Oettinger: Gegen Google sind alle deutschen Medienhäuser zu klein

Der baden-württembergische Ministerpräsident plädierte bei der CDU Media Night dafür, den öffentlich-rechtlichen Sendern im Internet klare Grenzen zu setzen, engere Verflechtungen innerhalb der deutschen Medienlandschaft aber zuzulassen.

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Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger plädierte bei der CDU Media Night am gestrigen Dienstagabend in Berlin dafür, den öffentlich-rechtlichen Sendern im Internet klare Grenzen zu setzen. Möglicherweise werde für Online-Archive von ARD und ZDF "eine Sieben-Tage-Regelung nahe liegend sein", betonte der CDU-Politiker im zähen Streit über Digitalstrategien. Es gebe die Sorge der Privatwirtschaft, dass die Öffentlich-Rechtlichen einen Vorteil aus ihrer Gebührenfinanzierung ziehen, die Ausgaben für ihre Internet-Auftritte jedes Jahr verdoppeln und letztlich "über ein schier unendliches Archiv verfügen". Es müsse daher bei der Arbeit am neuen Rundfunkstaatsvertrag geklärt werden, welches nahe liegende progammbegleitende Interesse der Zuschauer habe. Zudem bleibe es dabei, dass ARD und ZDF im Internet keine Werbung schalten und kein Sponsoring akzeptieren dürfen.

Zugleich machte sich Oettinger aber dafür stark, engere Verflechtungen innerhalb der deutschen Medienlandschaft zuzulassen. "Gegen Google sind alle hier zu klein", gab er im Hinblick auf neue globale Mitspieler im Markt zu bedenken. Es müsse geprüft werden, ob mehr Fusionen im Presse- und Kartellrecht zu ermöglichen seien. Mit der "engen Brille des deutschen Wettbewerbsrechts" sei der Eintritt von Springer bei ProSiebenSat.1 nicht genehmigt worden, kritisierte der Ministerpräsident. Dies sei schlecht für den weltweiten Maßstab.

Kay Overbeck, Leiter Unternehmenskommunikation von Google Nord- und Mitteleuropa, beeilte sich, das Bild eines alles beherrschenden Mediengiganten abzutönen und den Suchmaschinenprimus als Partner der traditionellen Publikationshäuser darzustellen. "Wir wollen allen Anbietern eine Plattform bieten", erklärte er in Bezug auf den milliardenschweren Aufkauf von YouTube durch Google. So habe das ZDF etwa einen "tollen Channel" auf der Videoseite, der innerhalb weniger Monate schon mehr als drei Millionen Aufrufe erzeugt habe. "Das ist der Weg in die Zukunft", betonte Overbeck. Er bedauerte zugleich, dass die privaten Sender YouTube skeptisch gegenüber stünden und teils eigene Projekte aufgesetzt hätten.

Der SWR-Intendant Peter Boudgoust fühlte sich nach Oettingers Äußerungen ebenfalls genötigt, einige "Missverständnisse" und "Mythen" aus ARD-Sicht zu bereinigen: "Wir streben nicht nach unbegrenzter Freiheit." Die Öffentlich-Rechtlichen wären doch auch "von Sinnen", wenn sie alle ihre Angebote "unendlich im Netz" hätten. Interessant wäre dies aber etwa für Hintergrundreportagen oder Dokumentationen von Landtagswahl. "Worin liegt der Sinn, solche nach sieben Tagen herauszunehmen?", frage Boudgoust. Mit der Archivierung solcher Beiträge würde doch der öffentlich-rechtliche Auftrag quasi in Reinform erfüllt. Hollywood-Filme würden ARD oder ZDF dagegen nicht ins Netz stellen, schon "weil wir die Rechte dazu nicht haben".

Auch die regionale Berichterstattung erklärte der SWR-Intendant zum "Kern unseres Auftrages". Die Öffentlich-Rechtlichen würden hier zur Integration der Menschen und zu einem gemeinsamen Lebensgefühl beitragen. Private seien hier an Zusammenarbeit interessiert. Generell treibe ARD und ZDF nicht die "Sorge vorm Aussterben" ins Netz. Vielmehr sei das Internet ein audiovisuelles Medium geworden. Er sei sich daher sicher, dass der Programmauftrag für digitale Welt gelte. Auch die Angst vor einer "wahnsinniger Kostendynamik" sei überzogen. Die Gebührenfestlegung erfolge "in einem stark indexiertem System", der Anstieg bewege sich derzeit unterhalb der Inflationsrate. "Neues kann nur finanziert werden, wenn wir auf Altes verzichten", meinte Boudgoust. Dafür sei aber "kein großes Regelwerk" erforderlich.

Ein nicht auf dem Podium vertretener Abgesandter des Verbands der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) hielt dagegen, dass "Dinge wie Marienhof" nicht zu "staatstragenden Angeboten" hochstilisiert werden könnten. Oettinger riet zudem, die Regulierungsmacht Brüssels nicht zu unterschätzen. Nach dem Kompromiss mit der EU-Kommission müsse der Programmauftrag definiert werden. Andernfalls stehe ein neuer langjähriger Streit an, der für alle Seiten nur Rechtsunsicherheit mit sich bringe. Gleichzeitig müssten die Länder aber auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachkommen, wonach die Rundfunkgebühren frei von medienpolitischen Zwängen festzusetzen seien.

Zum Zeitplan sagte Oettinger, dass die Ministerkonferenz am 12. Juli Eckpunkte für die 12. Änderung des Rundfunkstaatsvertrags vorlegen wolle. "Dann machen wir ein Kamingespräch mit allen Beteiligten mit dem Ziel, im Oktober eine einvernehmliche Regelung hinzubekommen." Offene Fragen sah er etwa auch noch bei einer möglichen Festschreibung zur Übertragung größerer Fernsehanbieter auch bei neuen Übertragungswegen etwa per Mobilfunk, der Aufteilung der "digitalen Dividende" oder der "vertikalen Integration". Er sei beim letzten Punkt der Ansicht, dass man zwischen Produktion und Transport von Inhalten nie scharf trennen können. (Stefan Krempl) / (vza)