Pionier zwischen Computer und Kunst: Herbert W. Franke ist tot

Herbert W. Franke galt als Pionier der Computerkunst und Vordenker des Metaverse. Er ist am Samstag im Alter von 95 Jahren im Kreise seiner Familie gestorben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 37 Kommentare lesen

Herbert W. Franke (1927 - 2022)

(Bild: twitter.com)

Update
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • dpa

Der Künstler, Physiker und Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke ist tot. Er ist am Samstag im Alter von 95 Jahren im Kreise seiner Familie im oberbayerischen Egling (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) gestorben, teilte ein PR-Berater unter Berufung auf die Ehefrau des Verstorbenen mit.

Der in Österreich geborene Franke galt als Pionier der Computerkunst und Vordenker des Metaverse, eines digitalen Raums. 1979 hatte er das Festival Ars Electronica in Linz mitbegründet.

Seine Frau Susanne Päch meldete sich nach dem Tod ihres Ehemannes auf dessen Twitteraccount zu Wort. "Herbert nannte sich gerne den Dinosaurier der Computerkunst", schrieb sie auf Englisch. Er sei in dem Wissen gestorben, dass eine Gemeinschaft von Künstlern und Kunstbegeisterten seine Arbeit zutiefst schätzen und sich um seine Kunst und sein Vermächtnis kümmern.

Auch auf die Biennale in Venedig hatte Franke es geschafft, im Jahr 1970 mit einem Siebdruck. Das mit einem Digitalcomputer geschaffene Werk sei sein erstes gewesen, bei dem er den Zufall mit einem Algorithmus zusammenarbeiten ließ, schreibt der PR-Berater. Franke war auch Mitglied der Schriftstellervereinigung PEN Deutschland und schrieb Science-Fiction-Werke wie "Der grüne Komet" oder "Zentrum der Milchstraße". Auch Lehraufträge hatte er, unter anderem an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Akademie der Bildenden Künste in München. Das österreichische Bundeskulturministerium verlieh ihm 2007 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse.

Das in der oberösterreichischen Stadt Linz angesiedelte Museum Francisco Carolinum für Fotografie und Medienkunst nannte Franke ein Universalgenie und Urvater der Medienkunst. Anlässlich seines 95. Geburtstages am 14. Mai hatte ihm das Museum eine Ausstellung gewidmet, die erst vor wenigen Tagen endete.

Update

Während die Technik andere im Rentenalter längst überfordert, mischte Herbert W. Franke sogar noch beim Hype um NFTs mit – mit 95 Jahren. 100 dieser Non-Fungible Tokens oder digitalen Echtheitszertifikate hatte er am 1. Juni für Kunstwerke seiner Serie "Math Art" veröffentlicht – und binnen 30 Sekunden verkauft. Ein Erfolg, wie vieles im Leben des Ausnahme-Wissenschaftlers und Computer-Künstlers aus Österreich.

"Selten trifft die Bezeichnung Universalgelehrter zu – Herbert W. Franke war einer von ihnen", würdigte Österreichs Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) den Verstorbenen. "Er vereinte physikalisches, mathematisches, philosophisches und chemisches Wissen und war in vielem seiner Zeit weit voraus."

In der Tat hatten Frankes Talente eine enorme Bandbreite. Nach dem Abitur in seiner Geburtsstadt Wien studierte er Physik, Chemie und Mathematik sowie im Nebenfach Psychologie und Philosophie. Er schrieb Science-Fiction-Bücher, forschte etwa im Bereich der Elektrotechnik, war fasziniert von künstlicher Intelligenz, lehrte unter anderem an der Akademie der Bildenden Künste in München. Fasziniert war er auch, wenn es darum ging, Höhlen zu erkunden oder Tropfsteine zu datieren.

Neben all der Wissenschaft galt er als Pionier der Computerkunst und -grafik. "Man pflegt die Technik als kunstfeindliches Element abzutun. Dass sie das nicht ist, ja, dass sie uns sogar ungeahntes künstlerisches Neuland erschließt, will ich zu beweisen versuchen", schrieb Franke 1957 in seinem Buch "Kunst und Konstruktion". Eine Art Leitmotiv für den Neugierigen, der mit Fotografie experimentierte und früh Kunstwerke mit Hilfe von Computern kreierte.

Dass Franke die reale Welt nicht mehr ausreichte, lag eigentlich auf der Hand. Und so begab er sich in virtuelle Reiche und galt bald als Vordenker des Metaverse, eines kollektiven, digitalen Raumes. Hier eröffnete er etwa Ende der 2000er-Jahre mit seiner Frau Susanne auf der Plattform Active Worlds die Z-Galaxy, ein dreidimensionales Ausstellungsgelände mit Werken von ihm selbst, aber auch von anderen.

Die Faszination dieser Welten beschrieb Franke 2010 in seinem Buch "Die Zukunftsmaschine" mit Science-Fiction-Erzählungen: "So gibt es fantastische Möglichkeiten für die Kunst, wobei der Künstler zu einem Schöpfer wird, der, wenn er will, neben den Landschaften und der Architektur auch die physikalischen Grundgesetze ändert. Er schafft Welten, in denen er schwerelos schwebt, sich unsichtbar macht oder durch Mauern hindurch spaziert – und er kann sein Publikum in diese Welten mitnehmen."

2017 übergab er dem Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe Unmengen an Dokumenten, Büchern, Skizzen, Briefen, Fotografien, Ton- und Bildaufnahmen und Hörspielen. Das Vermächtnis eines erfolgreichen Lebens, das Franke aber mit leichter Ironie betrachtete, wie ein Tweet seiner Ehefrau nahelegt, den sie nach dem Tod ihres Mannes auf dessen Account postete: "Herbert nannte sich gerne den Dinosaurier der Computerkunst", schrieb Päch. Witz gepaart mit scharfer Zunge spiegelt sich auch in seinen Gedichten, so etwa in dem Zweizeiler "Geist": "Wer Geist hat, macht davon Gebrauch. Wer nicht, versucht dies meistens auch."

(bme)