Pilotprojekt Agri-Photovoltaik: Ackerbau unter Solarpaneln

In einem Pilotprojekt entsteht im Wendland in luftiger Höhe eine Solaranlage auf einem Acker. Letzterer soll weiter landwirtschaftlich genutzt werden.

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Ein Beispiel einer Agri-PV-Anlage. Unter den Solarpaneln werden beispielsweise Früchte angebaut.

(Bild: BayWa r.e.)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Britta Körber
  • dpa
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Deutschlands eines Tages größte Agrosolar-Anlage kommt ziemlich unscheinbar daher. Nach monatelangem Verzug wegen Lieferschwierigkeiten von Stahl in der Corona-Pandemie ist der Aufbau der 30 Solarständer auf einem Feld bei Lüchow im Wendland endlich abgeschlossen. "Das ist ein Drama, was derzeit passiert", sagt Markus Haastert von Agrosolar Europe, "wir haben den Stahl aus ganz Europa bestellen müssen." Auf dem ein Hektar großen Acker entsteht eine riesige Photovoltaik-Anlage auf sechs Meter hohen Stelzen.

Der Clou des Projektes auf den Flächen der Kräuter-Firma Steinicke: In der Höhe soll die Sonnenenergie gewonnen werden, direkt unter den teiltransparenten Glas-Paneelen wird im nächsten Frühjahr Schnittlauch angepflanzt. Die doppelt verglasten Module, die auf beiden Seiten Strom produzieren, schützen die Pflanzen gegen Hagel und Unwetter. Durch das Mikroklima brauche man bis zu 20 Prozent weniger Bewässerung. "Wir haben alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengetragen und wollen die Fläche doppelt nutzen", erklärt Haastert. Energie- und Landwirtschaft werden kombiniert.

Die Pilotanlage im Wendland soll mehr als 700.000 Kilowattstunden produzieren. Kostenpunkt 1,3 Millionen Euro, 400.000 Euro davon kamen als Anschubfinanzierung vom Bundesumweltministerium. Die Firma wurde im Zuge des Umweltinnovationsprogramms ausgewählt. "Das ist eine Win-Win-Situation für das Klima, für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und die Lebensmittelerzeugung", sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth bei der Übergabe des Förderbescheids im Juni.

"Die Anlage muss komplett ohne weitere Förderung auskommen, es muss also wirtschaftlich funktionieren", sagt Steinicke-Geschäftsführer Robert Lettenbichler. Unter dem Vorbehalt, dass es funktioniert, ist eines Tages eine Erweiterung auf zehn Hektar geplant. Derzeit braucht der Betrieb 488 Kilowattstunden pro Stunde zur Verarbeitung von Karotten, Lauch und Spargel zu luftgetrockneter Ware. Der Energie-Überschuss wird dann verkauft. Die Stromproduktion kann am Jahresende losgehen.

Ein Kran hebt die Paneele auf die Stahl-Stelzen – darunter passt locker ein Trecker durch. Mit zwei Quadratmetern Größe und 28 Kilogramm Gewicht seien dies die größten Einzelsolar-Paneele, die man derzeit bekommen könne. Für die Fundamente wird kein Beton eingesetzt, stattdessen werden Metallstangen in die Erde getrieben. Die Ständer sind wie Wurzeln im Boden. "Wir imitieren die Natur, das ist unser Ansatz", erklärt Haastert. 2017 sei schon eine Demonstrationsanlage in Heggelbach am Bodensee errichtet worden.

"Eine Idee dabei war, Energie-autark zu werden", erklärt Lettenbichler. Der Maschinenbauingenieur diskutiert mit Haastert über den Neigungsgrad der Paneele – zurzeit gehen sie von 20 Grad gen Süden aus. Gut gelaunte Fachgespräche auf dem Feld, nachdem das milde Wetter den Aufbau begünstigt hat und die langwierige Genehmigungsprozedur hinter ihnen liegt.

"Die Bürokratie ist irrsinnig", sagt Lettenbichler und Seniorchef Georg Lettenbichler stimmt zu: "Das muss attraktiver werden." Der politische Wunsch der Unternehmer: Die Rahmenbedingungen und Antragsverfahren müssten verschlankt werden. "Das ist die Chance, die da ist für die neue Regierung", sagt Haastert. Die mit der Anlage vermiedenen CO2-Emissionen beziffert er auf etwa 430.000 Kilogramm pro Jahr. Der Betrieb mit 120 Mitarbeitern und einem Umsatz von 30 Millionen Euro im Jahr 2020 will bis 2030 klimaneutral sein.

Schnittlauch wurde ausgewählt, weil die Zwiebelpflanze zu den Halbschattengewächsen zählt. "Nicht jede Art von Gemüse ist dafür geeignet, auch Weizen funktioniert nicht so", erklärt Georg Lettenbichler. Erwirtschaftet werden sollen 30 Tonnen pro Jahr, im Verhältnis 1 zu 10 werden daraus drei Tonnen getrocknete Kräuter. So komme man auf einen Nutzungsgrad von circa 180 Prozent auf der Fläche, für Energie und Anbau. Also fast das Doppelte – weil die Fläche schließlich zweimal genutzt wird.

(olb)