Plattenlabel verklagen Verizon, weil es Copyright-Sünder versorgt

Drei Dutzend Plattenlabel verklagen den US-Netzbetreiber Verizon; er unternehme zu wenig gegen Copyright-Verletzer unter seinen Kunden.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Winziges Piano

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Mittels Bittorrent kann man offenbar weiterhin wertvolle Musikaufnahmen gebührenfrei herunterladen; das geht aus einer US-Klage von zirka drei Dutzend Plattenfirmen gegen Verizon hervor. Sie beschuldigen den Netzbetreiber, nicht angemessen auf Copyright-Beschwerden der Rechteinhaber gegen Internetnutzer zu reagieren. Die Kläger wünschen sich, dass Verizon die Internetzugänge der Übeltäter stilllegt; weil das nicht geschehen sei, soll Verizon nun zirka 2,6 Milliarden Dollar zahlen, zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten, so der Wunsch.

Zu den Klägern zählen unter anderen Universal, Capitol, Atlantic, Elektra, Warner Music und Sony Music. Sie geben an, eine spezialisierte Firma mit der Überwachung von Filesharing beauftragt zu haben. Diese Firma habe Verizon dann mehr als 340.000 Copyright-Beschwerden zugemittelt. Darin sei jeweils die IP-Adresse des beschuldigten Anschlussinhabers genannt worden. Für Tausende IP-Adressen seien mehr als 20 Beschwerden eingereicht worden, über 500 Anschlüsse seien mindestens 100 Mal ins Visier der Rechteinhaber geraten; für drei IP-Adressen habe das beauftragte Unternehmen sogar jeweils mehr als 2.000 Beschwerden abgeschickt.

Doch, so der Vorwurf, Verizon habe diese Kunden nicht rausgeschmissen. Daraus ziehe "Verizon direkte finanzielle Vorteile", zumal die beschuldigten Kunden für ihre Internetanschlüsse bezahlen. Außerdem spare sich Verizon dadurch Geld, dass es keine wirksamen Maßnahmen gegen wiederholt Copyright verletzende Kunden setze. Die Plattenlabel gehen offenbar davon aus, dass hinter den IP-Adressen stets der selbe Anschlussinhaber steckt. Mit der Klage möchten die Plattenlabel Verizon entweder für Beiträge zu Copyrightverletzung zur Verantwortung ziehen (contributory infringement), oder stellvertretend für seine copyrightverletzenden Kunden haften lassen (vicarious infringement). In jedem Fall sieht US-Recht pauschalen Schadenersatz von bis zu 150.000 US-Dollar pro Verletzung vor.

Die Kläger haben bei Gericht eine (ausdrücklich unvollständige) Liste von Musikaufnahmen eingereicht, die Verizon-Kunden rechtswidrig mittels Bittorrent kopiert haben sollen. Die Liste ist mehr als 400 Seiten lang. Die Klage bezieht sich ausdrücklich nur auf Copyright-Verletzungen, die nach der ersten Beschwerde hinsichtlich der jeweiligen IP-Adresse im Verizon-Netz erfolgt seien.

US-Provider unterliegen keiner gesetzlich geregelten Pflicht, verdächtige Kunden nach einer bestimmten Zahl an Beschwerden vom Internet zu trennen. Manche Internet Service Provider (ISP) haben allerdings entsprechende Klauseln in ihre Vertragsbedingungen aufgenommen.

Besonderen Anstoß nehmen die Plattenlabel an Verizons Herangehensweise an das Thema. Zwar hat der Netzbetreiber ein eigenes Portal eingerichtet, über das Rechteinhaber ihre Copyright-Beschwerden gegen Verizon-Kunden automatisiert einreichen können. Verizon leitet diese an die betroffenen Anschlussinhaber weiter. Allerdings verlange Verizon Gebühren für die Nutzung dieses Portals und verlange, dass Rechteinhaber eine Haftungsbefreiung für Verizon unterzeichnen und die Nutzungsbedingungen geheim halten. Rechteinhaber, die das nicht akzeptieren, könnten ihre Beschwerden auch per E-Mail einreichen, doch bearbeite Verizon diese E-Mails nicht weiter, so der Vorwurf.

heise online hat Verizon zu einer Stellungnahme eingeladen. Das Verfahren heißt UMG Recordings et al v Verizon et al und ist am US-Bundesbezirksgericht für das Südliche New York unter dem Az. 24-cv-05285 anhängig. Beklagt sind sowohl die Mobilfunksparte Verizons mit zirka 145 Millionen Anschlüssen als auch die Festnetzsparte mit etwa elf Millionen Breitbandzugängen.

2021 haben Geschworene im US-Staat Virginia den US-Provider Cox als Beitragstäter für Copyrightverletzungen seiner Kunden zu einer Milliarde Dollar Schadenersatz verurteilt (Sony Music et al v Cox Communications et al, US-Bundesbezirksgericht für das Östliche Virginia, Az. 1:18-cv-00950). Allerdings hat das Bundesberufungsgericht für den vierten Bundesgerichtskreis im Februar entschieden, dass diese Summe unangemessen ist (Az. 22-1451); das Bundesbezirksgericht soll eine neue, niedrigere Summe bestimmen. New York liegt nicht im vierten, sondern im zweiten Bundesgerichtskreis.

(ds)