Open Library: Internet Archive geht gegen Verlegerklage in die Berufung​

Das Digital-Leihprogramm des Archivs ist laut Verteidigung eine rechtmäßige Nutzung, die das Prinzip traditioneller Bibliothek in die Online-Welt überträgt.​

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(Bild: jakkaje879/Shutterstock.com)

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Das Internet Archive will im Streit über seine Online-Ausleihe mit großen US-Verlegern nicht klein beigeben. Die Non-Profit-Organisation mit Sitz in San Francisco, die auch für die "Wayback Machine" bekannt ist, hat am Freitag Berufung beim zuständigen Gericht für den zweiten Bezirk in New York City gegen ein Urteil eines niederen Bundesgerichts eingelegt (Az.: 1:20-cv-4160). Der Archivbetreiber beruft sich darauf, dass sein "kontrolliertes digitales Leihprogramm" eine rechtmäßige Nutzung auf Basis der "Fair Use"-Doktrin der USA darstelle. In dem Fall gehe es so auch darum, das Prinzip der traditionellen Bibliotheksausleihe in der digitalen Welt und die damit verknüpfte freie Wissensvermittlung zu bewahren.

Die Verlage Hachette Book Group, Harpercollins, John Wiley & Sons und Penguin Random House (Bertelsmann) verklagten das Internet Archive 2020 in New York. Sie werfen dem Betreiber vor, er verletze mit seiner Open Library vorsätzlich das Copyright, indem er Bücher scanne, die Digitalisate auf eigene Server hochlade und auf einer öffentlich zugänglichen Website anbiete. Autoren und Verlage würden für diese Nutzungen nicht vergütet. Während der Corona-Pandemie öffneten die Macher ihre schon vorher kritisierte Online-Bibliothek mit damals rund 1,5 Millionen Werken vorübergehend als "National Emergency Library" zusätzlich unbegrenzt für Studenten, was den Zorn der Rechteinhaber noch steigerte. Im März urteilte das angerufene Gericht, dass das Archiv für Urheberrechtsverletzungen haftet und Schadenersatz zahlen soll.

In ihrer Eingabe an das Berufungsgericht argumentieren die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) und die Kanzlei Morrison Foerster im Namen des Betreibers, dass der niederen Instanz Fehler unterlaufen seien. Diese habe die kontrollierte digitale Ausleihe gleichgesetzt mit wahlloser Veröffentlichung. Dies verhinderten "strikte technischen Kontrollen", weswegen das Archiv jüngst auch gegen ein Anti-DRM-Tool vorging. Jedes über die Open Library ausgeliehene Buch sei zuvor "gekauft und bezahlt" worden, "sodass Autoren und Verleger bereits eine vollständige Entschädigung" erhalten hätten. Es gebe auch Belege dafür, dass die auf die Mitglieder des Archivs beschränkte Ausleihe dem Markt für Bücher nicht schade.

Das Bundesgericht auf der Bezirksebene habe zudem "die enormen öffentlichen Vorteile" außer Acht gelassen, schreiben die Verteidiger. Die digitale Bibliothek habe Bildung, Forschung und Wissenschaft erleichtert. 2019 habe das Archiv etwa Bundesmittel für die Digitalisierung und Ausleihe von Büchern über die Internierung japanischer Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs erhalten. 2022 hätten ehrenamtliche Bibliothekare eine Sammlung von Büchern zusammengestellt, die von vielen Schulbezirken zensiert worden seien. "Lehrer haben das Archiv genutzt, um Schülern Zugang zu Büchern für Forschungszwecke zu verschaffen, die vor Ort nicht verfügbar waren", heißt es weiter. Zudem würden Online-Ressourcen wie Wikipedia durch die Verlinkungsmöglichkeiten zuverlässiger.

Angesichts dieser Pluspunkte und des fehlenden Schadens für die Rechteinhaber fördere die Erlaubnis der Nutzung der Open Library die Schaffung und Weitergabe von Wissen als Kernzwecke des Urheberrechts weitaus besser als ein Verbot, lautet der Tenor. In dem Fall stehe "die Integrität unserer veröffentlichten Aufzeichnungen" auf dem Spiel, betont Brewster Kahle, Gründer des Internet Archive. Die "großartigen Bücher unserer Vergangenheit" müssten "den Anforderungen unserer digitalen Zukunft gerecht werden". Solche Werkzeuge seien nötig, "um Manipulationen und Fehlinformationen zu bekämpfen, die jetzt noch einfacher geworden sind". Es gelte letztlich, damit "die Demokratie durch die Schaffung informierter Weltbürger zu stärken".

(mki)