Nuklearenergie und CCS: Europas Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA

Das europäische Parlament bereitet mit der Netto-Null-Industrie-Verordnung den Weg für die Förderung von Nuklearenergie und CCS-Technologien.

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Das Europäische Parlament am 21. November 2023.

(Bild: europarl.europa.eu)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Das Europaparlament stimmte am Dienstag mit 376 Stimmen bei 139 Gegenstimmen und 116 Enthaltungen für die Netto-Null-Industrie-Verordnung. Ziel ist es, Kapazitäten für die Produktion strategisch wichtiger klimaneutraler Technologien bis 2030 auf mindestens annähernd 40 Prozent des europäischen Bedarfs zu bringen und 25 Prozent des Weltmarktwerts zu stellen. Erfasst wird die gesamte Lieferkette von Netto-Null-Technologien, einschließlich Komponenten, Materialien und Produktionsmaschinen.

Mit der geplanten Verordnung soll die EU unabhängiger von Importen werden, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig den Übergang zur Klimaneutralität beschleunigen. Auch will sie die Produktion von Windrädern, Solaranlagen, Batterietechnologie, Wärmepumpen oder Elektrolyseure wieder nach Europa zurückholen, sie sollen künftig schneller genehmigt und besser gefördert werden.

Die Verordnung wird noch im Rat der europäischen Mitgliedstaaten verhandelt, das wird für den 7. Dezember erwartet. Der abschließende Trilog soll noch vor Weihnachten beginnen.

Die Rechtsvorschriften umfasst eine Liste der Technologien, die regelmäßig aktualisiert werden soll. Dazu gehören nicht nur Wind- und Solaranlagen, sondern auch Kernspaltungs- und Fusionstechnologien, nachhaltige Flugtreibstoffe (SAFs) und spezifische Industrietechnologien wie Technologien für das Abscheiden und Speichern von Kohlendioxid (CCS).

Der christdemokratische EU-Abgeordnete und Berichterstatter Christian Ehler sieht in der Industrie-Verordnung "eine erste klare Antwort auf den amerikanischen Inflation Reduction Act". Dazu gehörten "schnellere Genehmigungsverfahren, Deregulierung und einen Vorrang für Innovation". Der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Tiemo Wölken betonte, dass Nukleartechnologie auf europäischer Ebene nicht als strategisch anerkannt werde. Sie könne die ohnehin begrenzten Finanzmittel strapazieren und effizientere Investitionen, etwa in Solarenergie, verdrängen. In den USA sei die Subventionierung für sogenannte Small Modular Reactors (SMR) zu einem Milliardengrab geworden.

Das Europäische Umweltbüro (EEB), ein europäisches Umweltverbands-Netzwerk, kritisierte, dass Kernenergie sowie CCS-Technologien zu den strategischen Netto-Null-Technologien gehören sollen. CCS solle "angesichts der Kosten, der unbewiesenen Ergebnisse und der verlängerten Einsatzzeit" nur für Emissionen in Betracht gezogen werden, die nicht direkt vermieden werden können. Mit Kernenergie und kleinen modularen Reaktoren würden Steuergelder verschwendet, ohne dass der EU-Industrie strategische Unterstützung geboten werde.

Mit gestrafften Genehmigungen sollen Investitionen erleichtert werden; reguläre Projekte sollen in bis zu neun Monaten, strategische innerhalb von zwölf Monaten genehmigt werden. Das EEB weist darauf hin, dass in Natura-2000-Gebieten Industriecluster eingerichtet und Industrieprojekte ohne behördliche Kontrollen durch strengere Fristen und stillschweigende Genehmigungsregeln genehmigt werden können.

Auftraggeber der öffentlichen Hand sollen verstärkt bei europäischen Herstellern einkaufen können. Bei Vergaben soll nicht mehr nur der billigste Preis zählen, sondern auch, "ob Nachhaltigkeit und Europas Widerstandsfähigkeit damit gestärkt werden". Hohe Arbeits- und Umweltstandards dürfen außerdem zu den Auswahlkriterien gehören.

Ob die Verordnung die gewünschten Investitionsgelder anlocken wird, ist nicht klar. Das dazu gehörende Investitionspaket Strategic Technologies for Europe Platform (STEP) würde 10 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln für saubere Energien oder Biotechnologie bereitstellen. Hinter dem Inflation Reduction Act (IRA) der USA stehen hingegen mögliche öffentliche Klimainvestitionen in Höhe von 1,2 Billionen US-Dollar sowie Steuererleichterung für den Bereich der sauberen Energien. Darauf weist ein Bericht des European Climate Neutrality Observatory (ECNO) hin.

(anw)