Neues Leben für alte Trends - die Fotonews der Woche 20/2023

Eine beliebte Plugin-Sammlung wird endlich runderneuert, Pentax lässt sich in die analogen Karten sehen – und die Notwendigkeit von KI-Regeln wird drängender.

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Eine Landschaftsszene, in der ein U-Point der Software Nik Collection gesetzt ist.

Mit nur einem Klick lässt sich in der Nik Collection wählen, welcher Bereich des Bildes bearbeitet werden soll.

(Bild: DxO)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Nach der Kameraflut der letzten Woche herrscht jetzt naturgemäß etwas Ebbe, aber auch im flachen Wasser findet sich immer Interessantes. Zu Beginn eine kleine Rückblende zum Anfang der 2000er-Jahre, die gleich noch sehr relevant wird. Die Superprofis montierten damals schon mit Photoshop zig Ebenen zusammen, pinselten umfangreiche Beauty-Retuschen aufs Grafiktablett – und der ambitionierte Fotograf mit kleinem Budget mühte sich mit mehr schlecht als recht funktionierenden Automatikfunktionen von günstiger Software herum.

Bis dann die Plug-in-Sammlungen von Nik Software erschienen. Die vereinten geschmackvolle, nicht allzu aggressive Automatiken für einen bestimmten Look mit der ganz einfachen Auswahl von den Bereichen, auf die sie angewendet werden sollten. Diese "U-Point" genannten Werkzeuge sind viel intuitiver zu bedienen als Masken und Ebenen, obwohl sie ähnlich genaue Ergebnisse erzeugen. Bis 2008 war die Produktpalette dann neben dem ersten Paket Color Efex bis hin zu HDR- und Schwarz/Weiß-Filtern samt Plug-ins für Photoshop-kompatible Programme komplett, und dann geschah – nichts.

Erst übernahm Google 2012 das finanziell angeschlagene Unternehmen Nik Software und stellte die Fotofilter als "Nik Collection" 2016 zum kostenlosen Download zur Verfügung. Wohlgemerkt: Weiterentwickelt wurde daran schon acht Jahre lang kaum noch etwas, und beispielsweise den einst unverzichtbaren Rauschfilter Dfine hatten längst andere Tools überholt. Google saß da – wie so oft – auf einem wahren Schatz von Software und es war abzusehen, dass die Nik-Programme auf dem berüchtigten Friedhof von Google-Produkten landen würde.

Etwas Hoffnung für die Fans der U-Points gab es erst, als DxO Google die Nik-Software abkaufte, und seitdem erscheinen kontinuierlich neue Versionen. Erst kostenlos, und nun mit der DxO Nik Collection 6 nur noch gegen Bezahlung – die ist aber moderat ausgelegt, 149 Euro kostet der Neukauf, Updates von Version 4 und 5 sind für 79 Euro möglich. Dafür gibt es nicht nur die gewohnten Plug-ins, sondern auch Standalone-Programme, zudem ist nun neben Integration in Photoshop-kompatible Software auch die Nutzung mit Affinity Lab möglich. Eine Lizenz darf auf drei Rechnern aktiviert werden, und selbst das betagte Dfine wurde auf modernen Stand gebracht – den Rest der neuen Funktionen beschreibt eine ausführliche Meldung.

Die Nik Collection nahm vor gut 20 Jahren auch den Schmerz, den mancher beim Umstieg von der Analog- zu Digitalfotografie verspürte, den das Plug-in Analog Efex enthielt unter dem originalen Namen den Look beliebter Filme. Heute als "Vintage" oder "Retro" in den Filtern jedes sozialen Netzwerks zu finden, sind die anlogen Eigenheiten von Farbe, Kontrast und Rauschen weiterhin beliebt. Und, wie Studien von Pentax in Japan und weltweit immer wieder zeigen, insbesondere auch bei jungen Menschen.

Und für die ist auch die seit gut einem halben Jahr bekannte Entwicklung einer neuen Kamera für 35-Millimeter-Film hauptsächlich gedacht. Da die aktuelle Generation mindestens mit digitalen Kompaktkameras, wenn nicht gar gleich mit dem Smartphone als einzigem Bildfänger aufgewachsen ist, soll auch die neue Pentax klein werden. Eine Kompaktkamera mit fest verbautem Objektiv ist der Plan, und wenn schon analog, dann gleich richtig: Der Film wird mit einem Hebel transportiert, den Namen als "Aufzieh-Kamera" hat die Pentax sicher bald weg. Wie schnell jahrzehntelang wichtiges Wissen verloren geht, zeigt sich hier auch, denn einige frühere Pentax-Ingenieure fanden im Ruhestand befragt die ersten Entwürfe für die Mechanik gar nicht toll, was wohl für das aktuelle Entwicklerteam bedeutet: Zurück ans Reißbrett und CAD-Programm. Das ist wörtlich gemeint, denn Pentax zufolge waren die ersten Ideen tatsächlich auf Papier skizziert worden.

Leica ist da einen Schritt weiter, wenn auch im digitalen Bereich, denn: Die unbestätigten, aber nun vollständigen technischen Daten zur Q3 sind jetzt da. Sie lassen die tatsächlich beste Kompaktkamera mit Vollformat-Sensor vermuten, die aber wohl Leica-typisch einer kleinen Zielgruppe vorbehalten bleibt: Schon der Vorgänger Q2 wurde seit Vorstellung 2019 immer teurer und kratzt inzwischen an der Marke von 6.000 Euro – billiger wird die Q3 kaum werden. Und das, wo viele Elemente wie der Sensor und der Prozessor dem Vernehmen nach von der M11 übernommen wurden. In wenigen Tagen wird man sehen, was an den Gerüchten alles dran ist, denn die Vorstellung der Q3 soll bald erfolgen.

Ganz so schnell geht das mit einer sinnvollen Regulierung zur Nutzung von KI-erzeugten Bildern nicht. Der Verlockung des Bildes, das kein reales Geschehen zeigt, erlag nun auch der renommierte US-Fotojournalist Michael Christopher Brown, der lange Jahre für National Geographic, Magnum oder die New York Times arbeitete. Er erstellte eine Bilderserie namens "90 Miles", die Krisenherde, humanitäre und politische Zerwürfnisse der letzten Jahrzehnte illustriert – und zwar ausschließlich mit Midjourney. Da Brown bei einigen der Ereignisse selbst mit der Kamera vor Ort war, sind seine Ergebnisse verblüffend nah an einer echten Darstellung, nur: Die Menschen, die Orte, gibt es so wie gezeigt nicht.

Sein Ansatz war, die "nicht zugänglichen Geschichten" mit Bildern zu erzählen, und das bringt immerhin einen neuen Aspekt in die Debatte um Generative AI ein. Nur: Wenn man dann wie Brown so weit geht, einige der Bilder auch als NFT quasi als nicht fälschbares Original zu verkaufen, überwiegt wohl die Gewinnerzielungsabsicht die Idee hinter einer Illustration dessen, was nicht als Foto festgehalten werden konnte. Schrieben wir in der gedruckten c´t Fotografie vor einigen Wochen, dass sich nun mit KI-Bildern Geschichte fälschen lässt, bevor sie geschieht, so hat Brown den Beweis erbracht, dass das auch mit der tatsächlichen Vergangenheit überzeugend möglich ist. Auf die auch bei Browns Arbeiten immer noch nicht perfekten Hände der synthetischen Personen achtet bei Weitem nicht jeder.

Dass die Bilder auf den ersten Blick überzeugen liegt wie im Fall des Wettbewerbssieges für ein KI-Bild an der Tatsache, dass erfahrene Fotografen die Prompts für die Generatoren geschrieben haben. Wenn die Aussage des Bildes nicht so wichtig ist, sondern es vielmehr um einen bestimmten, durchaus auch künstlerischen Look geht, klappt das viel einfacher. Und zwar mit recht einfachen Prompts, wie jetzt auch der Hausjustiziar unseres Verlages, Jörg Heidrich gezeigt hat. Von ihm stammt auch der Leitfaden zur Frage, wie sich Fotografen vor der Verwendung ihrer Bilder als Trainingsdaten schützen können.

(nie)