Obermann entschuldigt sich bei Bespitzelten per Telefonanruf

Der Chef der Telekom greift persönlich zum Hörer und ruft die 55 ausspionierten Journalisten, Aufsichtsräte, Vorstandsmitglieder und Gewerkschafter an. Der bespitzelte ver.di-Chef Frank Bsirske wirft der Telekom "Stasi-Methoden" vor.

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  • dpa

Telekom-Chef René Obermann entschuldigt sich bei den Betroffenen der Bespitzelungsaffäre persönlich am Telefon. Bereits am Freitag begann Obermann damit, erste Betroffene anzurufen. Das bestätigte ein Sprecher des Unternehmens am Freitag in Bonn auf dpa-Anfrage. Nach bisherigen Erkenntnissen der Bonner Staatsanwaltschaft wurden insgesamt 55 Menschen illegal ausspioniert, darunter auch sieben Journalisten. Zu dem Personenkreis gehören zudem Mitglieder der Aufsichtsräte der Deutschen Telekom AG und deren Tochterfirma T-Mobile, ein Vorstandsmitglied der Telekom sowie Betriebsräte. Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, ist unter den Bespitzelten, obwohl er kein Amt bei der Telekom innehat.

Bsirske hat dem Bonner Unternehmen unterdessen "Stasi-Methoden" vorgeworfen. Die Praktiken der Telekom seien durchaus mit den Methoden des Geheimdienstes der ehemaligen DDR vergleichbar, sagte Bsirske dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" (erscheint am Montag). Die Telekom-Manager hätten nicht nur gegen geltendes Recht verstoßen und Persönlichkeitsrechte verletzt, wird Bsirske zitiert. Bei der Bespitzelungsaktion handele es sich zudem um einen eklatanten Angriff auf die Mitbestimmung und auf die Koalitionsfreiheit. "Dass unsere Vertreter in Tarifverhandlungen Managern gegenübersitzen, die möglicherweise Aufträge erteilt haben könnten, deren Telefonverkehr auszuwerten und zu protokollieren, ist einfach unerträglich." Der ver.di-Chef forderte schnelle Aufklärung. Sollte es "Vorstände geben, die in die kriminellen Machenschaften involviert waren, muss das natürlich Konsequenzen haben".

Die Telekom ließ in den Jahren 2005 und 2006 Daten von Telefongesprächen überprüfen, um undichte Stellen im Konzern zu schließen. Vertrauliche Informationen waren weitergegeben worden. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt in der Bespitzelungsaffäre unter anderem gegen den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Zumwinkel und den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke. Wie "Der Spiegel" weiter berichtet, sollen sich die Verdachtsmomente gegen Zumwinkel verdichten. Laut internen Untersuchungsberichten seien im Dezember 2005 sogar die Geschäftsverteilungspläne geändert worden seien, um für Zumwinkel und Ricke einen direkten Zugriff auf die Telekom-Sonderermittlungseinheit KS 3 zu schaffen. Mit diesem Schritt sei eine offenbar gängige Praxis im Konzern legitimiert worden. Das Magazin beruft sich auf interne Untersuchungen der Telekom. Zumwinkel und Ricke bestreiten, persönlich Aufträge zur Auswertung von Telefonverkehrsdaten erteilt zu haben.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), forderte Obermann auf, offenzulegen, ob es weitere Ausspähungen gegeben habe und wer dafür verantwortlich sei. "Im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit sollte die Telekom jetzt die Karten auf den Tisch legen", sagte Edathy dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstagsausgabe). (dpa) / (jes)