"Opern statt Autobahnen"

Wie die grüne Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede Deutschlands Gewaltproblem lösen will

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Probleme, für die keine wirkliche Lösung in Sicht ist, werden von Politikern gerne dazu benutzt, dem eigenen Lobbyfeld zusätzliche Gelder oder Rechte zuzuschanzen – seien es Hoteliers ("Wirtschaftswachstum!") oder Sozialpädagogen. Solche Versuche wirken manchmal mehr und manchmal weniger grotesk. Definitiv am letzteren Ende dieser Skala befindet sich die Grünen-Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede mit ihrem Vorschlag, zur Lösung des Gewaltproblems unter dem Motto "Opern statt Autobahnen" einfach mehr Geld in E-Musikspielhäuser zu stecken. Wie das genau funktionieren soll, ließ die nicht für eine Stellungnahme erreichbare kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion ihrer Partei gegenüber dem Bayerischen Rundfunk allerdings offen. Möglicherweise schweben ihr ja Splatter-Inszenierungen von Idomeneo vor, bei denen der geköpfte Mohammed auf der Bühne für eine kathartische Wirkung im Publikum und darüber hinaus sorgt (was in der Realität eher nicht der Fall sein dürfte).

Das von ihr angeführte August-Everding-Zitat "wo Kultur wegbricht, wird Platz frei für Gewalt" deutet jedoch darauf hin, dass Krumwiede (wenn sie nicht einfach zynisch ist und die Forderung wider besseren Wissens äußerte) eher an einen "irgendwie magischen" Zusammenhang zwischen dem von ihr geschätzten Ritualgut und einer Besserung der Welt glaubt. So wie die Naturgesetzpartei, die Mitte der 1990er Jahre mit der Subvention von "yogischen Fliegern" 3000 Milliarden D-Mark einsparen wollte. Oder wie Krumwiedes Parteifreundin Barbara Steffens: Die ausgebildete Studienabbrecherin (Kunstgeschichte, Politik, Afrikanistik, Romanistik, Chemie) und nordrhein-westfälische Ministerin (Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter) glaubt so fest an Homöopathie, dass sie alle Kassenpatienten zwingen will, für das im Postillon sehr treffend erklärte Geschäftsmodell aufzukommen.

Ähnliche Kausalitätsprobleme wie Krumwiede, Steffens und die Naturgesetzpartei hat aber auch der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wenn er, wie gestern, die von seiner Partei vorgesehene Erhöhung der "Städtebauförderung" als Mittel gegen steigende Mieten anpreist. Was beim ersten Hören gut klingt, verkehrt sich in sein Gegenteil, wenn man weiß, was sich haushaltsrechtlich unter dem Begriff verbirgt: Im Gegensatz zur "Wohnungsbauforderung" wird bei der "Städtebauförderung" nämlich kein Steuergeld in den Bau neuer Wohnungen in gefragten Gebieten gesteckt, sondern in das optische Verschönern von wenig beliebten Gegenden, die von Leerstand betroffen oder bedroht sind. In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Geld aus dieser Städtebauförderung häufig für Maßnahmen eingesetzt, die sogar von der direkt betroffenen Bevölkerung als unsinnig abgelehnt wurden. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Aufreißen und Pflastern von Straßen und Plätzen. Kritiker vermuten dahinter enge geschäftliche Beziehungen zwischen Politikern, Architekten und Bauunternehmern.