Niederösterreich will Mobilfunksender besteuern

Die Abgeordneten berufen sich auf ein "Abgabenerfindungsrecht" des Landes und bezeichnen ihr Gesetz als "fiskalisches Lenkungsmodell", das die gleichzeitige Nutzung von Bauwerken für Sendeanlagen mehrerer Netzbetreiber fördern soll.

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Erstaunlich flink wollen die Regierungsparteien in Niederösterreich eine neue Abgabe auf Mobilfunksender einführen. Am Dienstag wurde ein Sendeanlagenabgabengesetz vorgelegt, das am gestrigen Donnerstag durch den Finanzausschuss gewunken wurde. Er soll bereits am Montag in der Budgetsitzung des Landtags beschlossen werden. Es handelt sich um einen Initiativantrag von Abgeordneten der Regierungsfraktionen ÖVP und SPÖ. Auf diese Weise entfällt die Begutachtung des Gesetzes durch Experten, da diese nur für Regierungsvorlagen verpflichtend ist. Gleichzeitig hatte die Opposition nicht einmal 48 Stunden Zeit, sich mit dieser und anderen wesentlichen Neuerungen zu befassen. Die Grünen fordern daher eine Änderung der Geschäftsordnung. Auch die Mobilfunk-Netzbetreiber sind alarmiert und fühlen sich überrumpelt: "Ich habe den Eindruck, die wollen einfach ein Budgetloch stopfen", sagte Thomas Barmüller, Sprecher des Branchenverbandes Forum Mobilkommunikation (FMK) zu heise online. "Das erklärt auch die Eile."

Ab 2006 sollen in Österreichs größtem Bundesland in Tarifstufe 1 jährlich 21.000 Euro pro Sendeanlage anfallen. Tarifstufe 2 (13.000 Euro je Unternehmen und Jahr) kommt zur Anwendung, wenn zwei verschiedene Mobilfunker auf einem Bauwerk vertreten sind; 9.000 Euro (Stufe 3) müssen schließlich jährlich pro Sendeanlage und Betreiber bezahlt werden, wenn sich drei oder mehr Netzbetreiber einen Standort teilen. Die Beträge erhöhen sich automatisch durch einen Inflationsausgleich. Der vorgesehene Gesetzestext beschreibt nur undeutlich, was eine "Sendeanlage" im Sinne des Gesetzes ist. Aus den Erläuterungen kann geschlossen werden, dass für jeden Antennenkranz extra kassiert werden soll. (Meist erfolgt die Ausstrahlung von GSM 900, GSM 1800 und UMTS über getrennt montierte Emitter.) Selbst wenn jeder Standort nur einmal Zahlungspflichten auslöst, dürften die Einnahmen bereits im ersten Jahr 65 Millionen Euro überschreiten. Das Geld soll je zur Hälfte zwischen dem Bundesland und allen Gemeinden aufgeteilt werden. Nicht bezahlen müssen Betreiber von Sendeanlagen, die nicht für öffentlichen Mobilfunk genutzt werden. Ebenso befreit sind Mobilfunksender auf öffentlichen Grundstücken, sowie Mikrosender, die weniger als vier Watt leisten.

Die Regierungsabgeordneten berufen sich auf ein "Abgabenerfindungsrecht" des Landes und bezeichnen ihr Gesetz als "fiskalisches Lenkungsmodell", das die gleichzeitige Nutzung von Bauwerken für Sendeanlagen mehrerer Netzbetreiber (Site-Sharing) fördern soll. Diese Förderung sei notwendig, um Grundstücksentwertungen durch optische Effekte von Sendeanlagen entgegenzuwirken. Eine Entschädigung der betroffenen Grundstückseigentümer aus den eingenommenen Mitteln ist jedoch nicht vorgesehen. Auch die Einnahmen jeder Gemeinde sind von der Zahl der Sender unabhängig. Dass Niederösterreich die höchste Sharing-Quote aller Bundesländer hat, stört offenbar auch nicht.

"Zudem schafft die unmittelbare Nähe von 'Handymasten' besondere Betroffenheit der Bürger, wobei insbesondere auch gesundheitliche Bedenken laut werden", heißt es im Antragstext. Warum die Erhöhung lokaler Immissionen durch die Kumulierung möglichst vieler Sender an einem Standort die gesundheitlichen Bedenken der Bürger reduzieren soll, bleibt offen. Ebenfalls nicht erklärt wird, warum andere Sender oder schwache Mobilfunksender das Ortsbild weniger beeinträchtigen und daher nicht besteuert werden. Kritiker mutmaßen, dass die betreibenden Politiker aus wahltaktischen Gründen eine direkte Besteuerung von Bürgern vermeiden wollten. Aus den Unterlagen geht nämlich hervor, dass sie der Auffassung sind, dass "(GSM-Mikroantennen) auch in privaten Haushalten in Form von sog. 'Rootern' [sic] verwendet werden" können.

Der Antrag verspricht Einnahmen von 45 Millionen Euro pro Jahr, wenn die angestrebte Quote der Sharing-Standorte von 60 Prozent erreicht wird. Branchenbeobachter halten diesen Zielwert für unerreichbar. Im März 2004 lag er in Niederösterreich bei zwölf Prozent, in allen anderen Bundesländern darunter (Bundesschnitt 6,58 Prozent). Die Netzbetreiber sind bereits bundesgesetzlich zu Site-Sharing verpflichtet, wenn die Netzplanung dies ermöglicht. Außerdem setzen die Mobilfunker beim Bau der UMTS-Netze aus Kostengründen auf die Nutzung bestehender Anlagen. Bisweilen ist aber die mehrfache Nutzung von Standorten aus statischen Gründen oder aus Mangel an Platz für Basisstationen/Node-B, Notstromversorgungen und Kühlanlagen nicht möglich. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)