Noch immer keine Einigung zum WIPO Broadcasting Treaty

Die Verhandlungen über einen Schutz von Rundfunk- und Kabelanbietern können laut Jukka Liedes möglicherweise scheitern. Der Vorsitzende des derzeit in Genf tagenden Ständigen Ausschusses für Urheber- und verwandte Rechte gibt sich aber optimistisch.

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Von
  • Monika Ermert

Ob das seit Langem geplante Abkommen zum Schutz von Rundfunk- und Kabelanbietern bei der World Intellectual Property Organisation (WIPO) wirklich kommt, ist noch ungewiss. Ein Scheitern der seit Mittwoch wieder aufgenommenen Verhandlungen sind nach Aussage von Jukka Liedes, dem Vorsitzenden des derzeit in Genf tagenden Ständigen Ausschusses für Urheber- und verwandte Rechte, noch immer möglich. "Wenn wir nach dem zweiten außerordentlichen Treffen im Juni keine Einigkeit erzielt haben, wird es keine diplomatische Konferenz geben," sagte Liedes gegenüber heise online.

Eine Seite wolle den Sendern umfassende Rechte sichern, die andere Seite wolle ein einfaches Verbot der "Signalpiraterie". Trotzdem glaubt Liedes, dass man einen Vertragsabschluss noch hinbekommen kann. Liedes hat in Genf dazu mehrere Kompromisspapiere vorgelegt, unter anderem zur klareren Defintion von Rundfunk, Signal und Programm. Ziel sei es nun, den Vertrag explizit stärker auf "Signalpiraterie" zu fokussieren. Kritiker bis hin zur Unesco hatten im vergangenen Jahr davor gewarnt, dass das vorgelegte Vertragsdokument neue Exklusivrechte speziell für Rundfunkunternehmen schaffe, die mit den eigentlichen Urheberrechten der Produzenten oder Autoren – das sind häufig nicht die Rundfunkunternehmen – kollidierten. In rund hundert Ländern gebe es allerdings schon jetzt spezielle Leistungsschutzrechte für Rundfunkunternehmen. "Also scheint eine klare Differenzierung nicht ganz so schwierig zu sein", meint Liedes.

Genau an den Differenzen darüber scheiterte allerdings bei der Generalversammlung der WIPO im vergangenen September der Antrag, den WIPO Broadcasting Treaty bereits im Sommer 2007 zu verabschieden. Die Generalversammlung der WIPO hatte dem Ständigen Ausschuss Urheberrecht zwei Nachsitz-Termine verordnet, um nicht mit zu vielen Streitpunkten in die abschließende diplomatische Vertragskonferenz zu gehen. Liedes regt in seinem Kompromisspapier an, die exklusiven Rechte auf das Verbot der zeitgleichen oder -versetzten Verbreitung und der Aufzeichnung des Rundfunksignals zu konzentrieren.

Inzwischen werde beim Schutz vor Signalpiraterie offensichtlich lediglich an den Schutz des Life-Signals gedacht, schreibt Liedes. Die Absicherung von Programmen nach der Ausstrahlung könne etwa durch "andere Schutzvorschriften" erfolgen, die nicht als Eigentumsrechte definiert seien. Abgesehen von diesen etwas kleinlichen Definitionen ist er allerdings sicher: "Sehr viele Delegationen halten technische Schutzmaßnahmen und einen für sie geltenden Umgehungsschutz für unverzichtbar." Wenn man sich auf den Schutz des Signals konzentriere, müsse dann wohl einfach die Entschlüsselung des Signals verboten werden.

Gegen diesen Umgehungsschutz wandten sich einmal mehr Bürgerinitiativen wie IP Justice und das Netzwerk Freies Wissen, die in Genf gemeinsam von Petra Buhr vertreten werden. Sie kritisierte in ihrer ersten Stellungnahme zudem, dass der Vertrag keine verpflichtenden Schrankenregelungen vorsehe und nach wie vor Blogger oder Podcaster bedrohe, die Programmausschnitte über ihre Seiten verbreiteten. Buhr beurteilte übrigens die angelaufenenen Verhandlungen sehr viel weniger optimistisch. In den ersten 36 Stunden wurde in Genf bislang lediglich über Verfahrensfragen debattiert, darunter, wie die Kompromisspapiere von Liedes einzusetzen seien. Vertreter nationaler Regierungen hätten sich bislang bedeckt gehalten.

Allerdings scheint die US-Regierung laut US-Berichten inzwischen stärker auf die Linie der im vergangenen Jahr sehr kritischen Technologieunternehmen und Carrier eingeschwenkt zu sein, die fordern, private Aufzeichnungen von Programmen und die erneute Sendung im Heim-Netz ausdrücklich von den Signalpiraterie-Verboten auszunehmen und zudem Signal-Transporteure von der Verwantwortung für mögliche Rechtsverstöße freizustellen. Die Europäer andererseits befürworten demgegenüber laut US-Berichten, dass lediglich etablierte Rundfunk- und Kabelunternehmen und nicht jeder "Sender" in den Genuß des Schutzes kommt. Gestern wurde in Genf bis 22 Uhr getagt, ein Durchbruch ist noch nicht in Sicht. (Monika Ermert) / (anw)