Petition gegen E-Patientenakte für alle: Sorge vor Salamitaktik

Eine Petition zur geplanten automatischen E-Patientenakte hat die notwendigen Stimmen erreicht. Das Gesundheitsministerium musste daher Rede und Antwort stehen.

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Petitionsausschuss des Bundestags

Anhörung im Ausschuss zur Petition gegen die elektronische Patientenakte für alle

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Inhaltsverzeichnis

Das Digitalgesetz des Bundesgesundheitsministeriums sieht vor, dass ab 2025 automatisch für alle Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) angelegt wird. Wer sie nicht will, muss widersprechen. Aktuell müssen Versicherte sich für das Anlegen der ePA bei ihrer Krankenkasse identifizieren. Eine Petition für die Beibehaltung dieser Opt-in-Lösung bei der ePA hat jetzt das erforderliche Quorum von 50.000 Unterschriften erreicht, sodass sich das Bundesgesundheitsministerium im Petitionsausschuss damit befasst hat.

Die von der Allgemein- und Notfallmedizinerin Dr. Simone Connearn und dem Psychotherapeuten Dr. Andreas Meißner angestoßene Petition sieht in der geplanten Opt-out-ePA einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch böten die ePA und eine zentrale Datenspeicherung keinen Mehrwert bei der Behandlung von Patienten. Häufig werde mit dem medizinischen Notfall und Forschungsvorhaben argumentiert. Informationen über Allergien seien im Portemonnaie oder in der Notfalldose des Patienten jedoch sicherer aufgehoben und schneller auffindbar. Eine zentrale Speicherung von Gesundheitsdaten könne sowohl von unbefugten Dritten als auch vom Staat durch eine Gesetzesänderung missbraucht werden.

In der Vergangenheit habe man bereits versichert, die ePA bleibe freiwillig, so Meißner, doch inzwischen müssen diejenigen widersprechen, die sie nicht wollen. Da freiwillig jedoch erst etwa 1 Prozent der Versicherten über eine ePA verfügen, komme sie jetzt für alle. Auch die Abrechnungsdaten der Krankenkassen werden inzwischen ohne Widerspruchsrecht an das Forschungsdatenzentrum übermittelt. Dabei seien diese pseudonymisiert und nicht anonymisiert, wodurch sich über die Daten Rückschlüsse auf einzelne Personen herstellen lassen.

Ebenso kritisierte Connearn, dass das Arztgeheimnis dadurch ausgehebelt werde, da Ärzte als Datenlieferanten fungieren. Daher warfen die Petenten auch die Frage auf, ob es eine Möglichkeit für die Ärzte gibt, der Befüllung der ePA zu widersprechen. Jedoch werden Ärzte laut BMG künftig dazu verpflichtet, Daten in die ePA zu stellen.

Die Ausführungen von Connearn erwiderte Matthias Mieves von der SPD mit einem Faktencheck. Er wolle zunächst auf zahlreiche "Falschaussagen" von Connearn eingehen. Seiner Ansicht nach sei die ePA weiterhin freiwillig, da es die Möglichkeit geben werde, der ePA zu widersprechen. Meißner erwiderte darauf, dass es ein seltsames Verständnis von Freiwilligkeit sein, wenn man Patienten mit der ePA überrumple. Gerade ältere Menschen würden von der ePA nichts mitbekommen. Die Aussagen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, man könne die Daten in den Praxen automatisch aufzeichnen und gleichzeitig mittels KI in strukturierte Daten für die Forschung umwandeln, würden Meißner zudem beunruhigen.

Eine weitere Falschaussage sei, dass das Arztgeheimnis ausgehebelt werde. "Das Arztgeheimnis besteht weiterhin fort und wer sich nicht daran hält, wird durch Strafen bedroht", so Mieves, der den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesministerium für Gesundheit, Prof. Edgar Franke, anschließend nach den Vorteilen für die Patienten durch die neue ePA befragte.

Als entscheidenden Vorteil der ePA sehe Franke, dass Ärzte besser medizinische Entscheidungen treffen und sich Mehrfachuntersuchen sparen. Ebenso lassen sich unerwünschte Wechselwirkungen bei Arzneimitteln frühzeitig erkennen und fehlende Informationen müssten nicht mehr aufwendig recherchiert werden. Schlussendlich bleibe mehr Zeit für die individuelle Betreuung der Patienten. "In allen europäischen Ländern ist ein Digitalgesetz mit Weitergabe von Daten rechtlich geregelt, und die sind viel weiter", sagte Franke.

Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz will das BMG die kurzfristige Datenverfügbarkeit und die Forschung im Gesundheitswesen erhöhen. BioNTech habe sich zur Krebsforschung bereits nach Großbritannien zurückgezogen. Mit dem GDNG wolle man diese Probleme angehen und Deutschland als Wettbewerbsstandort stärken.

Dem Datenschutz kritisch gegenüber zeigte sich auch Maximilian Funke-Kaiser, FDP. In der Vergangenheit habe man gesehen, "dass Datenschutz und Datensicherheit dazu geführt haben, dass wir nicht zu einer Datennutzung kommen", auch im Vergleich zu anderen EU-Ländern, dabei habe man es mit der gleichen DSGVO zu tun. Daher stelle er sich die Frage, wie man hierzulande künftig "mit der exekutiven Handhabbarkeit vom Datenschutz" umgehen wolle.

Sabine Grützmacher, Bündnis 90/Die Grünen, hält eine elektronische Patientenakte sinnvoll, diese müsse allerdings DSGVO-konform sein. Sie hatte Rückfragen zur Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei der elektronischen Patientenakte, denn in der Kabinettsvorlage für das Digitalgesetz ist "von einer Umstellung der ePA von einer statischen, dokumentbasierten und Ende-zu-Ende verschlüsselten […] zu einer dynamischen, datenbasierten und serverseitigen Lösung" die Rede. Aufgrund aktueller Geschehnisse wie dem Datenabfluss beim Gendaten-Unternehmen 23andMe sei Grützmachers Ansicht nach wichtig, dass derartig sensible Daten, die Aufschlüsse über die Herkunft von Menschen zulassen, besonders sicher geschützt sind.

Einer Vertreterin des BMG zufolge würden "die Daten […] verschlüsselt, übertragen und in der ePA abgelegt", von einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung war nicht die Rede. Ebenso würden die Zugriffe den an der Behandlung Beteiligten ermöglicht, die sich zudem zuvor mit ihrem elektronischen Heilberufsausweis identifizieren werden. Missbrauch werde strafrechtlich verfolgt. Zugriff auf die zentral in der ePA vorliegenden Daten erhalten die Leistungserbringer nur über die Telematikinfrastruktur, dem Gesundheitsnetz.

Antworten auf verschiedene offen gebliebene Fragen von Grützmacher, zum Beispiel, warum das Einvernehmen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zukünftig beschränkt werden soll, wolle das BMG nachreichen. Ebenso die Frage nach den Möglichkeiten bei der Strafverfolgung mit Blick auf Privacy und Security by Design sowie die Frage nach den Vorgaben der eIDAS-Verordnung, nach Einwilligung auch andere Sicherheitsniveaus zu wählen.

Insgesamt stünde der Nutzen der Daten in keinem Verhältnis mit der Gefährdung, sagte Connearn. Echte Mehrwerte für die Forschung dank der ePA-Daten zweifle sie ebenfalls an. Connearn selbst ist bewusst nicht an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Auch höhere Honorarabzüge als 2,5 Prozent ihres Umsatzes würde sie in Kauf nehmen. "Eher gehe ich putzen", so Connearn. Zudem würde die erzwungene Digitalisierung den Arzt viel Zeit und Versicherte Milliardenbeträge kosten. Auch von Simone Borchardt, CDU/CSU-Fraktion, hagelte es Kritik bezüglich der schlecht funktionierenden Digitalisierung des Gesundheitswesens. Unklar sei ihrer Ansicht, ob es reiche, einfach ein Gesetz zu erlassen.

Update

Aussagen der CDU/CSU im letzten Absatz ergänzt.

(mack)