com-Domains
Hinter geschlossenen Türen handelte die Internet-Verwaltung ICANN einen neuen Vertrag mit VeriSign über den Betrieb der Registrierungsdatenbank für alle .com-Domains aus. Hoster, Provider und Registrare zeigen sich überrascht.
Beobachter hatten sich schon gefragt, was VeriSign für das Zurückziehen aller Klagen gegen die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und die gütliche Einigung über neue Registry-Services bekommen hat. Nicht wenig, wie eine Mitteilung der privaten DNS-Verwalter zeigt: Überraschend wird ein neuer Vertrag zwischen ICANN und VeriSign, dem Betreiber der Registrierungsdatenbank (Registry) für die .com-Domain, vorgelegt. Der Vertrag wird zwar dieses Mal — anders als beim Abkommen für die Registrierungsdatenbank der .net-Domain — erst noch einmal zur Kommentierung durch die ICANN-Öffentlichkeit freigegeben; ein Datum, zu dem die öffentliche Kommentierung abgeschlossen sein soll, hat die ICANN allerdings nicht veröffentlicht, der Fristablauf könnte ebenso plötzlich kommen wie der Vertrag selbst.
Erstaunt reagierte Tom Keller, der für den Hoster Schlund+Partner im ICANN-Gremium der Firmen sitzt, die Dienstleistungen für Domain-Registrierungen anbieten (Registrare). Von einem neuen .com-Vertrag war bislang in den Verhandlungen zwischen den beiden Kontrahenten nicht die Rede. Gerade eben hatte ICANNs Vorstand den nachgebesserten .net-Vertrag verabschiedet, dessen Abfassung hinter geschlossenen Türen zu großen Streit zwischen ICANN und Registraren geführt hatte. Auch der .com-Vertrag sei einmal wieder hinter verschlossenen Türen gemacht worden, meinte Keller. Selbst wenn positiv sei, dass drei juristische Auseinandersetzungen damit von ICANNs Tisch sind, kommentierte Keller, habe sich VeriSign "ausreichend teuer verkauft".
Ein erster Blick auf das dicke Vertragspaket erlaubt VeriSign unter anderem eine Erhöhung der Registry-Preise um sieben Prozent jährlich ab Ende 2006. Eine Reihe neuer Registry-Dienste werden mit dem neuen Vertrag durchgewunken, für die anderen werden genaue Verfahren festgelegt. Auffällig dabei ist, dass mehr Punkte die Dinge regeln, die ICANN nicht darf, als Fälle, in denen die Internet-Verwaltung etwas zu sagen hat. So darf die ICANN die Preise von Registry-Services nicht vorschreiben oder begrenzen und sie darf beispielsweise die Verfahren zur Einführung der Services für drei Jahre nicht verändern. Die Standards, die für die Dienste gelten sollen, werden laut Vertrag sogar unbegrenzt gelten — einschließlich der Definition von Sicherheit und Stabilität, auf die man sich in der Vereinbarung über die Beendigung des Streits um Registry-Services geeinigt hat.
Ebenfalls unberührt müssen die Preisvereinbarungen bleiben, die Definition der Registry-Services, die Verpflichtungen von VeriSign gegenüber ICANN und die Beschränkungen bei der Verabschiedung neuer ICANN-Regeln durch die versammelten ICANN-Gremien. Schließlich kann ICANN nichts mehr an der Vereinbarung für Verlängerungen des neuen .com-Vertrags ändern: Damit erscheint eine mögliche Neuausschreibung auch nach dem zur Sicherheit gleich einmal bis 2012 festgeschriebenen Vertrag praktisch unmöglich. VeriSign wird .com ebenso wie .net nicht mehr preisgeben, die beiden Kontrahenten dürfen sich auf eine lange Ehe einstellen.
Möglich, dass diese Aussicht das Motiv für die Einigung zwischen den beiden Parteien ist. So heißt in einer Klausel des Vertrags, dass VeriSign damit einverstanden ist, sich ab dem Datum, an dem der Vertrag in Kraft tritt, von Aktionen fernzuhalten, die ICANNs Rolle unterminieren können. Auch werde VeriSign Dritten keinerlei Geld oder Unterstützung für solche Aktionen zur Verfügung stellen. Das ganze wirke eher wie eine "Abschwörungserklärung unter der Inquisition", kommentiert Werner Staub vom VeriSign-Gegenspieler CORE. Besonders lustig sei die Selbstverpflichtung, dass VeriSign eine privatwirtschaftliche Lösung weiterhin unterstützen solle, kommentiert Staub: "Ein Vertrag muss zu Handlungen und Unterlassungen, nicht zu Worten und Gedanken verpflichten."
Tatsächlich dürften solche Regelungen auch dem Druck geschuldet sein, unter dem ICANN wegen des Streits um die Kontrolle über das Internet beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft steht. Die Unterstützung der US-Regierung zu verlieren, zu der VeriSign gute Kontakte nachgesagt werden, kann man sich da kaum leisten. Der internationalen Staatengemeinschaft wird aber in weiser Voraussicht kommender Kritik beim WSIS auch etwas geboten: Ein Teil der nicht unbeträchtlichen Registry-Gebühren soll in die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern gehen, heißt es im Vertrag.
Eine weitere neue Regelung war für viele Beobachter Anlaß für noch mehr Befremden: Sie besagt, dass das Management von Arpa-Domain und DNS-Rootzone an die ICANN innerhalb des kommenden Jahres übergeben wird. Die .arpa-Domain (mittlerweile als Address and Routing Parameter Area ausgeschrieben) besteht als Verwaltungs- und Infrastrukturdomain — beispielsweise ermöglichen in-addr.arpa und ip6.arpa DNS-Reverse-Lookups für IPv4 beziehungsweise IPv6, e164.arpa ist für das Mapping von Telefonnummern auf Webadressen (ENUM) vorgesehen. Die DNS-Rootzone ist die letztlich bestimmende Instanz für die im Internet gültigen Domains. Nach den Regelungen des neuen Vertrags zwischen ICANN und VeriSign soll die ICANN — und nicht VeriSign — Änderungen für .arpa und die zentrale DNS-Rootzone "editieren, signieren und verbreiten" dürfen. (Monika Ermert) / (jk)