Perfekte Werbung: The Little Black Jacket

Der schnell vergriffene Bildband rund um ein kleines Tweedjacket von Coco Chanel ist wieder lieferbar. Höchste Zeit für eine Hommage an gutes Design und die Vielfalt individuellen Ausdrucks.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Robert Seetzen

Der Bildband ist durchgängig in Schwarzweiß gehalten, mit weißer Schrift auf schwarzem Grund.

(Bild: Karl Lagerfeld / Chanel / Steidl Verlag, 2012)

Wenn in einer von Kurzlebigkeit nicht nur geprägten, sondern ganz und gar davon abhängigen Branche ausgerechnet Zeitlosigkeit als eines der höchsten Güter gilt, darf man schon von einer gewissen Schizophrenie sprechen. Was an dieser Stelle wiederum kaum der Rede wert wäre, schließlich geht es um die mit jeder Art von Irrsinn reich gesegnete und auch davon zutiefst abhängige Modewelt.

Nun aber hat ausgerechnet einer der Zaren dieser Zirkel nicht nur der Zeitlosigkeit ein ganz bemerkenswertes Denkmal gesetzt, sondern zugleich auch gezeigt, welche Universalität einem einzelnen Kleidungsstücks innewohnen kann. Die vielleicht beunruhigende Frage nach Sinn und Notwendigkeit hochfrequenten Modeschöpfens scheint da nicht mehr weit.

Der Gegenstand solcher Gedanken wirkt harmlos. In "The Little Black Jacket" geht es tatsächlich nur um ein kleines, schwarzes Jäckchen. Etwas mehr als einhundert Models zeigen sehr verschiedene Interpretationen des von Coco Chanel geschaffenen und von Karl Lagerfeld überarbeiteten Klassikers. Dass dabei viel mehr entstanden ist als nur ein netter Bilderreigen, muss als Verdienst aller Beteiligten gelten.

An erster Stelle gilt der Applaus fraglos dem gelungenen Design. Das Little Black Jacket kleidet Männer wie Frauen, ohne Ansehen ihres Alters, ihrer Figur, ihrer Frisur oder ihres übrigen Outfits. Lagerfeld und die Ex-Vogue-Chefin Roitfeld treiben es mit ihren Stilbeispielen dabei durchaus auf die Spitze, bis hin zum Absurden. Außerhalb des Fotostudios würden wahrscheinlich auch exaltierte Naturen zögern, mit einem Jacket als Kopfbedeckung aufzutreten.

The Little Black Jacket (3 Bilder)

Sarah Jessica Parker (Bild: Karl Lagerfeld / Chanel / Steidl Verlag, 2012)

Wenn aber ein und dasselbe Strickjäckchen einen stattlichen, vollbärtigen Turbanträger ebenso gut und würdevoll kleidet wie ein zierliches Model oder die 80-jährige Yoko Ono, dann staunen sogar ausgemachte Modemuffel. Dabei wirkt das Little Black Jacket niemals uniform. Im Gegenteil: Inmitten der von Lagerfeld und Roitfeld inszenierten, ideenreichen Vielfalt unterschiedlichster Accessoires und Ausdrücke lenkt das immer gleiche Jacket den Blick erst recht auf die darin gekleideten Menschen. Was in Anbetracht der Freude, die während der Fotosessions offenkundig mit im Spiel war, ebenso tiefgründig wie kurzweilig ist. Die technisch exzellente Umsetzung durch den zugleich als Designer und Fotografen tätigen Karl Lagerfeld trägt ihr Übriges zur Lust am Blättern bei.

Letztlich ungeklärt bleibt indes die Frage, ob The Little Black Jacket tatsächlich ein subversives Element in sich trägt. Einerseits kann der Bildband durchaus als Statement gegen die allzu oft hirnfreie Flatterhaftigkeit der Modeszene und ihrer Jünger verstanden werden. Anderseits wecken Lagerfeld und Roitfeld Neugier, sie demonstrieren zugleich den Wert des Zeitlosen wie auch die Freude am Spiel mit Äußerlichkeiten. Und so darf The Little Black Jacket wohl nicht zuletzt als hervorragend gemachte Eigenwerbung gelten.

The Little Black Jacket


Karl Lagerfeld, Carine Roitfeld
Steidl Verlag, Göttingen
113 S/W-Abbildungen
40 x 31 cm, Paperback im Kartonschuber
78,00 Euro
ISBN: 978-3-869-30446-5

(tho)