Popkomm: Mobile Music als großer Hoffnungsträger [Update]

Die Telekom hat für Musicload die "Mobile Jukebox" gestartet, doch noch sind Experten skeptisch, ob das Handy wirklich der große iPod-Killer ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 72 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Labels, Netzbetreiber und Gerätehersteller setzen auf neue Einnahmequellen durch den Musikverkauf übers Mobiltelefon. "Mobile Music" ist eines der Schlagworte der noch bis morgen laufenden Popkomm in Berlin. Für die langsam wieder rosigere Töne anschlagende Musikindustrie ist die Eroberung des Handys ein wichtiger Strohhalm, auch wenn noch nicht klar ist, ob die Nutzer wirklich auf Dauer anbeißen und wie viele Spieler etwas vom Kuchen abhaben wollen. Stefan Schul, Chef der Mobilsparte des Labels Universal Music Deutschland, begrüßte auf der Musikmesse jedenfalls, dass mit Apple ein inzwischen wichtiger Partner im Content-Geschäft seine iTunes-Software nun erstmals für das "ROKR"-Handy Motorolas adaptiert hat. Der Vertrieb ganzer Songs über das Mobiltelefon, den sein Haus ab dem vierten Quartal zulassen will, sei eine "Entlastung" für das Geschäft mit Klingeltönen, das bislang noch 95 Prozent des mobilen Inhaltemarktes "auf seinen Schultern trage".

Deutlich stärker an den Boom der bei Schritt und Tritt herunterladbaren Songs glaubt die Deutsche Telekom. Ihre beiden Töchter T-Online und T-Mobile haben sich zusammengerauft und die Mobile Jukebox gestartet. Mit dem Webshop, der auf das Repertoire des deutschen Marktführers Musicload zurückgreift, können T-Mobile-Privatkunden künftig Musiktitel direkt aufs Handy laden. Die Download-Plattform wandelt ihren gesamten Katalog dafür aktuell ins spezielle Mobiltelefon-Format aacPlus um. Die erworbenen Rechte gelten auch für den PC, sodass ein Austausch zwischen beiden Plattformen gesichert ist. Eine Ersatzlizenz ist sechs Monate gültig, Brennen auf CD bis zu zehnmal gestattet. [Update]: Die Telekom-Schwestern setzen dabei auf das DRM-System der Schweizer SDC AG.

Die Preise für Songs aus der Jukebox, die als aacPlus-Datei mit 32-KBit-Encoding auf dem Mobiltelefon und in Microsofts WMA-Format mit 128-KBit-Encoding auf dem PC ausgeliefert werden, starten bei 1,29 Euro. Die Applikation läuft momentan auf den UMTS-Mobiltelefonen Nokia 6630 und 6680 und dem T-Mobile MDA compact, die Download-Zeit über das 3G-Netz gibt Musicload mit durchschnittlich einer Minute an. [/Update] Bezahlt wird über die Handy-Rechnung. Die Erwartungen sind laut Marc Schröder, Entertainment-Manager bei T-Online, hoch: Marktauguren würden für 2008 bis zu 800 Millionen Euro Umsatz für Mobile Music versprechen. Zu diesem Zeitpunkt sollen 85 Prozent der Mobiltelefone fähig sein, Songs abzuspielen.

Auch Sascha Lazimbat, Mitentwickler der Sparte Mobile Content bei Vodafone und inzwischen Mitglied der Geschäftsführung des Musikvermarkters Zebralution, geht davon aus, dass das Musik-Handy bald den "nicht vernetzten MP3-Player oder iPod ersetzt". Schon jetzt seien Mobiltelefone mit 4 Gigabyte fassenden Festplatten auf dem Markt. Dazu komme der Vorteil, nur noch ein Gerät mit sich herumtragen zu müssen und die Musik von überall aus "nachfüllen" zu können. Er hofft dabei vor allem auf "Impulskäufe", wenn den Nutzer beim Hören eines Songs unterwegs spontan die "Haben wollen"-Lust befalle. Mit Techniken zur Titelerkennung und zur Superdistribution sei das Potenzial der Konvergenzgeräte "unbegrenzt".

Weniger euphorisch blickt Alexander Wolf, bei der GEMA für internationale Lizenzen zuständig, auf das rumorende Handy. Die Musikverleger würden die mobile Welt zwar "als wichtigen Markt sehen". Doch noch gebe es Hürden. "Die ultimativen Umsatzträume der Netzbetreiber sollten auch die Träume der Rechtehalter sein", betonte er das Interesse der Urheberseite an einer angemessenen Beteiligung an den prognostizierten Gewinnen. Es lägen für Deutschland auch bereits entsprechende Gerichtsentscheidungen vor, aber man befinde sich hierzulande in einer "Kriegszone" und jeder Schritt löse einen "Standardprozess für die Auseinandersetzung zwischen Inhalte-Anbietern und Betreibern aus".

Martin Dietz, Chef der aacPlus vermarktenden Nürnberger Firma Coding Technologies, beklagte zudem, dass "es noch kein gutes Nutzererlebnis bei Downloads direkt aufs Handy gibt". Man könne Deutschland nicht etwa mit Südkorea vergleichen, wo die 3G-Netze schon deutlich weiter ausgebaut sind. Steve Mayall vom Magazin MusicAlly erinnerte daran, dass in Südkorea mit den Rechtehaltern und Content-Lieferanten kurzer Prozess gemacht worden sei: Dort habe ein großer Netzbetreiber einfach die Mehrheitsanteile des wichtigsten einheimischen Labels übernommen.

Gilles Babinet, Vorstandsvorsitzender des französischen Inhalteanbieters musiwave, hat weitere Hindernisse bei der Standardisierung ausgemacht: das Arbeiten mit WMA für den PC und gleichzeitig aacPlus fürs Handy sei überaus "kniffelig" und OMA habe "noch einige Patentprobleme". Noch ist auch die Kompatibilität der Plattformen dürftig: die mobile Jukebox von Musicload steht auf dem PC nur Windows-Nutzern offen. Die mehr oder weniger starken DRM-Fesseln für Musik-Downloads, welche die Blogger von Netzpolitik.org aktuell für die größeren Anbieter zusammengestellt haben, könnten das legale Musikgeschäft zudem allgemein noch beeinträchtigen. Babinet ist sich trotzdem sicher, dass "der langfristige Ausblick leuchtend ist". (Stefan Krempl) / (pmz)