Popkomm: Trends vermisst

Dudelfunk als Trend-Killer: Die Kölner Popkomm schließt mit Besucher-Rückgang ab.

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Von
  • Carsten Meyer

Einen Besucherrückgang um 14 Prozent auf 14.553 Fachbesucher musste die am 17. August beendete Popkomm 2002 hinnehmen, was die Veranstalter angesichts der angespannten Situation im Tonträgermarkt nicht verwundert. Trotzdem gibt man sich zuversichtlich: Der Umzug in die neuen, lichtdurchfluteten Hallen 5, 6 und 7 des Congress Centrum West sei symbolisch und wegweisend für die zukünftige Entwicklung in der Musikbranche. "Gemeinsam kann die Musikwirtschaft die Zukunft für Musik und mit Musik gestalten", so Gerd Gebhardt, Vorstandsvorsitzender der Phonoverbände. "Die Popkomm ist der richtige Rahmen, um diese Gemeinsamkeit zu prüfen und zu festigen. Die neuen Hallen bieten dafür das richtige Ambiente."

Mit 62,2 Prozent war der Anteil der ausländischen Aussteller höher denn je; 797 Aussteller aus 29 Ländern belegten die 25.000 Quadratmeter der Messe. Das Resümee von Uli Großmaas, Geschäftsführer der Musik Komm. GmbH: "Dass die Zeiten von höher, größer, weiter vorbei sind, ist nichts Neues. Umso erfreulicher ist die absolut positive Resonanz auf die qualitative Wertigkeit der Popkomm, sowohl in Bezug auf die Fachbesucher als auch die Kongressgestaltung. Die inhaltliche Tiefe, die die Popkomm 2002 kennzeichnete, ist richtungsweisend für die Entwicklung der gesamten Branche." Universal-Boss und Trend-Spürnase Tim Renner glaubt fest an den Auf- und Durchbruch: "Das Gute an der Krise ist: Die Kirche füllt sich. Das heißt, die Leute suchen nach Inhalten, sie suchen nach Emotionen und nach Trost. Wir sollten mit viel Kraft aus dieser Popkomm gehen."

Doch Renner vermutet, wie andere Experten auch, als Grund für die Krise eher ein kreatives Loch in der Musik selbst, gegraben vom einstigen Trendsetter Hörfunk, der inzwischen in panischer Angst vor Hörerverlusten auch im öffentlich-rechtlichen Lager jedes kreative Risiko meidet. Heraus kommt, so Uwe Janssen in der Hannoverschen Allgemeinen, "ein musikalischer Einheitsbrei, der den Musikproduzenten zum Diktat wird".

Moderatoren mit eigenem Musikprogramm, Rückgrat und Gesicht sind längst Geschichte, ausgetauscht gegen massenkompatible, penetrant gutlaunige Allerwelts-Quassler, ständige Stations-Selbstbeweihräucherungs-Jingles und computergenerierte Otto-Normalverbraucher-Playlists von kaum zu unterbietender Schlichtheit: "Ein flacher See von Musik", wie Deutschrapper Smudo sagt. Der "demokratische Zugang" der Künstler und derer, die sich dafür halten, zu computergestütztem Produzieren, zu immer ausgefeilteren "Musikmachmaschinen" trägt ebenfalls nicht unbedingt zur Qualität der Musik bei, meint Viva-Chef und Popkomm-Gründer Dieter Gorny: "Dass alle alles können, macht es nicht besser."

Ob da eine Quotierung der Hörfunkprogramme hilft, wie von Gerd Gebhardt vorgeschlagen und von Staatsminister Prof. Dr. Nida-Rümelin befürwortet, sei dahingestellt. Ziel der Quotierung ist es, die Vielfalt der Musikkultur zu stärken: Die Quote soll vor allem neue Talente stützen und die Präsenz deutschsprachiger Produkte steigern. Folgende Regelungen schlägt die deutsche Musikwirtschaft, vertreten durch den Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft und den Deutschen Musikverlegerverband für alle öffentlich-rechtlichen Sender vor: 50 Prozent aller gesendeten Musiktitel sollen demnach Neuheiten stellen; die Veröffentlichung des Titels erfolgt innerhalb der letzten drei Monate, die Interpreten haben bisher höchstens zwei Alben veröffentlicht, von denen noch keines den Gold-Status (150.000 verkaufte LPs) erreicht hat, und wiederum die Hälfte der Neuheiten sollen deutschsprachige Titel sein. Bernd Dopp, Präsident von Warner Music Deutschland: "Im Radio werden viel zu wenige Neuheiten gespielt. Die 50:50-Quote kann endlich wieder für mehr aktuelle, innovative Musik sorgen, die neue Hörer findet und ehemalige zurückgewinnt." (cm)