Oberster US-Gerichtshof macht Patente leichter anfechtbar

Firmen können künftig in den USA auch dann gegen Trivialpatente vorgehen, wenn sie dem Halter des gewerblichen Schutzrechts Lizenzgebühren bezahlen. Der Supreme Court will so die Auswüchse des Patentwesens beschneiden.

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Eine Firma kann künftig in den USA auch dann gegen fragwürdig erscheinende Patente vorgehen, wenn sie dem Halter des gewerblichen Schutzrechts Lizenzgebühren bezahlt und somit dessen Know-how rechtmäßig nützen darf. Dies hat der Oberste US-Gerichtshof am gestrigen Dienstag im Fall MedImmune vs. Genentech entschieden (PDF-Datei). Der Supreme Court hat damit ein Urteil des Federal Circuit Court of Appeals kassiert. Das für Patentfragen zuständige Berufungsgericht hatte im Jahr 2004 befunden, dass beide Parteien beim Eintreten in einen Lizenzvertrag bereits letztlich Einstimmigkeit über die Gültigkeit des Patentes erzielt haben und daher im Nachhinein ein rechtliches Vorgehen gegen die betroffenen Schutzrechte nicht möglich sei.

Der Supreme Court will mit dem Urteil die Auswüchse des US-Patentwesens weiter beschneiden. Zugleich zweifelt er erneut die Haltung des 1982 eingesetzten Berufungsgerichts an, dessen Richter in den vergangenen Jahrzehnten die Ausweitung von Patentrechten unter dem Aufhänger des Innovationsschutzes massiv vorangetrieben haben. Der Oberste Gerichtshof hat sich vielmehr auf die Seite derjenigen Experten geschlagen, die in den bestehenden Patentregeln eine Behinderung der Innovation sehen. Eine weitere Grundsatzentscheidung des Supreme Court gegen Trivialpatente wird im Lauf des Jahres zudem noch im Fall KSR International vs. Teleflex erwartet, in dem es um die Abwehr "offensichtlicher" Patentansprüche geht.

In der jetzt entschiedenen Auseinandersetzung erwarb die Pharmafirma MedImmune eine Lizenz für ein Patent vom Konkurrenten Genentech, obwohl sie dessen Schutzanspruch nicht für gerechtfertigt hielt und dies auch immer wieder zum Ausdruck brachte. Diesen Schritt begründete MedImmune damit, dass man nicht das Risiko auf sich nehmen wolle, das Monopolrecht während einer Klage dagegen offen zu verletzen und dadurch letztlich zu hohen Schadensersatzzahlungen oder zu einem Verkaufsstopp des erfolgreichen Erkältungsmedikaments Synagis verdonnert zu werden. Richter Antonin Scalia vertrat nun im Namen der Mehrheit des Obersten Gerichtshof die Ansicht, dass die Firma deutlich gemacht habe, "dass sie keine Verpflichtung unter der Lizenz hat, für ein ungültiges Patent Gebühren zu bezahlen". Die Einwilligung in die Zahlung komme zudem nicht einem Versprechen nach, nicht gegen das entsprechende Schutzrecht gerichtlich vorzugehen. Nur einer von neun Richter am Supreme Court stellte sich auf die Seite Genentechs.

Die Bush-Regierung hatte in dem Fall MedImmune unterstützt. Ihrer Meinung nach muss es im Interesse der Wirtschaft einfacher werden, ungültige Patente für nichtig erklären zu lassen. Andererseits würden effiziente Lizenzvereinbarungen und der Wettbewerb behindert. MedImmune selbst will jetzt "mit aller Macht" auf einer niederen Gerichtsinstanz weiter gegen das Genentech-Schutzrecht vorgehen. Der Konkurrent ließ dagegen verlauten, dass er auf die Gültigkeit des umstrittenen Patents vertraue. Zu den eigentlichen Schutzansprüchen habe sich der Supreme Court nicht geäußert.

Die größten Auswirkungen des Urteils werden im Biotechnologie-Sektor erwartet, in dem kostspielige und millionenschwere Lizenzverträge üblich sind. Mehr Firmen könnten nun dazu übergehen, trotz solcher Zahlungen gegen die sie begründenden Monopolansprüche vorzugehen. Der Patentanwalt William Atkins geht aber davon aus, dass Patenthalter dagegen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen werden. So könnten sie etwa Klauseln in die Lizenzvereinbarungen einbauen, wonach jedes gerichtliche Vorgehen gegen die Gültigkeit eines entsprechenden Patentes automatisch eine Verletzung der Vertragsbedingungen darstellen würde. Fraglich ist aber, ob derartige Einschränkungen wiederum Bestand vor Gericht hätten.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)