Offener Test für nicht-englische DNS-Adresszonen

Die Internet-Verwalter der ICANN wollen über kurz oder lang nicht-englische Top Level Domains, also komplett nicht-englischsprachige DNS-Adresszonen ermöglichen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) will einen offenen Test für verschiedene Konzepte starten, um chinesische, japanische, arabische oder andere nicht-englische Top Level Domains (TLD) umzusetzen, also vollständig nicht-englischsprachige Adresszonen im Domain Name System zu ermöglichen. ICANNs Präsident Paul Twomey betonte in einem Pressegespräch beim ICANN-Treffen im neuseeländischen Wellington, die verschiedenen getesteten Konzepte würden auf keinen Fall im Anschluss direkt umgesetzt. Vielmehr sollen die testweise in die Rootzone des DNS eingetragenen nicht-englischen Adresszonen nach dem Test allesamt wieder gelöscht werden.

Um den Testcharakter zu verdeutlichen, sei in Wellington über die Einrichtung von speziellen .test-Zonen in verschiedenen Sprachen diskutiert worden, sagte Twomey. Damit will man der Hoffnung – beziehungsweise dem Verdacht – entgegentreten, dass mit der Testzulassung eine Vorentscheidung für den späteren Wirkbetrieb falle. Beim ersten Test internationalisierter Domains (IDN), als es um die Einführung nicht-englischsprachiger Second Level Domains unter .com ging, hatte VeriSign sich am Ende damit durchgesetzt, dass alle unter .com registrierten nicht-englischen Domains regulär weitergeführt werden durften.

Wieder dürfte der Test aber Anlass zum Streit gerade mit dem Exmonopolisten VeriSign sein, fürchten kritische Beobachter. Das Unternehmen drängt sehr darauf, bei der Einführung der nicht-englischen Top Level Domains auf DNAME zu setzen (Non-Terminal DNS Name Redirection, RFC 2672). Per DNAME sollen ganze Subtrees nicht-englischer Adressen auf die Haupt-TLD .com oder .net abgebildet werden. Für den Test ist daher sowohl der Versuch mit klassischen NS-Records vorgesehen als auch mit DNAME-Mapping. DNS-Experten sprechen von einer "Alias-Lösung" für eine ganze nicht-englische Unteradresszone. VeriSign – und andere Registries, also Betreiber der Datenbanken für die Domainregistrierung – würden damit automatisch Registrare (Registrierungsdienstleister) für die verschiedensten Sprachvarianten von .com, .net, .info oder .biz. Auch andere Registries sind der Meinung, dass ICANN keine nicht-englischen Versionen von .com, .net., .org oder .info vergeben soll, berichtet US-Anwalt und Nutzervertreter Bret Fausett. Aus Wettbewerbssicht wäre das die Multiplizierung der .com-Vergabe ohne Zeitlimit, findet Fausett.

Gegen die automatische Vergabe der Äquivalente an die jeweiligen Registries spricht der Wunsch der jeweils lokalen DNS-Experten, maßgeblich über die Wiedergabe ihrer Sprachen im Netz zu entscheiden und selbst das lokale Geschäft zu machen, meint Yoav Keren, CEO des israelischen Registrars DomainTheNet. "DNAME diktiert praktisch eine Politik, die lokalen Anbietern die Chance verwehrt, ihre IDN-TLDs maßgeblich zu beeinflussen, da sie automatisch dazu führt, dass die IDN-gTLDs von den etablierten Registries verwaltet werden", warnte Keren. Ein Vertreter der chinesischen Länderregistry CNNIC sagte in Wellington daher auch: "Viele Länder betrachten es mit Sorge, wenn ausländische Unternehmen ihre Top Level Domains verwalten."

Keren, selbst Mitglied im 22-köpfigen Beraterkomitee des ICANN-Präsidenten zum Thema internationalisierte Domains (PAC), sieht auch die von Twomey angekündigte Testphase nicht ohne Skepsis, solange grundsätzliche Politikfragen nicht geklärt sind. Bei der Entscheidung für den Start des Tests seien lediglich zehn von 22 PAC-Mitglieder mit von der Partie gewesen. "Beim IDN-Workshop in Vancouver", erklärte Keren, "war die Frage 'Testphase ja oder nein' nicht auf der Agenda. Aus irgendeinem Grund hat das PAC einen Zeitplan verkündet, obwohl ich und einige andere PAC-Mitglieder darauf hingewiesen haben, dass man erst einmal diskutieren müsse, ob man den Test braucht." Der Test soll nun voraussichtlich ab Juli DNAME und normale NS-Record-Lösungen erlauben.

Mit ein Grund für die Eile bei dem Thema dürfte sein, dass nicht-englische Sprachgemeinschaften, allen voran China, längst nach Auswegen gesucht haben, um den eigenen Nutzern entsprechende lokale Lösungen zu bieten. Mit Blick auf die chinesischen Varianten für .com, .net. und .cn betonten sowohl ICANN-Präsident Twomey als auch der CNNIC-Vertreter, es handele sich nicht um ein alternatives Root-System. Vielmehr werden wie bei dem vor Jahren von Microsoft mit unterstützten new.net Third Level Domains unter der Hauptländerdomain .cn registriert und per Plug-in für chinesische User als rein chinesische Domains ausgegeben. Das New.net-Konzept war von ICANN praktisch ausgeschlossen und als nicht den Standards entsprechend abgelehnt worden. ICANN Präsident Twomey sagte daher auch, das chinesische Vorgehen sei sicher nicht "der Idealfall", auch wenn es sich nicht um eine echte alternative Root-Zone handele. (Monika Ermert) / (jk)