"Polens Watergate": Skandal um Spyware-Angriffe auf Opposition weitet sich aus

Die Angriffe mit der Pegasus-Spyware auf Polens Opposition wurden wohl vom Staat bezahlt, angeblich gibt es eine Rechnung. Und es gibt weitere Enthüllungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 82 Kommentare lesen

(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

In Polen hat sich der Skandal um Spyware-Angriffe auf die Opposition zwischen den Jahren deutlich ausgeweitet, Kritiker sprechen von einer "Krise der Demokratie" und "Polens Watergate". Hintergrund sind Berichte, denen zufolge nicht nur ein prominenter Oppositionsanwalt und eine regierungskritische Staatsanwältin mit der Spyware Pegasus der NSO Group angegriffen wurden, sondern auch der Senatsabgeordnete Krzysztof Brejza, der 2019 den Wahlkampf der Opposition verantwortet hat. Von seinem Mobiltelefon abgegriffene Textnachrichten seien manipuliert und vom Staatsfernsehen in Polen für Angriffe verwendet worden, hatte die Nachrichtenagentur AP vor wenigen Tagen berichtet. Deswegen wird inzwischen sogar angezweifelt, dass das Wahlergebnis fair war.

Die Enthüllungen in Polen sind das jüngste Kapitel rund um die israelische Firma NSO, die seit vergangenem Sommer im Zentrum besonders heftiger Kritik steht. Damals war öffentlich gemacht worden, dass die Spyware auf Dutzenden Smartphones von Journalisten und Journalistinnen, Menschenrechtler und Menschenrechtlerinnen, deren Familienangehörigen und Geschäftsleuten gefunden worden. Die Liste ist danach immer länger geworden und auch die Zahl der Staaten, die die Spyware gekauft haben sollen, wurde länger und länger. Die NSO Group hatte versucht, sich möglichst wenig zu äußern und lediglich versichert, nur mit legitimen, vom israelischen Verteidigungsministerium überprüften Regierungsstellen zusammenzuarbeiten.

In Polen weitet sich der Skandal nun immer weiter aus. Staatliche Aufsichtsbehörden haben angeblich eine Rechnung für den Kauf der Pegasus-Sypware gefunden, eine formelle Untersuchung könnte folgen. Das berichtet das Onlinemagazin Notes From Poland, während die Zeitung Gazeta Wyborcza meldet, dass für den Kauf in gesetzeswidriger Weise Finanzmittel verwendet worden seien, die dafür nicht freigegeben waren. Zuvor hatte Donald Tusk, der Parteichef der oppositionellen Bürgerplattform (PO), von der "größten, schwersten Krise der Demokratie seit 1989" gesprochen. Polnische Medien nennen sie laut dem Guardian bereits "Polens Watergate" und erinnern damit an jenen Spionageskandal, der US-Präsident Richard Nixon 1974 zum Rücktritt veranlasste. Polens Opposition hat Untersuchungsausschüsse verlangt.

Aus der regierenden PiS-Partei ("Recht und Gerechtigkeit") wird sich derweil über die Vorwürfe lustig gemacht, Forderungen nach mehr Aufklärung werden zurückgewiesen. Mehrfach wurde insbesondere die Formulierung verwendet, dass man sich doch gar nicht sicher sein könne, ob es bei der ganzen Angelegenheit nicht in Wahrheit um eine Spielkonsole geht, "die auf dem Dachboden gefunden wurde". Die Pegasus war ein Nachbau des Nintendo Entertainment System (NES), der Anfang der 1990er-Jahre unter anderem in Polen verkauft wurde. Ein Sprecher der Partei meinte sogar, es gebe genauso wenig Beweise dafür, dass Reptilien die Welt beherrschen wie für die Spyware-Vorwürfe und das würde auch nicht untersucht.

(mho)