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OpenBazaar: dezentrales Ebay oder neue Silk Road?

Stefan Mey
OpenBazaar: dezentrales Ebay oder Silk Road 3.0?

Ein OpenBazaar-Sahop

(Bild: Screenshot)

OpenBazaar ist eine Software fĂŒr einen völlig dezentralen Marktplatz. Eine disruptive Technik fĂŒr den gesamten E-Commerce – oder nur ein praktisches, neues Tool fĂŒr illegale GeschĂ€fte?

Nach langer AnkĂŒndigung war es endlich so weit: Anfang April wurde die Beta-Fassung der Software öffentlich zugĂ€nglich gemacht. Das Projekt OpenBazaar [1] soll eine neue Phase des Online-Handels einlĂ€uten, meint Entwicklungschef Brian Hoffman: "OpenBazaar ist der erste ernst zu nehmende Versuch eines wirklich dezentralen E-Commerce-Tools."

Brian Hoffman

Brian Hoffman

(Bild: heise online / Stefan Mey)

Die Open-Source-Software ist in wenigen Sekunden installiert. Nach einem kurzen Anmeldeprozess ist das Profil fertig, mit dem man ein Teil des P2P-Netzwerks wird und dann als KĂ€ufer und auch als VerkĂ€ufer auftreten kann. Bezahlt wird ausschließlich in Bitcoins [2]. Eine Transaktion wird direkt zwischen HĂ€ndler und KĂ€ufer abgewickelt. Optional gibt es ein Moderatoren-Modell, das Betrug verhindern soll. Der Kaufpreis wird dabei auf ein "Multisignature"-Treuhandkonto ĂŒberwiesen, die Auszahlung des Geldes kann dann nur ausgelöst werden, wenn zwei von drei Parteien ihre Zustimmung erteilen. Der Moderator schlichtet und entscheidet in StreitfĂ€llen. Er streicht nur eine GebĂŒhr ein, wenn seine Dienste tatsĂ€chlich in Anspruch genommen werden. Auch Moderator kann jeder werden.

Ein Besuch des dezentralen Marktplatzes zeigt schnell, wie sehr das Konzept noch in den Kinderschuhen steckt. Eine Produktseite zu laden dauert mehrere Sekunden, die interne Suchfunktion hat noch keinerlei Filtermöglichkeiten. Nach einem Klick auf "Entdecken" wird eine bunte Mischung an Waren angezeigt: verschiedene Spruch-T-Shirts, aber auch USB-Sticks, Prozessoren und Teebeutel. Ein Schweizer HĂ€ndler will einen Spielzeug-Dinosaurier verkaufen, ein US-Amerikaner einen Gartenzwerg mit Maschinengewehr. Gibt man "Weed" ins Suchfeld ein, sieht man einige Listings fĂŒr Zigaretten, aber auch Offerten von "Doctor Weed", der "medizinisches Cannabis" im Angebot hat. Das allerdings wird nur an Adressen in den USA geliefert.

Zieht ein solcher dezentraler Marktplatz nicht vor allem HĂ€ndler illegaler Produkte an? Dass es keinen zentralen Betreiber gibt, bedeute eben auch, dass die Verantwortung ausschließlich bei den Nutzern liege, meint Hoffman. OpenBazaar sei allerdings auch fĂŒr normale HĂ€ndler sinnvoll: Die klassischen Marktplatz-GebĂŒhren entfallen, der HĂ€ndler habe die Gestaltungsfreiheit eines eigenen Shops und gleichzeitig die Vorteile einer Marktplatz-Community.

Inwiefern sich HĂ€ndler an national geltende Gesetze halten und beispielsweise auch die in Deutschland geltenden RĂŒckgabe- und GewĂ€hrleistungsrechte respektieren, sei denen selbst ĂŒberlassen. Und bei illegalen AktivitĂ€ten wĂŒrden im Zweifelsfall die jeweiligen Behörden aktiv, so wie das bei vergleichbaren FĂ€llen im normalen Web passiere. OpenBazaar sei deswegen kein sicherer Hafen fĂŒr Kriminelle, auch weil es im OpenBazaar-Netzwerk (noch) keinen standardmĂ€ĂŸigen Schutz vor Entdeckung gibt: "Zurzeit ist OpenBazaar nicht anonym, da IP-Adressen angezeigt werden."

UrsprĂŒnglich erdacht hatte das Software-Projekt im Jahr 2014 der anarchistische Netzaktivist Amir Taaki. Damals noch unter dem Namen "Dark Market" laufend, sollte es eine trotzige Antwort auf die Schließung des Darknet-Marktplatzes Silk Road werden. Taaki widmete sich bald anderen Projekten. Der jetzige OpenBazaar-Chefentwickler Brian Hoffman forkte die Software und fand einen neuen Namen, der weniger verdĂ€chtig klingt. Zudem hat er aus OpenBazaar ein klassisches OpenSource-GeschĂ€ftsmodell gemacht. Seine Firma OB1 entwickelt zusammen mit Freiwilligen die Software, will aber in Zukunft auch Dienstleistungen fĂŒr das OpenBazaar-Ökosystem entwickeln und so Geld verdienen. FĂŒr dieses Konzept bekam OB1 Im Juni 2015 [3] Risikokapital in Höhe von einer Million US-Dollar.

Nach Berechnungen der externen OpenBazaar-Suchmaschine Bazaarbay [4] verfĂŒgt das dezentrale Ecommerce-Netzwerk aktuell ĂŒber 20.000 Knoten, es gibt 2500 HĂ€ndler mit insgesamt 8700 Produkt-Listings. Zur Zeit werde OpenBazaar vor allem von Bitcoin-Enthusiasten genutzt und von HĂ€ndlern ausgefallener Produkte genutzt, weswegen das Angebot "ein ziemliches Sammelsurium an Produkten und Dienstleistungen" sei. Wegen der "Tonnen an Vorteilen" gegenĂŒber dem klassischen E-Commerce glaubt er allerdings, dass OpenBazaar irgendwann doch auch in der Mainstream-Nutzung ankommen wird. (anw [5])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3190678

Links in diesem Artikel:
[1] https://openbazaar.org
[2] http://www.heise.de/thema/Bitcoin
[3] https://blog.openbazaar.org/openbazaar-is-entering-a-new-phase-with-funding/
[4] https://bazaarbay.org/stats/month
[5] mailto:anw@heise.de