Onlinewerbung neben extremistischen Videos: Britische Werber boykottieren Youtube

Weil der Online-Konzern unter anderem auf YouTube Werbung neben extremistischen Inhalten anzeigt, haben britische Konzerne und die britische Regierung ihre Anzeigenkäufe vorerst eingestellt.

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Onlinewerbung: Britische Werber boykottieren Google

Auch der britische Guardian war überrascht, wo die eigene Werbung auftauchte.

(Bild: thetimes.co.uk)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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BBC-Werbung neben antisemitischen Reden, Anzeigen für die britische Navy neben homophoben Tiraden – weil Google insbesondere seinen Anzeigenkunden auf YouTube nicht garantieren kann, ihre Werbebotschaften von extremistischen Inhalten fernzuhalten, haben britische Werbeagenturen und die britische Regierung ihre Werbeschaltungen auf der Plattform vorerst eingestellt.

Die Kontroverse war in der vergangenen Woche hochgekocht und gewinnt seitdem immer weiter an Umfang. So titelte die Zeitung The Times am Freitag: "Steuerzahler finanzieren Extremismus." Anzeigen für britische Institutionen seien zum Beispiel in Videos eingeblendet worden, in denen der ehemalige Ku-Klux-Klan-Anführer David Duke die Verschwörungstheorie verbreitete, Juden bereiteten die ethnische Säuberung der weißen Bevölkerung in den USA vor. Auch Videos von islamistische Extremisten und homophoben Predigern konnten laut Berechnungen der Zeitung durch Hassbotschaften auf YouTube sechsstellige Geldbeträge erwirtschaften.

Die Politik hat sich bereits eingeschaltet. In einer Anhörung des britischen Parlaments hatte Google-Manager Peter Barron nach Medienberichten das Video David Dukes als regelkonform bezeichnet und darauf verwiesen, dass jede Minute 400 Stunden Videomaterial auf YouTube hochgeladen werden. "Wir wollen sicher keine illegalen Inhalte auf einer Plattform und reagieren so schnell es möglich ist, wenn solche Inhalte gemeldet werden", zitiert der Telegraph den Manager. Auch Vertreter von Facebook und Twitter wurden von den Parlamentariern befragt.

Politik und Werbetreibende zeigten sich von den Versicherungen der Social-Media-Konzerne enttäuscht. "Anzeigen der Regierung und großer Marken werden immer noch auf unangemessenen und hasserfüllten Websites angezeigt", kritisierte beispielsweise die Parlamentsabgeordnete Yvette Cooper. So hätten die Medienberichte der Times und der BBC gezeigt, dass die Bemühungen der Milliarden-Konzerne bei weitem nicht ausreichten.

Bereits am Freitag kündigte Google Verbesserungen der "Brand Safety" an. So will das Unternehmern den Werbern bessere Werkzeuge zur Verfügung stellen, um zu entscheiden, wo Werbung erscheinen soll – und wo nicht. "Wir haben mit einer gründlichen Überprüfung unserer Anzeigen-Standards begonnen und werden in den kommenden Wochen Änderungen vornehmen, damit Marken größere Kontrolle über die Werbeausspielungen auf YouTube und im Google Display Netzwerk bekommen", schreibt der britische Google-Chef Ronan Harris.

Googles Europa-Chef Matt Brittin legte am Montag auf der Konferenz Advertising Week Europe nach: "Wir bitten um Entschuldigung, wenn solche Dinge passieren", erklärte er. Allerdings handele es sich um nur wenige Fälle. Zudem hätten viele Unternehmen die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, die Google heute schon biete, um problematische Inhalte zu meiden. Derzeit arbeite der Konzern daran, die Werkzeuge zur Steuerung von Werbekampagnen einfacher zu gestalten.

Auf die Google-Nachbesserungen wollen die Werber aber nicht warten. Bis der Konzern sicherstellt, dass Werbung nicht auf den kritisierten Websites und Videos erscheint, hat die britische Regierung ihre eigenen Anzeigen auf Googles Plattform eingestellt. Dem Beispiel folgten mehrere Firmen. Auch Werbetreibende in anderern Ländern wollen die Situation im Auge behalten.

Für Google geht es um mehr als nur Umsatzausfälle. So liebäugeln britische Politiker mit Strafen für Social-Media-Plattformen nach deutschem Vorbild, wenn die Betreiber nicht schnell genug auf Beschwerden reagieren. Für die Konzerne würde das enorme Investititionen und Personalkosten nach sich ziehen. Bisher überprüfen Google und Co. ihre Inhalte mit automatischen Filtersystemen.

Martin Sorrell, Chef des Marketing-Konzerns WPP, will sich zwar noch nicht dem Google-Boykott anschließen, stellt aber das Geschäftsmodell des Konzerns in Frage. "Google, Facebook und Co sind Medienfirmen und haben deshalb die gleiche Verantwortung wie andere Medienfirmen", erklärte Sorrell laut Guardian. "Sie können sich nicht als IR-Dienstleister tarnen – gerade wenn sie Werbung platzieren." Damit greift der Marketing-Manager das Plattform-Privileg an, das Anbieter von der Haftung für Inhalte auf ihren Plattformen freistellt, sofern sie nicht explizit Kenntnis haben.

Auch andere Anbieter bekommen immer mehr Druck von der Werbebranche zu spüren. So haben sich inzwischen laut Medienberichten inzwischen über 1200 Werbetreibende dazu entschlossen, keine Anzeigen mehr auf der kontroversen US-Plattform Breitbart zu schalten, deren ehemaliger Chef Steve Bannon als wichtigster Berater von US-Präsident Donald Trump arbeitet. Oft hatten die Werbetreibenden keine Ahnung, dass ihre Werbebanner auf der Seite auftauchten, da diese automatisiert über programmatische Handelsplätze ausgespielt wurden. (anw)