Opioid-Krise in den USA: Impfungen soll Todesfälle durch Fentanyl verhindern

Durch den neuartigen Impfstoff sollen sich Antikörper an die Opioid-Moleküle heften. So bleiben der Rausch der Drogen und Atmungseinschränkungen aus.

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(Bild: FabrikaSimf/Shutterstock.com)

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Ein Impfstoff soll Fentanyl-Abhängigen in Zukunft bei der Therapie helfen und zumindest einen Teil der Todesfälle verhindern. Der Impfstoff soll Anfang des nächsten Jahres in klinische Tests gehen, ein weiterer, der gegen Heroin wirkt, ebenfalls. "Wenn sich die beiden Impfstoffe in diesen klinischen Tests als sicher und wirksam erweisen, hoffen wir, dass wir die Entwicklung eines Kombinationsimpfstoff vorantreiben können, der beide Opioide adressiert", sagt Jay Evans, Mediziner der University of Montana. Die Impfstoffe wurden in Zusammenarbeit mit mehreren Universitäten in den USA entwickelt, darunter die University of Washington und die Houston University. Tierversuche mit den innovativen Vakzinen verliefen erfolgreich.

Eigentlich soll Fentanyl beim Wegdösen im OP helfen und die Schmerzen von Schwerstkranken lindern. Doch das künstlich hergestellte Opiat ist auch eine äußerst potente Droge, die sehr schnell abhängig macht. Fentanyl wirkt etwa 50 mal stärker als Heroin und 100 mal stärker als Morphium. Zwei Milligramm – vom Gewicht her etwa ein Zehntel eines Reiskorns – können schon tödlich sein. Bei einer Überdosis, konsumiert etwa über gestrecktes Heroin, setzt die Atmung aus. In den USA sterben stündlich mehrere Menschen an einer Fentanyl-Überdosis. Allein im Jahr 2021 waren es rund 70.000.

Der neuartige Impfstoff soll das Immunsystem anregen, Antikörper zu bilden, die sich an die Fentanyl- beziehungsweise Heroin-Moleküle heften. Dadurch verhindert er, dass das Opiat die Blut-Hirn-Schranke durchdringt. Das Ergebnis: Kein High und keine Atmungseinschränkungen.

Wichtig war den Forschenden dabei, dass die Wirkung anderer Opiate durch die Antikörper nicht blockiert wird. Diese können – sollte der Plan aufgehen – weiterhin die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Ärztinnen und Ärzte könnten Geimpften also im Bedarfsfall andere wirksame Opiate zur Schmerztherapie oder zur Anästhesie bei Operationen verabreichen.

Die Impfstoffe sollen vor allem Menschen helfen, die von der Droge loskommen möchten. "Die euphorisierende Wirkung bleibt aus und wird der Weg Richtung Nüchternheit nicht unterbrochen", sagt Colin Haile von der University Houston. Auch Polizisten könnten von der Impfung profitieren, als Prophylaxe, falls sie versehentlich mit Fentanyl in Berührung kommen.

Gegenüber anderen Strategien wie Nasensprays mit Naxolon, das wie ein Gegengift wirke, und Ersatzstoffen wie Methadon und Buprenorphin hat die Impfung laut Haile mehrere Vorteile. Zum Beispiel müssten geimpfte Abhängige nicht immer wieder entsprechende medizinische Einrichtungen aufsuchen und die Rezeptur wirke zuverlässiger.

"Ein psychosoziales Problem allein pharmakologisch zu behandeln, ist natürlich nicht die Lösung", sagt Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung in Frankfurt am Main. Eine Impfung könne aber helfen, vorausgesetzt, sie wirkt über viele Jahre, möglichst lebenslang. Zudem befürchtete der Suchtforscher Ausweichtendenzen. Wenn der Körper einen Rausch fordere, könnten Geimpfte auch auf andere Drogen ausweichen.

Bis sich zeigt, ob und falls ja, wie sehr ein Fentanyl- oder Heroin-Impfstoff gegen Abhängigen hilft, werden ohnehin noch einige Jahre ins Land gehen. Zunächst wollen die Forschenden in ihrer ersten klinischen Studie zeigen, dass die Substanzen auch im Menschen keine unerwünschten Nebenwirkungen verursachen. Dann folgen weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit. Außerdem gilt es herauszufinden, wie lange die Impfung wirkt beziehungsweise in welchen Intervallen sie aufzufrischen ist.

Bis zum zugelassenen Produkt gebe es noch viel zu tun, räumt auch der Impfstoffentwickler Evans ein. "Aber wir sind optimistisch und hoffen sehr, dass die Impfstoffe Erfolg haben werden."

(anh)