Neues von Ruff

Der erfolgreiche Fotokünstler Thomas Ruff besinnt sich auf alte Techniken. Doch er simuliert sie nur, und zwar mit Hilfe eines modernen Supercomputers. Manchmal aber würde Ruff gern einfach nur mit der Kamera fotografieren, so wie früher.

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Von
  • Dorothea Hülsmeier

Es gibt in der Kunst Maler und Bildhauer. Und es gibt die Lichtbildner. Zu ihnen gehört der Fotokünstler Thomas Ruff, der zusammen mit Andreas Gursky und Thomas Struth die Speerspitze der Düsseldorfer Fotoschule bildet. Mit der Technik des Fotografierens haben Ruffs neue Werke allenfalls noch als gedanklicher Vorstellung zu tun. In einer Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle ist zu sehen, wie der 1958 im Schwarzwald geborene Ruff die Grenzen der Fotografie sprengt.

Fünf Serien aus 35 Jahren sind in der Ausstellung "Lichten" zu sehen, von den neutral-sachlichen Anfängen als Student der legendären Becher-Klasse bis hin zu der seit 2012 entstandenen "phg"-Serie. Größer könnte der Kontrast kaum sein: In einem Raum hängen die Ende der 70er Jahre in der vergessenen analogen Technik und ohne künstliches Licht fotografierten spießbürgerlichen Interieurs – Betten, Bäder, Topfpflanzen.

In einem anderen Saal prangen großformatige und gemäldeartige Kompositionen. Ruff hatte sich dafür zunächst zurückbesonnen auf die in den 20er Jahren etwa bei Man Ray beliebte Technik des Fotogramms. Dabei wurden Linsen, Stäbe oder Spiralen – alles was in Dunkelkammern damals so herumlag – direkt zum Belichten auf lichtempfindliches Papier gelegt.

Ruff aber simuliert Fotogramme nur. Er ließ sie in der virtuellen Dunkelkammer des Superrechners «Juropa» des Forschungszentrums Jülich entstehen, sein Studiocomputer hätte die immensen Datenmengen nicht verarbeiten können. Heraus kamen farbprächtige abstrakte Kompositionen, die teilweise an die Malerei der klassischen Moderne erinnern, an Chagall, Klee oder Kandinsky. "Dafür kann ich nichts, das passiert einfach", sagt Ruff dazu. "Was auf dem Papier passiert, wird mehr und mehr abstrakt."

Auch in seiner jüngsten, erst in diesem Jahr entstandenen Serie "Negative" experimentiert Ruff wieder mit einem fast vergessenen historischen Bildverfahren. Er stieß in seiner eigenen Sammlung auf Fotografien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts: Akte, prunkvolle Maharadschas der Kolonialzeit, repräsentative Künstlerateliers. Am Computer kehrte Ruff die im typischen Sepiabraun gehaltenen Positivabzüge um in Negative und übernahm den kalten Blauton. Ruff verschaffte damit dem in Zeiten der digitalen Fotografie verschwundenen Negativ einen neuen Auftritt. "Wir haben das Negativ nie angeschaut und immer nur ins Labor gegeben", sagt Ruff. Es sei "mal wieder Zeit gewesen", das zu ändern.

Künstler oder Astronom wollte Ruff einst werden. Er entschied sich für die Kunst. Sein Leitgedanke in der Ausstellung ist das Licht. "Lichten" ist im Flämischen die Mehrzahl von "Licht". Ruffs Sternenbilder wie auch die zur Zeit des Golfkriegs Anfang der 90er Jahre mit Nachtsichtgeräten aufgenommen Straßenszenen sind zu sehen. Das dem heimischen TV-Publikum aus Aufnahmen nächtlicher Bombardements bekannte giftgrüne Licht erhellt bei Ruff die menschenleeren Straßen Düsseldorfs.

Am Schluss aber verrät Ruff, dass er gern mal wieder eine richtige Kamera in die Hand nehmen und durch die Gegend laufen würde – wenn er denn eine Idee hätte. (keh)