Positivdaten: Schufa und Tk-Anbieter beenden Streit mit Datenschützern

Dürfen Auskunfteien sogenannte Positivdaten von Telekommunikationsanbietern speichern? Jetzt hat die Schufa beschlossen: Die Positivdaten werden gelöscht.​

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Schufa-Schriftzug auf Gebäude

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Was ist ein schlechter, was ein guter Kunde? Diese Frage versuchen Auskunfteien seit Jahrzehnten zu beantworten – oft mit umstrittenen Methoden. Die Schufa wird jetzt Daten von Millionen Kunden löschen, die Telekommunikationsanbieter an sie gemeldet hatten. Dabei handelt es sich um Daten aus sogenannten "Servicekonten". Das Prinzip hinter den Datensammlungen war simpel: Wenn ein Telekommunikationsvertrag geschlossen wurde, wurde das der Schufa gemeldet und für die Berechnung der Bonität genutzt. Wenn jemand nach Einschätzung der Auskunftei zu viele Verträge hatte oder diese Verträge erst kurz liefen, senkte das den Schufa-Score und damit einen wesentlichen Kreditwürdigkeits-Berechnungs-Baustein. Hatte jemand allerdings länger als fünf Jahre laufende Verträge mit einem Anbieter, wurde das grundsätzlich positiv für dessen Score gewertet. Aus dem Vorhandensein von Vertragsbeziehungen wurden also Schlüsse gezogen – ohne dass dabei bereits eine konkrete Information zur tatsächlichen Solvenz des Kunden geflossen wäre.

Seit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung vor fünfeinhalb Jahren stritten Telekommunikationsanbieter und Schufa auf der einen Seite, Datenschützer auf der anderen Seite – bis hin zu Gerichtsverfahren. Die Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden hatte mehrfach ausgeführt, dass sie eine einwilligungslose Verarbeitung über das Abschließen von Verträgen für unvereinbar mit der DSGVO hält. Die Datenschützer vertreten die Position, dass ohne Einwilligung nichts geht – und ein Vertrag nicht davon abhängig gemacht werden darf. Ähnlich sah das auch das Landgericht München I im Fall eines Telefonica-Kunden. Ein rechtskräftiges Urteil gibt es allerdings noch nicht, Telefonica ging hier in Berufung.

Nach diesem jahrelangem Hin und Her ziehen Schufa und Telekommunikationsanbieter nun offiziell den Stecker: Die bereits vorhandenen Daten zu gut 20 Millionen Kunden sollen jetzt verschwinden. "Telekommunikationsunternehmen und Schufa haben entschieden, Informationen zu Vertragskonten aus dem Telekommunikationsbereich, die im Besonderen zum Schutz vor Betrug und Datenmissbrauch durch Dritte an die Schufa gemeldet wurden, nicht mehr zu nutzen", teilt der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) mit. Lob kommt dafür von Verbraucherschützern: "Für den Datenschutz und die Verbraucher ist das ein guter Schritt", sagt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die das Verfahren in München geführt hat.

Seit März 2022 hatten die Telekommunikationsanbieter bereits aufgehört, neue Daten anzuliefern. Entsprechend verloren die vorhandenen Daten über die Zeit auch an Aussagekraft. Auch weitere, ähnliche sogenannte Positivdaten will die Schufa nicht mehr erheben und verwenden. Vergleichbare Bewertungen von lang laufenden Nutzerbeziehungen gab es bislang etwa auch im Handel.

Der Schufa-Score soll sich bei den Betreffenden mit der Datenlöschung nur minimal verändern, erwartet die Schufa: Bei 53 Prozent wird der Score nach Löschung etwas geringer, bei 47 Prozent höher sein, hat sie am Beispiel des Bankenscores durchgerechnet. Das ist der meistverwendete Wert, der etwa Banken Auskunft über die Zahlungsfähigkeit geben soll, wenn jemand dort ein Konto eröffnet. Eine Verschlechterung könnte etwa bei Personen eintreten, die selbst zwar solvent sind, aber keine eigenen Vertragsbeziehungen aufweisen – ein in der Praxis oft in ehelichen Gemeinschaften anzutreffendes Phänomen, wenn Verträge für mehrere Personen von einem Kontoinhaber geschlossen werden.

Dass überhaupt keine Daten mehr gespeichert würden, bedeutet das Vorgehen allerdings nicht: "Zahlungsstörungen" – also Zahlungsverzug oder geplatzte Kredite – sollen auch weiterhin Einfluss auf die Scores haben. Auch Betrug soll weiterhin über Datensammlungen bekämpft werden, etwa dann, wenn jemand lang laufende, teure Verträge abschließen will, bei denen ein teures Mobiltelefon inklusive ist. Dazu sollen aber neue Datenbestände geschaffen werden, die unabhängig vom restlichen Scoring laufen. Die Telekommunikationsanbieter fürchten, dass sonst die Betrugsfälle durch Identitätsvortäuschung zunehmen könnten.

Bereits jetzt nutzt etwa die Deutsche Telekom, die seit 2021 keine Positivdaten mehr an die Schufa einmeldet, einen Datenpool namens "TelCo Information Platform" (TIP) bei einer anderen Auskunftei – der CRIF. Auch Vodafone und Freenet nutzen den entsprechenden Pool. Die angeschlossenen Unternehmen müssen dabei Daten für die TIP liefern, wenn sie die Daten anderer Konzerne nutzen wollen. Ob diese Datenbank datenschutzrechtlich unbedenklicher ist, ist ebenfalls umstritten und wird vom Bayerischen Landesamt für Datenschutz geprüft. Die engere Zweckbindung, dass es hierbei ausschließlich um Betrugsbekämpfung gehe, soll dabei juristisch den entscheidenden Unterschied machen. Denn in Erwägungsgrund 47 der DSGVO heißt es: "Die Verarbeitung personenbezogener Daten im für die Verhinderung von Betrug unbedingt erforderlichen Umfang stellt ebenfalls ein berechtigtes Interesse des jeweiligen Verantwortlichen dar."

Dass Überschuldung und Telekommunikationsbetrug nicht nur für die Unternehmen ein Problem sind, zeigt die Statistik: Gerade Jugendliche und junge Erwachsene laufen durch zu viele und zu hohe Mobilfunkverträge oft Gefahr, bereits frühzeitig im Leben in Überschuldung zu geraten. Ob es für eine Vorbeugung allerdings Positivdaten braucht, bleibt umstritten. Die Verbraucherzentralen sind der Auffassung, dass die Telekommunikationsunternehmen darlegen müssen, inwiefern diese für die Betrugsprävention konkret hilfreich sind, erläutert Felix Flosbach von der VZ NRW – denn Daten zu Ausfallrisiken würden ja bereits vor allem über Einträge zu Zahlungsschwierigkeiten hinterlegt.

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