On-Board-Computer im All: Mehr Rechenleistung für Satelliten-Prozessoren

Das DLR entwickelt verteilte heterogene Rechner für Raumfahrtmissionen, für die es strahlungsfeste und leistungsfähigere handelsübliche Prozessoren kombiniert.

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Die Forschungsplattform OPS-SAT (Rendering).

(Bild: ESA)

Lesezeit: 3 Min.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeitet an einer neuen Rechnerarchitektur, die den On-Board-Computern (OBC) insbesondere in Satelliten deutlich mehr Leistung verschaffen soll. Entsprechende Systeme sollen sich zudem selbst reparieren beziehungsweise neu konfigurieren können.

Das entsprechende, nun erstmals in einem Experiment getestete Projekt hört auf den Namen Scalable On-Board Computing for Space Avionics (ScOSA). Dabei geht es um verteilte heterogene Systeme mit verschiedenen Rechenknoten, die als Netzwerk miteinander verbunden sind.

Eine große Herausforderung für Computer in Satelliten und für Raumfahrttechnik ist die starke kosmische Strahlung, die sich negativ auf die Funktionsweise auswirken kann. "Wenn ein Strahlungspartikel durch einen Speicher fliegt, macht er dort vielleicht aus einer Null eine Eins", erläutert ScOSA-Projektleiter Daniel Lüdtke vom DLR-Institut für Softwaretechnologie in Braunschweig. Systemausfälle oder Berechnungsfehler sind die Folge.

Für die Raumfahrt gibt es deswegen strahlungsfeste Prozessoren. Diese sind aber sehr teuer und haben wenig Rechenleistung. Sie benötigen Spezialprozesse etwa mit 65-Nanometer-Strukturen, während moderne PC-Prozessoren wie AMDs Ryzen 5000 schon mit 7-nm-Technik vom Band laufen. Folglich können Hersteller von Weltall-CPUs deutlich weniger Transistoren in einem Chip unterbringen.

Selbst heutige Smartphone-Prozessoren sind deutlich schneller als die Spezialtechnik in Satelliten. Sie haben der Strahlung im All jedoch nichts entgegenzusetzen. Ansatz der ScOSA-Beteiligten ist es daher, beide Prozessortypen mit Hilfe ausgeklügelter Fehlererkennung in einem System zusammenzubringen.

Der eingesetzten Software kommt dabei die Aufgabe zu, Fehler und Ausfälle zu erkennen und den Rechner zu kontrollieren. Dabei werden Programme, die auf einem fehlerhaften Prozessor laufen, automatisch über das Netzwerk an andere übertragen, erklärt Lüdtke. Der Satellit kann unterdessen weiterarbeiten. Anschließend startet die Software den Prozessor neu und bindet ihn wieder in das System ein.

Die Funktionsfähigkeit der geschrumpften Technik sieht das DLR mit einem jetzt durchgeführten Experiment auf dem Satelliten OPS-SAT der Europäischen Weltraumorganisation ESA unter Beweis gestellt. Der auch bereits für Sicherheitstests herangezogene 30 cm × 10 cm × 10 cm kleine Erdtrabant mit einem experimentellen Computer befindet sich seit Ende 2019 im erdnahen Orbit. OPS-SAT steht den Forschern dabei laut ESA-Projektmanager Dave Evans "als voll ausgestattete, offene Plattform" zur Verfügung.

Für den Test hat der Satellit laut dem DLR Erdbeobachtungsbilder aufgenommen, sie mit Künstlicher Intelligenz (KI) verarbeitet und bewertet. OPS-Sat überträgt danach nur die brauchbaren Fotos an eine Bodenstation. "Immer höher auflösende Sensoren und komplexe Algorithmen verlangen mehr und mehr Rechenleistung", fasst Lüdtke die Anforderungen an Soft- und Hardware zusammen. Er kündigt an: Demnächst will man auch ein größeres ScOSA-System aus strahlungsfesten und handelsüblichen Prozessoren auf einem eigenen DLR-CubeSat ausprobieren. Der Kleinsatellit soll voraussichtlich Ende 2023 in den Orbit starten.

Ein ScOSA-Rechner.

(Bild:  DLR (CC BY-NC-ND 3.0))

Die "Onboard Software Systems"-Gruppe des DLR beteiligt sich an einer Reihe nationaler und internationaler Raumfahrtmissionen. Ein zentrales Forschungsthema ist die Entwicklung fehlertoleranter, resilienter Software, an der mehrere Institute des Zentrums mitarbeiten. Künftige Raumfahrtmissionen stehen laut den Beteiligten vor enormen Herausforderungen. Darunter sei die steigende Nachfrage nach immer mehr Rechenleistung an Bord von Raumschiffen und Satelliten. Getrieben wird diese demnach vor allem durch die Erdbeobachtung und die Robotik mit höher auflösenden Sensoren und komplexeren Algorithmen etwa zur autonomen Navigation.

(olb)