Open Hardware: Mit Steuergeld finanziertes Chip-Design sollte offengelegt werden

Die EU-Kommission will mit dem "Chips Act" weitere Milliarden in die Chip-Produktion stecken. Open-Source-Aktivisten fordern, dies mit Auflagen zu verknüpfen.

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(Bild: jamesteohart/Shutterstock.com)

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Kommende Woche wird EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton den Entwurf der Brüsseler Regierungsinstitution für das lange erwartete Chips-Gesetz präsentieren. Dem Vernehmen nach sollen damit 12 Milliarden Euro in das Programm "Chips für Europa" fließen, mit denen die EU bis 2030 Pilotprojekte im Halbleiterbereich, das Chip-Design sowie einschlägige Quantentechnik fördern will. Rund 30 Milliarden Euro haben die EU-Staaten zudem bereits für gemeinsame wichtige Halbleitervorhaben zugesagt.

Open-Source-Aktivisten, Unternehmer und Wissenschaftler machen sich nun dafür stark, die Vergabe des staatlichen Gelds teils an Bedingungen zu knüpfen. Es gelte, einen Teil der Kette der Chip-Produktion zu öffnen, erklärte der Xbox-Hacker Andrew "bunnie" Huang, der sich seit Längerem im Bereich Open Hardware engagiert, am Freitag auf dem virtuellen EU Open Source Policy Summit vom OpenForum Europe. Wenn Entwicklungen mit Steuergeldern finanziert würden, sollten Forscher und Programmierer die Ergebnisse nutzen und weiterverwenden dürfen.

Die in der Halbleiterindustrie weitverbreitete Praxis der Geheimhaltungsvereinbarungen (NDAs) müsse aufgebrochen werden, unterstrich der Programmierer. Nur so könnte die Eintrittsbarriere für eine offene Chip-Fertigung gesenkt werden.

Konkret sprach sich Huang vor allem für offene Process Design Kits (PDKs) aus. Diese Dateien bilden die Basis für das Modellieren von bislang kostspieligen Werkzeugen, die zum Entwerfen einer integrierten Schaltung verwendet werden. Google und Skywater Technology Foundry leiteten hier 2020 bereits einen gewissen Öffnungsprozess ein, indem sie Universitäten, Start-ups und Makern unter Auflagen das Fertigen selbst entworfener Chips ermöglichten.

Insgesamt sei ein viel offenerer Zugang in diesem Ökosystem nötig, betonte Huang. Die Design-Ebene von Chip-Fabriken könne hier ein guter Anfang sein, es müsse aber etwa auch um eine Öffnung des "Packaging"-Prozesses gehen, also das derzeit meist in Südostasien erfolgende Verheiraten von Siliziumchips mit Trägern. Konferenzteilnehmer prägten im Chat Slogans wie "Public money, public PDK". Sie bezogen sich dabei auf die Open-Source-Kampagne "Public money, public code", wonach mit Steuergeld finanzierte Software frei und wiederverwendbar sein soll.

Auch Ebrahim Bushehri, Chef des britischen IT-Hauses Lime Microsystems, sprach sich dafür aus, Techniken und Werkzeuge für die Halbleiterproduktion wie Electronic Design Automation (EDA) zum automatisierten Erstellen von Chip-Entwürfen verstärkt offen verfügbar zu machen. Diesen Markt, der die Fertigung von Halbleitern mit Strukturbreiten unter 10 Nanometer (nm) treibe, dominierten derzeit US-Firmen wie Cadence und Synopsys.

Lime selbst sei dabei, mit Initiativen wie Myriad-RF oder LimeNET die Infrastruktur im Mobilfunkbereich bis hinunter zur Chipebene zu "demokratisieren", führte Bushehri aus. Bei vor Ort programmierbaren FPGAs habe die Öffnung des Designprozesses seit 2015 bereits gut funktioniert. Schon seit den 1980ern seien auf dem alten Kontinent Projekte wie Eurochips und das Interuniversity Microelectronics Centre (IMEC) mit diesem Ziel angetreten.

EDA sei aber ein anderes Kaliber, gab der Experte zugleich zu bedenken. Die Technologie sei derzeit sehr teuer, ändere sich schnell und werde zunehmend mit Künstlicher Intelligenz (KI) verknüpft. Auf diesem Feld bräuchte es daher aus der Community "deutlich stärkere Anstrengungen". Für Europa seien zudem Chips in Bereichen über 10 nm wichtiger, da diese etwa für Autos und die drahtlose Internetarchitektur ausreichten. Auf dem Hochtechnologiefeld unter 2 nm müsste die EU zudem aktuell mit Taiwan und Südkorea sowie künftig mit China konkurrieren, das allein rund drei Billionen US-Dollar beiseite gelegt habe, um eigene Kapazitäten aufzubauen. Abnehmer für solche Spitzenchips gebe es in Europa aber kaum.

Den größten Wert für den alten Kontinent sieht auch Luca Benini, Professor für digitale Schaltkreise an der ETH Zürich, "nicht in Super-Milliarden-Chips, sondern im Mittelbereich". Hier sei Open Hardware "bereit zum Loslegen". Die EU-Gesetzgeber sollten daher mit klugen Vorgaben die Tür öffnen mit Vorgaben für das Design offener Prozessoren. Von da aus könnten EDA und PDKs in Angriff genommen werden. Entscheidend sei, die "Ressourcen richtig einzusetzen, um eine kritische Masse zu erreichen".

Die EU-Kommission müsse sich fragen, ob sie den aktuellen Chip-Mangel beheben oder eine Halbleiterproduktion auf dem neuesten Stand der Technik in Europa etablieren wolle, ergänzte Julia Hess von der Stiftung Neue Verantwortung. In der Halbleiterforschung seien EU-Institutionen oft schon führend. Dieses Know-how ließe sich am besten mit internationalen Kooperationen mit gleichgesinnten Ländern umsetzen. Da die Chip-Fertigung von einer komplexen weltweiten Lieferkette abhänge und eine sehr hohe Arbeitsteilung aufweise, könnten trotz aller Abhilfebemühungen immer wieder Engpässe etwa aufgrund einer Pandemie mit erhöhter Nachfrage nach Verbraucherelektronik oder lokaler Katastrophen auftreten.

(bme)