Online-Check für Krankenhaussuche: Lauterbach verspricht Klinik-Atlas ab Mai
Der Gesundheitsminister knüpft große Versprechungen an seine Krankenhausreform. Doch die Zahl der Kliniken dürfte durch Neuerungen wie den Klinik-Atlas sinken.
Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen ab 1. Mai vor einer Klinik-Behandlung die geeignetsten Krankenhäuser online aussuchen können. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte am Dienstag an, dass der entsprechende Klinik-Atlas dann an den Start gehen solle – obwohl die Länder zunächst dagegengestimmt hatten. Darauf soll die geplante große Klinikreform folgen, um die Bund und Länder seit Monaten ringen. "Die Krankenhausreform ist zurück in der Spur", sagte Lauterbach.
Viel Kritik
Die Reaktionen auf seine Ankündigungen fielen gemischt aus. Der Klinik-Atlas soll bereits zum Start Auskunft darüber geben, wie viel Erfahrung eine Klinik mit bestimmten Eingriffen hat – etwa bei Krebsbehandlungen. Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, dass das entsprechende Transparenzgesetz am 22. März im Bundesrat beschlossen werden könne. Am 21. Februar verhandelt der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag über das Regelwerk. Die Länderkammer hatte es zunächst mehrheitlich abgelehnt.
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"Ich bin sehr dankbar, dass die unionsgeführten Länder ihre Blockadehaltung aufgegeben haben", sagte Lauterbach. Der SPD-Politiker hatte diesen Ländern vorgeworfen, den Gesetzentwurf nicht auf die Tagesordnung des Vermittlungsausschusses gesetzt zu haben. "Natürlich ist das Transparenzgesetz für einige Länder eine Zumutung", sagte er der Stuttgarter Zeitung und der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Gezeigt würden die großen Qualitätsunterschiede, etwa in der Krebschirurgie oder in der Versorgung Herzkranker. Das werde Bewegung in die Frage bringen, wo sich Patienten behandeln lassen.
Straffer Zeitplan
Die umfassendere Klinikreform soll am 24. April im Bundeskabinett verabschiedet werden, wie Lauterbach bekannt gab. Zuvor solle sie erneut mit den Ländern beraten werden. Die Länder hatten Lauterbach am Vortag in der Gesundheitsministerkonferenz unter Druck gesetzt, den Gesetzentwurf schnell auf den Weg zu bringen. Die Reform soll eine neue Bezahl-Methode einführen. Krankenhäuser sollen dann nicht mehr aus Umsatzgründen möglichst viele Patientinnen und Patienten behandeln. Heute bekommen Kliniken pro Patient oder Behandlungsfall einen pauschalen Euro-Betrag. Diese Fallpauschalen sollen abgesenkt werden. Im Gegenzug soll es feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik geben.
Weniger Tote durch Spezialisierung
"Große Qualitätsdefizite" sollten durch mehr Spezialisierung vermindert werden, sagte Lauterbach. So werde heute ein Drittel der Krebsbehandlungen in jenen zwei Dritteln der deutschen Kliniken durchgeführt, die sich darauf mangels Erfahrung gar nicht gut verstünden. Die Folge seien: schwere Komplikationen, wie beispielsweise Sepsis. Zur größeren Spezialisierung eines Teils der Häuser soll eine Einteilung in drei Stufen führen: wohnortnahe Kliniken für Notfälle und Grundversorgung, Häuser mit Regel- und Schwerpunktversorgung und Maximalversorger wie Unikliniken.
Der Berlin Gesundheitsforscher Reinhard Busse unterstützte Lauterbach mit eigenen Forschungsergebnissen: Bei Hunderten Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenentzündung könne ein tödlicher Ausgang vermieden werden, wenn sich mehr von ihnen in den besten Kliniken behandeln lassen würden. Rückhalt für die Spezialisierungspläne in der Bevölkerung signalisierte eine neue Umfrage der Techniker Krankenkasse: 94 Prozent der Menschen in Deutschland würden demnach für eine geplante Operation in eine spezialisierte Klinik fahren – auch wenn sie weiter entfernt liegt. 66 Prozent bewerteten das Reformziel, komplizierte Behandlungen in spezialisierten Kliniken durchführen zu lassen, als gut, auch wenn weitere Wege anfallen. Ein Drittel bewerteten dies als schlecht.
"Wir haben zu viele Kliniken"
Die Reform wird nach Prognose Lauterbachs die Kliniklandschaft deutlich verändern – manche Kliniken vor allem in westdeutschen Großstädten dürften dann abgebaut werden. "Es ist ganz klar, dass wir ein Überangebot an Kliniken haben", sagte Lauterbach. In überversorgten Städten seien Belegungen von nur 50 bis 70 Prozent keine Seltenheit. "Das Personal fehlt uns für andere Einrichtungen. Daher haben wir zu viele Kliniken."
Künftig könnten etwa große Medizinische Versorgungszentren an die Stelle von nicht mehr gebrauchten Kliniken treten. Gleichzeitig gebe es unterversorgte Gebiete in ländlichen Regionen – auch durch Zuschläge sollten Kliniken hier am Netz gehalten werden. Über die künftige Zahl von Kliniken in Deutschland wollte Lauterbach nicht spekulieren. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2022 noch 1893 Krankenhäuser – 2001 waren es noch rund 2200.
120 Krankenhäuser vor oder in der Insolvenz
Kurzfristig sollen Milliardenhilfen eine Insolvenzwelle bei den unter starkem Finanzdruck stehenden Kliniken abwenden. "Es sind derzeit 120 Krankenhäuser vor oder im Insolvenzverfahren", sagte Lauterbach. Sechs Milliarden Euro an Hilfe sollten mit dem Transparenzgesetz auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus sollten Tarifsteigerungen ausgeglichen werden. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) sahen fast 80 Prozent der Kliniken in Deutschland für vergangenes Jahr einem negativen Jahresergebnis entgegen.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) warf Lauterbach vor, er taktiere lieber als konstruktiv zu verhandeln. So habe er überraschend angekündigt, dass die geplante Krankenhausreform im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sein solle. Die gesetzlichen Krankenkassen, deren Ausgaben für Klinikbehandlungen zuletzt auf rund 88 Milliarden Euro im Jahr 2022 gestiegen waren, lehnten mehr Geld für veraltete Strukturen ab. "Wenn es jetzt endlich zügig in Richtung mehr Qualität in der Patientenversorgung und weniger um Finanzwünsche der Kliniken und der Länder geht, dann ist es gut", sagte ihr Verbandssprecher Florian Lanz.
(mack)