Oberster US-Gerichtshof debattiert über Softwarepatente

Anwälte von Microsoft und AT&T haben bei einer Anhörung vor dem US Supreme Court zur Verhandlung eines langjährigen Rechtsstreits eingeräumt, dass Quellcode nicht patentierbar ist, und so Grundsatzfragen aufgeworfen.

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Anwälte von Microsoft und AT&T haben bei einer Anhörung vor dem US Supreme Court zur Verhandlung eines langjährigen Rechtsstreits zwischen dem Software- und dem Telekommunikationsgiganten am gestrigen Mittwoch eingeräumt, dass Quellcode auch in den USA nicht patentierbar sei. Mit der insbesondere für Microsoft überraschenden Aussage haben die beiden Parteien bei den Richtern Grundsatzfragen über die Gültigkeit von gewerblichen Schutzrechten für Computerprogramme insgesamt aufgeworfen.

"Wir gehen hier ja wohl von der Annahme aus, dass Software patentierbar ist?", fragte Richter Steven Breyer während der mündlichen Verhandlung. "Wir haben aber nie darüber in diesem Gericht entschieden, oder?". Diese Frage sei in dem konkreten Fall irrelevant, beeilte sich der für die US-Regierung sprechende stellvertretende Chef-Justiziar (Solicitor General) des Justizministeriums, Daryl Joseffer, zu erklären. Die Richter hatten die Meinung der Regierung zuvor eingefordert, sie unterstützt in diesem Fall die Position Microsofts.

Eigentlich soll der Supreme Court in dem hoch aufgehängten Patentstreit darüber entscheiden, ob Microsoft mit der Verwendung eines von AT&T geschützten Audio-Codecs zur Spracherkennung auch mit dem Verkauf von Windows-Betriebssystemen außerhalb der USA ein entsprechendes US-Patent des Telekommunikationsriesen verletzt. Microsoft hatte nach der Klageerhebung durch AT&T eine Patentmissachtung eingestanden und sich zu einer Ausgleichszahlung für die in den USA verkauften Windows-Systeme bereit erklärt. AT&T hatte US-Medienberichten zufolge bis zu 300 Millionen US-Dollar gefordert; eine konkret vereinbarte Vergleichssumme ist bislang nicht bekannt geworden.

Der Streit ging in eine weitere Runde, als AT&T auch Schadensersatz für im Ausland verkaufte Windows-Software verlangte. In der Regel endet die Gültigkeit des US-Patentrechts an der Staatsgrenze. Ein besonderes Bundesgesetz regelt jedoch, dass im Ausland mit geschützten Bauteilen aus den US hergestellte Produkte ebenfalls US-Patente verletzen können. Im Geiste dieser Klausel hatte bereits die für Patentstreitigkeiten zuständige oberste Berufungsinstanz, der Federal Circuit Court of Appeals, Microsoft der Patentverletzung für schuldig befunden. Dieses Urteil müssen die Verfassungsrichter momentan prüfen, nachdem sich die Redmonder an sie gewandt haben.

Bei der Verhandlung ging es nun aber weniger um die Gültigkeit von US-Patenten im Ausland, sondern vielmehr um die Validität von Patenten auf Software als solche. "Eine Idee oder ein Prinzip wie 'zwei plus zwei gibt vier' kann nicht patentiert werden", ging der Microsoft-Anwalt Theodore Olson ans Eingemachte. "Es muss mit einer Maschine zusammenkommen und in ein nutzbares Gerät verwandelt werden", wandelte er weiter auf den Spuren des Ansatzes der "computerimplementierten Erfindung". Dieser wird normalerweise nur vom Europäischen Patentamt als Richtschnur für dessen umstrittene Vergabepraxis angewandt, während in den USA bereits seit Jahrzehnten "alles unter der Sonne" – einschließlich Software und Geschäftsmethoden – als schutzwürdig gilt.

Olson ging es mit der gewagten Argumentation um die Darlegung der Microsoft-Position, wonach die Redmonder "nur" eine Masterdisc mit Quellcode von Windows und den Treibern für die Komprimierungssoftware von AT&T an Vertriebspartner in anderen Ländern ausliefern. Dabei handle es sich nicht um ein gebrauchsfertiges Programm, da der Sourcecode nicht ohne Weiteres ausführbar sei. Erst mit der Installation dieser "Blaupause" des Programms auf der Festplatte eines Computers werde sie zu Software. Der Endkunde sei damit letztlich der Verursacher der Patentverletzung. Der gesamte Fall liege damit außerhalb der US-Rechtsprechung.

Richter Samuel Alito erschien diese Trennung als eine "künstliche Unterscheidung". Wie schon vom Berufungsgericht festgestellt, könne das Verschicken einer Masterdisk im digitalen Zeitalter bereits mehr oder weniger dem Erstellen von Kopien gleichgestellt werden. Olsen beharrte jedoch auf eine notwendige Differenzierung. Jedes Produkt stelle zugleich eine Manifestation seines Entwurfs dar und könne kopiert werden. Die Richter fragten sich daraufhin, ob eine Masterdisc nun Komponenten für Kopien liefere oder eine direkte Blaupause und ob Letztere tatsächlich patentierbar sei.

Joseffer versuchte als Vertreter des Justizministeriums gewunden zu erläutern, dass Komponenten von patentierbaren Erfindungen selbst nicht patentierbar sein müssten. Bei der AT&T-Software sei der schutzwürdige Bestandteil die physikalische Kopie des Programms, die in einem Computer eingeführt werde. Sobald diese auf die Festplatte kopiert worden sei, handle es sich auch dabei um eine entsprechende Komponente. Auf Nachfragen der nicht mehr ganz mitkommenden Richter setzte Joseffer zu einer weiteren Erklärung an, wonach "die physikalische Verkörperung der Software, die sich in machen Bereichen in diesen Elektronen manifestiert", gewerbsmäßig geschützt werden könne. Letztlich unterstützte der Vertreter der US-Regierung so die Argumentation des Telco-Konzerns und dessen Anspruch auf die Gültigkeit des Softwarepatents, obwohl seine Behörde auf dem Papier für Microsoft antrat.

AT&T-Anwalt Seth Waxman – wie sein Gegenüber ein ehemaliger Solicitor General – konstatierte, dass Quellcode nicht patentierbar sei. Ähnlich wie Joseffer sprach er sich aber dafür aus, dass die Manifestation der Progamm-Blaupause als ausführbarer Maschinen- oder Objektcode eines Patentschutzes prinzipiell würdig sei. Mehrere Richter blieben trotzdem skeptisch, sodass Waxmann von Neuem begann: "Objectcode ist das Ende des Herstellungsprozesses von Microsoft. Die stellen keine Festplatten her, keine Discs, keine Computer. Sie machen ihr Produkt fertig, den Windows-Code, und senden ihn nach Übersee." Dabei komme es zu der Patentverletzung. Der Anspruch von AT&T beziehe sich aber nicht auf den Code, sondern auf das Computersystem, in dem die Software ausgeführt werde. Der Oberste US-Gerichtshof muss sich so in den nächsten Monaten mit den auch in Europa immer wieder betonten Unterschieden zwischen Computerprogrammen "als solchen" und "computerimplementierten Erfindungen" auseinander setzen. Mit einer Entscheidung wird nicht vor Juli gerechnet. (Stefan Krempl) / (vbr)