Patientenakte für alle: Vorsitzender des Hausärzteverbands warnt vor Chaos-Start

Die elektronische Patientenakte sollen gesetzlich Versicherte automatisch erhalten. Allerdings droht ein Chaos-Start wie beim E-Rezept, sorgen sich die Ärzte.

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Dr. Markus Beier, Co-Vorsitzender des Hausärzteverbands.​

Dr. Markus Beier, Co-Vorsitzender des Hausärzteverbands, fordert eine funktionierende elektronische Patientenakte.

(Bild: HÄV / Marco Urban)

Lesezeit: 3 Min.

Die elektronische Patientenakte (ePA) soll das Herzstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden. Doch der Hausärzteverband warnt vor einem Chaos-Start der ePA, der mitten in der Infektsaison liegt. Der Verband fasst einen Beschluss, in dem es unter anderem heißt: "Ein erfolgreicher Start der ePA im Jahr 2025 ist nur möglich, wenn die technischen, inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen rechtzeitig geschaffen werden".

Den Antrag "Sicherstellung eines erfolgreichen Starts der elektronischen Patientenakte (ePA) im Jahr 2025" hatte Kristina Spöhrer vom Digitalisierungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen gestellt. Die ePA soll Mitte Februar 2025 offiziell deutschlandweit automatisch für alle kommen, die nicht widersprechen.

Um das Potenzial der ePA auszuschöpfen, müssten besonders das Bundesgesundheitsministerium, die künftige Digitalagentur Gesundheit, aber auch die Krankenkassen ihren Pflichten nachkommen. Dazu gehöre etwa, dass die Bürger über ihre Funktionsweise aufgeklärt werden müssen. Die Ärzte könnten der Aufgabe in der Infektsaison jedoch nicht nachkommen. Außerdem sollte die ePA technisch ausgereift und auch entsprechend in den Praxisverwaltungssystemen (PVS) implementiert sein, heißt es in dem Beschluss.

Laut dem Co-Vorsitzenden des Hausärtzteverbandes, Dr. Markus Beier, ist "der Stand der Umsetzung extrem ernüchternd. Alles deutet aktuell darauf hin, dass die PVS-Anbieter zum ePA-Start de facto nicht bereit sein werden. Ihr Versagen würde einen Chaos-Start verursachen – und das mitten in der Infektsaison, in der unsere Praxen sowieso schon vollkommen überlastet sind." Demnach werde ein großer Teil der über 70 Millionen gesetzlich Versicherten "vor unseren Türen stehen und fragen, was nun zu tun ist!", so Beier.

In der Vergangenheit gab es auch Kritik daran, dass die Ärzte zunächst vor allem mit PDF-Dokumenten ohne Suchfunktion arbeiten müssen. Daher sorgen sich Ärzte vor einer "digitalen Schriftenrolle". Bis es eine Volltextsuche gibt, "muss gewährleistet sein, dass die Metadatenfelder der hochzuladenden PDF/A-Dokumente in den PVS-Systemen einfach, automatisch und eindeutig ausgefüllt werden können", heißt es in dem Beschluss. Die Umwandlung des PDF-Dokuments kritisierten Ärzte kürzlich ebenfalls.

Die Ärzte kritisieren insbesondere die unrealistischen Versprechen der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten und warnt vor den Folgen, die der Start der ePA 3.0 und damit verbunden die deutschlandweite Verbreitung selbiger für die Ärzte haben könnte. Möglicherweise könnten falsche Erwartungen für Frust der Beteiligten sorgen.

Zwar gibt es die elektronische Patientenakte bereits seit 2021, jedoch haben sich erst rund 1,5 Millionen Menschen für eine ePA angemeldet. Wie viele die ePA tatsächlich nutzen, ist unklar. Bisher sind die Möglichkeiten begrenzt. Fachgruppen kritisieren zudem regelmäßig, bei der Patientenakte und anderen Diensten wie dem E-Rezept nicht genügend berücksichtigt worden zu sein.

Kritik kam beispielsweise von den Krankenhäusern und der Pflege. Zudem gibt es noch offene Fragen, etwa bezüglich der Forschungsdatenausleitung. Damit soll in Deutschland ein einmaliger und sicherer Forschungsdatenraum entstehen und das Interesse der Pharmafirmen für Investitionen in Deutschland steigen.

In der ePA können Arztbriefe, Befundberichte und Informationen zur Medikation gespeichert werden. Manche Versicherte können zudem ihren Eintrag in das Organspenderegister über die ePA vornehmen. Allerdings gibt es Kritik an der fehlenden Möglichkeit, Dateien im DICOM-Format zu speichern, sowie an der kurzen Testphase und regelmäßigen Störungen der Dienste rund um die Telematikinfrastruktur – der "Datenautobahn" des Gesundheitswesens.

(mack)