P-Rating statt Taktfrequenz beim nächsten Athlon?

Ein von AMD veröffentlichtes Whitepaper nährt Gerüchte, wonach die nächste Athlon-Generation mit einem "Rating"-Wert vermarktet werden soll -- wie vor Jahren die Pentium-Konkurrenten.

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Ein von AMD veröffentlichtes Whitepaper nährt Vermutungen, wonach die nächste Athlon-Generation nicht mehr unter Angabe der Taktfrequenz vermarktet werden soll, sondern mit einem Performance-"Rating" wie vor Jahren die Konkurrenten des ersten Pentium. Die Zahl würde die Rechenleistung in Verhältnis zum Intel Pentium 4 beschreiben; ein Athlon mit 1,5 GHz könnte beispielsweise "1800+" heißen.

AMDs Whitepaper beschreibt die Schwierigkeit, die Geschwindigkeit eines Prozessors festzustellen. Sie sei eigentlich "Taktrate mal IPC", wobei IPC die Zahl der pro Takt abgearbeiteten Befehle (instructions per cycle) sei. Doch AMD nennt keine Lösung, wie der durchschnittliche IPC-Wert eines Prozessors zu bestimmen ist. Auf der einen Seite benötigt die Abarbeitung komplizierter Befehle mehr als einen Taktschritt, auf der anderen Seite können Prozessoren mit mehreren Funktionseinheiten pro Taktschritt mehr als einen Befehl bearbeiten. Letzteres nutzen vor allem die Hersteller von DSPs aus und geben die Rechenleistung ihrer Prozessoren gerne in MIPS (Million Instructions per Second) an, wobei sie das als "Taktrate mal Funktionseinheiten mal Auslastung" berechnen und die Auslastung ohne weitere Begründung optimistisch auf rund 0,8 festsetzen. Die Praxisnähe dieser Rechnung ist zu bezweifeln, doch das Problem wird klar: Der IPC-Wert ist nicht konstant, sondern hängt von der zu bearbeitenden Befehlsfolge ab.

Um vergleichbare Aussagen zu treffen, wählt man als Befehlsfolge meistens Benchmark-Programme und setzt dann das Ergebnis in Relation zum Takt. AMD führt das im Whitepaper mit dem SPECint-Benchmark der SPEC durch und kommt zu dem Ergebnis, dass der Intel Pentium 4 der erste Intel-Prozessor ist, der ein schlechteres SPECint-pro-MHz-Verhältnis hat als seine Vorgänger, schlechter als der Pentium III und sogar Pentium II. Damit er trotzdem schneller arbeitet, musste Intel natürlich die Taktraten erhöhen. Intel-Fellow Justin Rattner hat in einem Gespräch mit Journalisten zugegeben, dass das sogar Absicht war: Ein Designziel beim Pentium 4 sei es gewesen, schnell hohe Taktraten zu erzielen, notfalls auch auf Kosten der Befehle-pro-Takt-Effizienz.

Die tatsächliche Leistungsfähigkeit einzuschätzen, wäre an sich kein Problem, denn es werden genügend Tests und Benchmark-Ergebnisse der verschiedenen Prozessoren veröffentlicht — sie zeigen, dass ein Pentium 4 selbst mit 2 GHz nicht in jedem Test schneller abschneidet als ein Athlon mit 1,4 GHz. Doch offensichtlich verstehen trotzdem so viele Kunden die Taktzahl als Leistungsangabe, dass die Hersteller sich zu Benennungstricks gezwungen sehen. Schon zu Sockel-7-Zeiten kam deshalb so ein "P-Rating" für Prozessoren wie den AMD K5, Cyrix M2 und andere in Mode. Intel selbst verglich eine Zeit lang verschiedene eigene Prozessoren anhand ihres "IComp"-Werts.

Doch solche simplifizierenden Angaben bleiben zu Recht umstritten. Zu unterschiedlich arbeiten die Benchmarks, und zu groß sind die Einflüsse der Systemumgebungen: Will man beispielsweise den AMD Athlon mit 1,4 GHz mit einem P4-Rating versehen, würde er je nach Benchmark ein Rating von 1300 (Windows Media Encoder) über 1800 (BAPCo 2001) und 2100 (BAPCo 2000, PovRay) bis zu 2300 (Linux Kernel Bench) bekommen. Die Umgebung (Chipsatz, Speicher), die zwischen verschiedenen Prozessorplattformen oftmals gar nicht gleichartig sein kann, bleibt dabei völlig außer Acht: Für den 1,4-GHz-Athlon würde beispielsweise das BAPCo-2001-Rating von 1800 nur gelten, falls der Pentium 4 mit dem i850-Chipsatz und teurem Rambus-Speicher läuft. Sitz der Intel-Prozessor hingegen auf einem Mainboard mit dem langsameren SDRAM-Chipsatz i845, käme der Athlon auf ein Rating von 1900 bis 2200 — abhängig vom Speicher-Timing des i845.

Falls AMD also tatsächlich mit der Vorstellung des Desktop-Palomino ein P-Rating einführt, darf man gespannt sein, welche Systemumgebung und welche Benchmarks als Grundlage herangezogen werden. Die Ungenauigkeiten können der Marketing-Abteilung eigentlich egal sein, denn der Kunde, der keine Benchmark-Ergebnisse kennt, wird wohl auch die Aufregung über ein ungerechtfertigtes P-Rating nicht mitbekommen. Nur sollte AMD nicht so hoch greifen, dass die informierten Kunden sich verärgert abwenden. (jow)